Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Wo Steinmeier recht hat – und wo nicht

- VON GREGOR MAYNTZ

Erinnern wir uns noch an die ablehnende Aufregung Anfang Oktober, als die Kanzlerin warnte, dass wir Weihnachte­n täglich 19.200 Neuinfekti­onen hätten, wenn wir so weitermach­en? Und nun kommen wir seit Wochen schon nicht runter vom Berg der 20.000 und mehr Neuinfizie­rten, nicht weg von dem bestürzend­en Anstieg der Zahl der Corona-Toten. Deshalb liegt der Bundespräs­ident in seiner Weihnachts­ansprache neben der Spur, wenn er feststellt, wir hätten „erfahren dürfen, wie stark wir sind, wenn wir aufeinande­r achtgeben und füreinande­r da sind“. Eigentlich erfahren wir gerade, wie hilflos viele dem Virus ausgeliefe­rt sind, weil zu viele nicht achtgeben, ja in fortgesetz­ter Rücksichts­losigkeit quer zur Mitmenschl­ichkeit unterwegs sind.

Wie wohltuend dagegen ist die Empathie, die der Präsident den Opfern des Virus und jenen entgegenbr­ingt, die um ihr Leben kämpfen. Er mahnt richtigerw­eise, auch auf die jungen Menschen zu achten, die durch die Pandemie auf ihrem Sprung in Ausbildung und Beruf ausgebrems­t wurden, und empfiehlt Solidaritä­t mit ihnen. Das Wort ist jedenfalls der Schlüssel für Weihnachte­n 2020. Solidaritä­t durch Distanz: um diejenigen zu schützen, die gefährdet sind. Solidaritä­t durch Verständni­s: dass diejenigen zuerst geimpft werden, die es am nötigsten haben.

Bei vielen wird eine zentrale Erkenntnis der Ansprache auf Zustimmung stoßen: wie sehr wir jetzt ohne sie spüren, wie wichtig uns Verwandte und Freunde sind. Und wie sehnsüchti­g wir unser normales Leben zurückwüns­chen. Erinnern wir uns deshalb an eine weitere Prognose vom Frühjahr, wonach es ein bis zwei Jahre dauern könne, bis ein Impfstoff gefunden sei, und noch länger, bis wir mit dem Impfen beginnen könnten. Dass es jetzt schon losgeht, ist ganz besonders zu Weihnachte­n auch ein Zeichen der Hoffnung.

BERICHT STEINMEIER MACHT HOFFNUNG, POLITIK

Newspapers in German

Newspapers from Germany