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West-LB-Nachfolger wegen Cum-Ex in Not
Portigon macht 600 Millionen Euro Verlust. Ein gewichtiger Grund sind die Cum-Ex-Sünden der früheren Landesbank.
DÜSSELDORF Der Name Portigon ist den meisten, sollten sie ihn überhaupt je gekannt haben, vermutlich längst aus dem Gedächtnis entschwunden. Dabei ist das Institut eines der Nachfolgeunternehmen der West-LB, der einstmals größten deutschen Landesbank, die 2012 unter dem Druck der EU-Kommission aufgelöst wurde. Seitdem gehört Portigon neben der Abwicklungsbank EAA zu den Einrichtungen, die sich mit der Bewältigung der West-LB-Altlasten herumschlagen. Und weil dazu auch die Cum-Ex-Geschäfte gehören, also der Steuerbetrug mit Aktiendividenden, ist das Unternehmen jetzt in Not.
Rund 600 Millionen Euro Verlust erwartet Portigon für das zu Ende gehende Jahr. Das Unternehmen begründet dies mit „diversen Änderungsbescheiden des Finanzamts Düsseldorf im Zusammenhang mit Dividendenarbitragegeschäften der ehemaligen West-LB“und weist gleichzeitig darauf hin, dass mehr als die Hälfte des Grundkapitals aufgezehrt sei. Das betrug zum Ende des vergangenen Jahres laut Portigon-Bilanz knapp 500 Millionen Euro. Ein Signal für Alarmstimmung. Auch für die Eigentümer, in diesem Fall das Land Nordrhein-Westfalen und die landeseigene NRW-Bank.
Mit dem anstehenden Verlust ist die Geschichte der Cum-Ex-Affäre jedenfalls um ein Kapitel reicher geworden. Seit Jahren ermitteln die Staatsanwaltschaften in diesem Komplex, seit 2016 auch bei der West-LB. Damals gab es auch eine Razzia in der Unternehmenszentrale. Mittlerweile liegt die Zuständigkeit für diese Verfahren bei der Staatsanwaltschaft Köln.
Der Name Cum-Ex leitet sich daraus ab, dass Aktien mit („cum“) und ohne („ex“) Dividende gehandelt wurden. Das Ziel: Mehrere Beteiligte ließen sich Steuern erstatten, obwohl diese nur einmal gezahlt worden waren. Der insgesamt angerichtete Schaden liegt wohl in zweistelliger Milliardenhöhe. In Bonn läuft gerade der zweite Strafprozess zu dem Thema.
Der Schaden, der bei diesen Geschäften auf die einst ruhmreiche West-LB zurückzuführen ist, liegt dem Vernehmen nach bei mehr als einer halben Milliarde Euro. Es geht um Cum-Ex-Geschäfte aus den Jahren 2005 bis 2007, bei denen Portigon der Meinung ist, mögliche Ansprüche für die Deals 2005 seien verjährt. Bei den anderen hat das Unternehmen Einspruch eingelegt. Aufgeflogen ist das Ganze vor Jahren ausgerechnet unter Beteiligung des früheren nordrhein-westfälischen Finanzministers und heutigen SPD-Co-Vorsitzenden Norbert Walter-Borjans. Auf dessen Initiative kaufte das Land vor Jahren in einer umstrittenen Aktion eine Steuer-CD von einem Insider, auf der dann ausgerechnet auch die Geschäfte der West-LB enthalten waren. Der Bank, die zum Teil auch dem Land Nordrhein-Westfalen gehörte.
Was nun passiert, ist zunächst offen. Portigon jedenfalls ist durch die Fehlbeträge 2019 und 2020 in schweres Fahrwasser geraten. Das Unternehmen ist nun gesetzlich gezwungen, eine Hauptversammlung einzuberufen. Das steht so in Paragraf 92 des Aktiengesetzes. Ob danach eine Kapitalspritze der Eigentümer
zu erwarten ist, blieb am Dienstag unklar. „Das Land wird im Rahmen seiner Eigentümerverantwortung unter sorgfältiger Abwägung aller Optionen und Belange, insbesondere der wirtschaftlichen Folgen für das Land, in der jeweiligen Situation eine angemessene Entscheidung über etwaige Maßnahmen treffen“, teilte das NRW-Finanzministerium auf Anfrage mit. Eine Verpflichtung der Eigentümer zur Kapitalisierung bestehe nicht.
Portigon teilte mit, die Einladung zu einer Hauptversammlung werde „nach Terminabstimmung“erfolgen. Schon für das vergangene Jahr hatte das Unternehmen einen Verlust von 582 Millionen Euro hinnehmen müssen. Der Geschäftsbericht für 2019 war erst mit erheblicher Verzögerung präsentiert worden. Und als er im August dieses Jahres endlich veröffentlicht wurde, prognostizierte Vorstandsmitglied Frank Seyfert für 2020 ein Minus von „nur“100 Millionen Euro. Jetzt sieht alles viel dramatischer aus.