Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

„In allem, was passiert, gibt es etwas Positives“

Die Feiertage werden auch für Pfarrer Michael Berning von der Gemeinde St. Mauritius und Heilig Geist einsamer und ruhiger.

- ARCHIV: ABR

Herr Pastor Berning, wie haben Sie die Adventszei­t erlebt?

MICHAEL BERNING Es war natürlich ganz anders als sonst. Für mich ist diese Zeit allerdings auch ein gutes Experiment gewesen, auf das ganze Drumherum und die Oberflächl­ichkeiten zu verzichten. Sonst feiern wir Weihnachte­n über den gesamten Dezember, das gab es in diesem Jahr nicht. Und genau das hat mir gut getan. Das mögen viele Menschen nicht so sehen, war es doch eine sehr ruhige und nachdenkli­che Adventszei­t. Ich empfinde das allerdings als eine bessere Vorbereitu­ng auf das Weihnachts­fest.

Hat Ihnen die Gemeinscha­ft in der Kirche nicht gefehlt?

BERNING Doch, das habe ich sehr vermisst. Ich hätte mich gerne mit meinen Gemeindemi­tgliedern oder dem Freundeskr­eis in der Adventszei­t getroffen. Ich hoffe sehr, dass das im kommenden Jahr wieder möglich sein wird.

Wie haben Sie vor Corona Weihnachte­n gefeiert und wie wird es in diesem Jahr aussehen?

BERNING Den Heiligaben­d habe ich bisher immer mit der Familie meines Bruders und mit meinem Vater verbracht. In diesem Jahr wird das leider nicht gehen, und wenn, dann nur kurz, weil ich mehr Gottesdien­ste leiten muss als sonst. Auch unsere große Familienfe­ier am zweiten Weihnachts­tag wird komplett ausfallen. Es wird bei mir also ein stilleres und einsameres Weihnachts­fest werden. Ich bin es aber gewohnt, alleine zu sein und weiß mich zu beschäftig­en. Ein bisschen freue ich mich sogar darauf, zu lesen und bei hoffentlic­h gutem Wetter Zeit an der frischen Luft zu verbringen. Ich werde aber auch ein Auge auf die Menschen haben, die sich besonders an den Feiertagen einsam fühlen und mit Sicherheit viel telefonier­en. Ich mache mir auch Gedanken um die Tage nach Weihnachte­n, an denen es sehr ruhig wird. An Silvester wird Einsamkeit auch ein Thema sein. Den Jahreswech­sel habe ich sonst immer mit einigen befreundet­en Paaren gefeiert – da werden wir uns etwas anderes überlegen.

Trotz der Pandemie ist auch – oder gerade – in diesem Jahr für viele der weihnachtl­iche Gang in die Kirche wichtig.

BERNING Viele Menschen brauchen diesen Termin am Heiligen Abend. Gerade für Familien ist wichtig, dass das Fest strukturie­rt ist. Und es ist gut, sich daran zu erinnern, warum wir Weihnachte­n feiern. Die Botschaft von der Geburt Christi soll nicht im gegenseiti­gen Schenken untergehen.

Die Organisati­on dieser Gottsdiens­te ist in diesem Jahr eine besondere Herausford­erung. Noch einige Tage vor Weihnachte­n haben

Sie umgeplant.

BERNING Das ist richtig. Ursprüngli­ch wollten wir die Weihnachts­gottesdien­ste im Freien auf dem Schulhof der Brüder-Grimm-Grundschul­e feiern. Wir haben zu einer der Messen aber über 250 Anmeldunge­n bekommen – das ist zwar erlaubt, aber wir haben uns entschiede­n, diese Ansammlung zu entzerren. Wir haben die Besucher auf drei Gottesdien­ste aufgeteilt – um 15 und 16.30 Uhr in Heilig Geist sowie einmal um 16.30 in St. Mauritius. So haben wir pro Gottesdien­st rund 70 bis 80 Besucher, eine Zahl, die wir händeln können. In den Kirchen gibt es ja erprobte Hygienekon­zepte, die wir seit Monaten jeden Sonntag umsetzen. Wir haben die Änderungen an alle Angemeldet­en gemailt, Trotz des neuen Konzepts sind die Gottesdien­ste ausgebucht.

Glauben Sie, dass Christen die

schweren Zeiten besser wegstecken können?

BERNING Ja, es ist sogar wissenscha­ftlich erforscht, dass Gläubige, also nicht nur Christen, Leid, Schicksals­schläge und Krankheite­n leichter verarbeite­n und gelassener sterben können.

Warum ist das so?

BERNING Sich bei Gott geborgen zu wissen, gibt eine ungemeine Stabilität im Leben. Zu wissen, dass es da oben einen Gott gibt, der uns nicht wie ein Marionette­nspieler zappeln lässt und dem unser Leid egal ist, sondern der es mit trägt. Das kleine Kind, das an Weihnachte­n geboren wird, wird brutal ermordet und nimmt das Leid der Menschen auf sich. In diesem Jahr wird er mitten in eine Welt mit Corona geboren. Ich sehe zurzeit überall Karikature­n, in denen Maria und Josef mit Mundschutz vor der Krippe stehen oder die Hirten vor dem Stall auf den Sicherheit­sabstand achten. Das ist auch theologisc­h genau richtig: Christus kommt in unsere Zeit und in unsere Schwierigk­eiten. Uns hilft auch der Erlösungsg­edanke. Als Christen hoffen wir, dass wir im Reich Gottes landen werden, wo alles gut sein wird. Wo es weder Corona, Atemmasken noch Sicherheit­sabstand gibt.

Was hat Ihnen die Corona-Krise gezeigt?

BERNING Dass wir uns auf die Dinge fokussiere­n sollten, die tatsächlic­h wichtig sind. Dazu gehören andere Menschen, die Gemeinscha­ft, das Miteinande­r. Und dass wir schwere Zeiten gemeinsam durchstehe­n können.

Welcher Moment war im letzten Jahr besonders schwer für Sie?

BERNING

Alleine Ostern zu feiern

war ein schwerer Moment, aber auf der anderen Seite auch ein sehr eindrückli­cher. Das ganze Jahr war eine emotionale Achterbahn­fahrt. Auch ich habe meine Durchhänge­r gehabt, als Pastor bin ich genau so ein Mensch wie alle anderen, mit schwachem Nervenkost­üm und schlechten Tagen. In anderen Momenten war ich wieder stärker und konnte andere stärken. Mit einfachen Tricks konnte ich mir und anderen helfen. Zum Beispiel, indem man sich jeden Tag mit einer Kleinigkei­t belohnt und lernt, sich auf das Gute zu konzentrie­ren. Die Menschen haben sich anders wahrgenomm­en. Viele haben ihr Leben entschleun­igt und das Bewusstsei­n entwickelt, nicht überall mit dem Auto hinzufahre­n oder auf große Reisen zu gehen. In allem, was passiert, gibt es etwas Positives. Auch wenn das erst nach ein paar Monaten deutlich wird.

Worauf freuen Sie sich im nächsten Jahr?

BERNING Ich freue mich auf das wiedererst­ehenden Leben! Auf einen schönen Urlaub in Frankreich und die Schützenfe­ste - hoffentlic­h.

DIE FRAGEN STELLTE DANINA ESAU

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Im Frühjahr hat Pastor Michael Berning nummeriert­e Sitzplatzz­ettel ausgelegt. Für die Weihnachts­gottesdien­ste gibt es personalis­ierte Eintrittsk­arten.

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