Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Wo Steinmeier recht hat – und wo nicht
Erinnern wir uns noch an die ablehnende Aufregung Anfang Oktober, als die Kanzlerin warnte, dass wir Weihnachten täglich 19.200 Neuinfektionen hätten, wenn wir so weitermachen? Und nun kommen wir seit Wochen schon nicht runter vom Berg der 20.000 und mehr Neuinfizierten, nicht weg von dem bestürzenden Anstieg der Zahl der Corona-Toten. Deshalb liegt der Bundespräsident in seiner Weihnachtsansprache neben der Spur, wenn er feststellt, wir hätten „erfahren dürfen, wie stark wir sind, wenn wir aufeinander achtgeben und füreinander da sind“. Eigentlich erfahren wir gerade, wie hilflos viele dem Virus ausgeliefert sind, weil zu viele nicht achtgeben, ja in fortgesetzter Rücksichtslosigkeit quer zur Mitmenschlichkeit unterwegs sind.
Wie wohltuend dagegen ist die Empathie, die der Präsident den Opfern des Virus und jenen entgegenbringt, die um ihr Leben kämpfen. Er mahnt richtigerweise, auch auf die jungen Menschen zu achten, die durch die Pandemie auf ihrem Sprung in Ausbildung und Beruf ausgebremst wurden, und empfiehlt Solidarität mit ihnen. Das Wort ist jedenfalls der Schlüssel für Weihnachten 2020. Solidarität durch Distanz: um diejenigen zu schützen, die gefährdet sind. Solidarität durch Verständnis: dass diejenigen zuerst geimpft werden, die es am nötigsten haben.
Bei vielen wird eine zentrale Erkenntnis der Ansprache auf Zustimmung stoßen: wie sehr wir jetzt ohne sie spüren, wie wichtig uns Verwandte und Freunde sind. Und wie sehnsüchtig wir unser normales Leben zurückwünschen. Erinnern wir uns deshalb an eine weitere Prognose vom Frühjahr, wonach es ein bis zwei Jahre dauern könne, bis ein Impfstoff gefunden sei, und noch länger, bis wir mit dem Impfen beginnen könnten. Dass es jetzt schon losgeht, ist ganz besonders zu Weihnachten auch ein Zeichen der Hoffnung.
BERICHT STEINMEIER MACHT HOFFNUNG, POLITIK