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West-LB-Nachfolger wegen Cum-Ex in Not

Portigon macht 600 Millionen Euro Verlust. Ein gewichtige­r Grund sind die Cum-Ex-Sünden der früheren Landesbank.

- VON GEORG WINTERS

DÜSSELDORF Der Name Portigon ist den meisten, sollten sie ihn überhaupt je gekannt haben, vermutlich längst aus dem Gedächtnis entschwund­en. Dabei ist das Institut eines der Nachfolgeu­nternehmen der West-LB, der einstmals größten deutschen Landesbank, die 2012 unter dem Druck der EU-Kommission aufgelöst wurde. Seitdem gehört Portigon neben der Abwicklung­sbank EAA zu den Einrichtun­gen, die sich mit der Bewältigun­g der West-LB-Altlasten herumschla­gen. Und weil dazu auch die Cum-Ex-Geschäfte gehören, also der Steuerbetr­ug mit Aktiendivi­denden, ist das Unternehme­n jetzt in Not.

Rund 600 Millionen Euro Verlust erwartet Portigon für das zu Ende gehende Jahr. Das Unternehme­n begründet dies mit „diversen Änderungsb­escheiden des Finanzamts Düsseldorf im Zusammenha­ng mit Dividenden­arbitrageg­eschäften der ehemaligen West-LB“und weist gleichzeit­ig darauf hin, dass mehr als die Hälfte des Grundkapit­als aufgezehrt sei. Das betrug zum Ende des vergangene­n Jahres laut Portigon-Bilanz knapp 500 Millionen Euro. Ein Signal für Alarmstimm­ung. Auch für die Eigentümer, in diesem Fall das Land Nordrhein-Westfalen und die landeseige­ne NRW-Bank.

Mit dem anstehende­n Verlust ist die Geschichte der Cum-Ex-Affäre jedenfalls um ein Kapitel reicher geworden. Seit Jahren ermitteln die Staatsanwa­ltschaften in diesem Komplex, seit 2016 auch bei der West-LB. Damals gab es auch eine Razzia in der Unternehme­nszentrale. Mittlerwei­le liegt die Zuständigk­eit für diese Verfahren bei der Staatsanwa­ltschaft Köln.

Der Name Cum-Ex leitet sich daraus ab, dass Aktien mit („cum“) und ohne („ex“) Dividende gehandelt wurden. Das Ziel: Mehrere Beteiligte ließen sich Steuern erstatten, obwohl diese nur einmal gezahlt worden waren. Der insgesamt angerichte­te Schaden liegt wohl in zweistelli­ger Milliarden­höhe. In Bonn läuft gerade der zweite Strafproze­ss zu dem Thema.

Der Schaden, der bei diesen Geschäften auf die einst ruhmreiche West-LB zurückzufü­hren ist, liegt dem Vernehmen nach bei mehr als einer halben Milliarde Euro. Es geht um Cum-Ex-Geschäfte aus den Jahren 2005 bis 2007, bei denen Portigon der Meinung ist, mögliche Ansprüche für die Deals 2005 seien verjährt. Bei den anderen hat das Unternehme­n Einspruch eingelegt. Aufgefloge­n ist das Ganze vor Jahren ausgerechn­et unter Beteiligun­g des früheren nordrhein-westfälisc­hen Finanzmini­sters und heutigen SPD-Co-Vorsitzend­en Norbert Walter-Borjans. Auf dessen Initiative kaufte das Land vor Jahren in einer umstritten­en Aktion eine Steuer-CD von einem Insider, auf der dann ausgerechn­et auch die Geschäfte der West-LB enthalten waren. Der Bank, die zum Teil auch dem Land Nordrhein-Westfalen gehörte.

Was nun passiert, ist zunächst offen. Portigon jedenfalls ist durch die Fehlbeträg­e 2019 und 2020 in schweres Fahrwasser geraten. Das Unternehme­n ist nun gesetzlich gezwungen, eine Hauptversa­mmlung einzuberuf­en. Das steht so in Paragraf 92 des Aktiengese­tzes. Ob danach eine Kapitalspr­itze der Eigentümer

zu erwarten ist, blieb am Dienstag unklar. „Das Land wird im Rahmen seiner Eigentümer­verantwort­ung unter sorgfältig­er Abwägung aller Optionen und Belange, insbesonde­re der wirtschaft­lichen Folgen für das Land, in der jeweiligen Situation eine angemessen­e Entscheidu­ng über etwaige Maßnahmen treffen“, teilte das NRW-Finanzmini­sterium auf Anfrage mit. Eine Verpflicht­ung der Eigentümer zur Kapitalisi­erung bestehe nicht.

Portigon teilte mit, die Einladung zu einer Hauptversa­mmlung werde „nach Terminabst­immung“erfolgen. Schon für das vergangene Jahr hatte das Unternehme­n einen Verlust von 582 Millionen Euro hinnehmen müssen. Der Geschäftsb­ericht für 2019 war erst mit erhebliche­r Verzögerun­g präsentier­t worden. Und als er im August dieses Jahres endlich veröffentl­icht wurde, prognostiz­ierte Vorstandsm­itglied Frank Seyfert für 2020 ein Minus von „nur“100 Millionen Euro. Jetzt sieht alles viel dramatisch­er aus.

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