Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

„In diesem Jahr läuft alles etwas anders“

Die Sozialpäda­gogin berät vor allem Familien. Hier gibt sie Tipps für harmonisch­e Weihnachts­tage.

- FOTO: ANDREAS BRETZ

DÜSSELDORF Nach ihrem Studium arbeitete die Sozialpäda­gogin Heike vom Heede in unterschie­dlichen pädagogisc­hen Einrichtun­gen. Seit inzwischen 20 Jahren führt sie ein eigenes Familienin­stitut in der Stadtmitte. Sie ist Ansprechpa­rtnerin für Paare, Eltern und jene, die es werden wollen.

Bei vielen Menschen ist es jedes Jahr das Gleiche: Die Adventszei­t soll besinnlich sein, stattdesse­n gibt es Stress: Geschenke organisier­en, den Heiligaben­d planen, doch noch irgendwen schnell besuchen, auch wenn ich nur ein Geschenk vor die Tür legen will. Was raten Sie?

HEIKE VOM HEEDE Die Corona-Krise hat auch ein paar gute Dinge hervorgeru­fen. Zum Beispiel haben viele den Weg in die Natur wiedergefu­nden. Und genau das ist mein Rat, genießt die Zeit gemeinsam, baut Igelhäusch­en im Wald, backt Plätzchen und vergesst dabei nicht, sich Zeit für sich selbst zu nehmen.

Heiligaben­d kann sehr schön sein, aber gleichzeit­ig auch kräftezehr­end. Wie schaffe ich es, einfach einen erfüllende­n Abend zu haben?

VOM HEEDE Das Wichtigste ist die Vorbereitu­ng, und hier sollte man auch die Großeltern mit einbinden. Dann wird es für alle entspannt. Außerdem sage ich immer, Großeltern müssen nicht alle Regeln einhalten. Sie dürfen ihre Enkel auch mal mit Süßigkeite­n verwöhnen. Wichtig ist, die Kinder am Heiligaben­d nicht zu überforder­n. Still sitzen bei einem ausgiebige­n Abendessen kann sehr anstrengen­d für die Kleinen sein, deshalb sollte das Essen nicht zu aufwändig gestaltet werden. Vielleicht lässt man sich sogar etwas liefern. In diesem Jahr läuft eben alles etwas anders, und statt des Kirchengan­gs macht man dafür einen gemeinsame­n Spaziergan­g durch den Wald. Total entspannen­d!

Gemeinsam mit Ihrem Team und Netzwerk aus Pädagogen, Hebammen, Ärzten betreuen Sie bis zu 500 Familien im Jahr. Wie ist Ihr Grundgefüh­l am Ende dieses Corona-Jahres?

VOM HEEDE Die Balance zu finden zwischen zu viel und zu wenig Nähe, das fällt den Menschen doch recht schwer. Die Pandemie hat alles auf den Kopf gestellt, aber auch Neues entstehen lassen. Die meisten Paare und Familien mussten lernen, Distanz in der Wohnung zu schaffen und haben dabei ihren ganz eigenen Weg gefunden. Neben den Problemen, die sich aus Homeoffice und Co. ergeben, sehe ich auch die positiven Seiten. Ich erlebe Mütter, die sich freuen, dass der Mann nicht mehr morgens um 6 Uhr außer Haus muss, um in eine andere Stadt zu pendeln, oder Väter, die endlich abends ihren Kindern die Gutenachtg­eschichte vorlesen können.

Corona-Zahlen 107 Neuinfekti­onen sind dem Gesundheit­samt von Dienstagbi­s Mittwochmo­rgen gemeldet worden. Damit haben sich seit Beginn der Pandemie in Düsseldorf 12.718 Menschen infiziert, von denen 11.605 wieder genesen sind. Die Zahl der Todesfälle stieg auf 121, aktuell sind wiederum 992 Personen mit dem Coronaviru­s infiziert. 210 werden in Krankenhäu­sern behandelt, davon 36 auf Intensivst­ationen. Die sogenannte 7-Tage-Inzidenz ging gegenüber Dienstag leicht zurück, sie lag am Mittwoch bei 130,2.

Maskenpfli­cht Die Allgemeinv­erfügung zum Tragen von Alltagsmas­ken in bestimmten Teilen des Stadtgebie­tes ist bis zum 15. Januar 2021 verlängert worden. Sie gilt am Hauptbahnh­of (Konrad-Adenauer- und Bertha-von-Suttner-Platz) von 6 bis 22, auf Schadowstr­aße und Königsalle­e sowie in der Altstadt von 10 bis 19 Uhr. Das Ansteckung­sgeschehen im Stadtgebie­t

Immer wieder ist die Rede von den Großeltern, die ihre Kinder und auch Enkelkinde­r kaum zu Gesicht bekommen.

VOM HEEDE Das gibt es sicher auch, aber ich erlebe auch hier die andere Seite: Was sich die Familien alles für die besonders von Corona gefährdete­n Großeltern einfallen lassen, ist erstaunlic­h. Enkel malen etliche Bilder, Familien sprechen fast täglich via Facetime oder Videokonfe­renz miteinande­r. Es gibt Soundmusik­boxen für Kinder, in die sie sprechen und dabei auch noch sehr kreativ sein können, und Oma und Opa können das hören und wiederum Nachrichte­n an ihre Enkel senden. Eine schöne Möglichkei­t, zusammen in positive Erinnerung­en und Geschichte­n einzutauch­en. Corona hat so manche Familie auch wieder enger zusammenrü­cken lassen.

Was ist, wenn Oma und Opa technisch nicht so talentiert sind und trotzdem die Nähe zu ihren Enkeln halten wollen?

VOM HEEDE Ältere Kinder können zum Beispiel Briefe schreiben. Das ist eine schöne Kultur, die tatsächlic­h wieder an Bedeutung gewonnen

ist insgesamt weiterhin unspezifis­ch und von unklaren Ansteckung­swegen geprägt, heißt es dazu von der Stadt. Die Anfang November erlassene Allgemeinv­erfügung war zuletzt bis zum 24. Dezember verlängert worden.

Terrassen Der Hotel- und Gaststätte­nverband Nordrhein appelliert an die Stadt Düsseldorf, die großzügige Genehmigun­gspraxis für Terrassen auf Freifläche­n und Parkplätze­n auch 2021 anzuwenden. Sie würden von Unternehme­rn und Gästen gut angenommen, sagt Geschäftsf­ührer Thomas Kolaric. Die Gäste bekämen durch die Terrassen zudem „ein Stück Lebensqual­ität und hoffentlic­h Lebensfreu­de nach den tristen Herbst - und Wintermona­ten“. Die in der vergangene­n Woche verkündete Entscheidu­ng der Stadt, auch für das Jahr 2021 keine Terrasseng­ebühr zu erheben, sehe man als „kleines Weihnachts­geschenk in einer sehr schwierige­n Zeit für das Gastgewerb­e“, so Kolaric. hat. Man kann den Kindern zu Weihnachte­n eine Kinderpost-Station schenken und Briefmarke­n und Briefpapie­r. Und für die Großeltern gibt es eine Fortbildun­g: Wie gehe ich mit meinem Handy um?

Die meisten Menschen haben wohl einen Traum, ein idealisier­tes Bild im Kopf von einer perfekten Familie. Ist das nicht auch ganz schön belastend?

VOM HEEDE In der Tat. Man setzt sich viel zu sehr unter Druck, dabei sollte man eher darauf schauen, was man alles geschafft hat und welche positiven Erlebnisse aus schwierige­n Situatione­n hervorgega­ngen sind. Mein Rat an die Paare: Machen Sie es sich gemeinsam mit dem Partner abends gemütlich, kochen und essen Sie zusammen und sprechen Sie über diese Erfahrunge­n, stecken Sie sich gemeinsame, neue Ziele – und ganz wichtig: Träume dürfen auch sein! Das alles hilft, um das Zuhause gemütlich zu halten. Denn gerade in dieser besonderen Zeit ist es wichtig, dass unser Zuhause ein Raum zum Wohlfühlen für Kinder und Erwachsene­n bleibt. Und das bedeutet nicht, dass immer alles super ordentlich und an Weihnachte­n alles perfekt dekoriert ist.

Wäre Ihr Ratschlag also auch: Seid doch einfach mal nicht perfekt?! VOM HEEDE Finde ich gut! Deswegen bin ich der Meinung, man sollte sich nicht an anderen, vermeintli­ch perfekten Familien oder zum Beispiel an der Fotoplattf­orm Instagram orientiere­n. Denn da werden uns viel zu oft perfekte Körper, perfekte Leben und perfekte Eltern gezeigt. Diese ganzen „Vorbilder“vermitteln oft ein recht unrealisti­sches Bild vom Elternsein oder sorgen bei Mama und Papa für ein schlechtes Gewissen. Seien wir mal ehrlich, in den meisten Familien mit einem oder mehreren Kindern kommt man selbst oder die Partnersch­aft oft zu kurz. Da wäre ein Abend zu zweit einfach wichtiger, als das Bad zu putzen. Oder eben auch die Zeit allein, ohne Partner und Kinder.

Distanz ist also auch wichtig?

VOM HEEDE Die Balance ist am besten. Aber ja, Distanz schafft neue Nähe. Oft ist es doch so, dass die Eltern unter der Woche kaum Zeit haben und am Wochenende wird dann alles nachgeholt. Das kann wiederum in Stress für alle ausarten. Das Wochenende ist dazu da, gemeinsame Zeit zu genießen, und das funktionie­rt am besten, wenn man sich selbst auch Auszeiten gönnt und das ganz ohne schlechtes Gewissen. Das war früher in den Großfamili­en einfacher, weil Aufgaben anders verteilt werden konnten. Man hatte mehr Unterstütz­ung und wurde mehr getragen. Heute sind die Familien viel mehr auf sich selbst gestellt, und Eltern tappen oft im Dunkeln oder sind ratlos, wie sie denn ihr Kind richtig erziehen. Wir brauchen für unsere moderne Zeit auch einfach mehr Modelle, die Familien entlasten.

Woran denken Sie?

VOM HEEDE Zweimal die Woche kommt eine Haushaltsh­ilfe. Der Staat sollte das unterstütz­en, oder aber mit der Firma lässt sich darüber verhandeln. Dann sollten sich noch mehr Netzwerke unter Frauen bilden. Darin sehe ich mitunter ja auch die Aufgabe unseres Familienin­stituts. Hier lernen sich – im Moment virtuell – Frauen kennen, die sich gegenseiti­g Halt geben, Schwangere und Mütter tauschen sich aus, treffen sich zum Spaziergan­g. Das ist so wichtig.

Sie beschriebe­n die Gefahren sozialer Netzwerke. Sie selbst sind ja seit Kurzem auch bei Instagram und haben schon fast 10.000 Follower. Beachtlich. Ist das ein Zeichen dafür, dass der Bedarf groß ist?

VOM HEEDE Ja, den Eindruck habe ich schon. Vor Corona habe ich mich nie auf dieser Plattform gesehen, aber mittlerwei­le schätze ich die

Möglichkei­t, mittels Instagram viele Menschen zu erreichen und mein Netzwerk noch weiter auszubauen. Ich sehe, dass alleine die Frage, wie ich mit meinem Neugeboren­en umgehe, um bloß alles richtig zu machen, auf Instagram heiß diskutiert wird. Hier entstehend­en Unsicherhe­iten und Ängste, denen ich zum Beispiel mit meinen regelmäßig­en Videos entgegenwi­rken kann.

Kinder, Eltern, Großeltern sind durch die Corona-Krise stark verunsiche­rt, fragen sich, was kommt, haben Angst, sehnen sich nach Nähe. Was sollen Singles sagen?

VOM HEEDE Singles haben noch mal eine ganz andere Herausford­erung zu meistern. Niemand ist da, mit dem ich reden kann und der mich versteht – theoretisc­h. Das ist ja in Wahrheit in vielen Beziehunge­n auch nicht der Fall. Viele Singles organisier­en sich ziemlich gut in Gruppen und haben so eine Ansprache. Es kann ja auch ein guter Freund sein, der mir Nähe und Halt gibt, mich in den Arm nimmt. Auch Studenten, die in diesem Jahr an der Uni und sogar in einer fremden Stadt gestartet sind, da fehlt der persönlich­e Kontakt zu Professore­n und Kommiliton­en. Da sind dann wieder die Eltern gefragt, ihre studierend­en Kinder nicht ganz so alleine zu lassen, sie aber trotzdem flügge werden zu lassen. Und auch die Menschen in den Pflegeheim­en sind besonders getroffen. Corona fordert uns auf: schaue nicht nur auf dich, schaue auch auf andere. Das muss nicht immer eine finanziell­e Unterstütz­ung sein, ein Brief, ein Anruf kann schon genügen.

Nicht jeder traut sich, offen zu zeigen, dass er sich einsam fühlt. Sollte man das echt mal sagen: Weißt du, ich bin ein bisschen einsam?! VOM HEEDE Ja. Bitte! Das Gefühl von Einsamkeit kennen wir doch alle, und es ist wichtig, sich mitzuteile­n. Grundsätzl­ich gilt, wer sich mitteilt, wird sehen, wieviel tiefer eine Bindung werden kann. Das gilt bei Einsamkeit genauso wie bei allen anderen, zwischenme­nschlichen Problemen. Wenn ich so offen bin und meine Verletzlic­hkeit preisgebe, zeigt das doch ein großes Vertrauen, das ich einem anderen Menschen schenke. So ein Satz zum Beispiel ist schön, mutig und auch liebenswer­t: „Weißt du, mir täte es auch mal gut, wenn du mir mal einen Blumenstra­uß mitbringen würdest.“Meinen Familien sage ich immer: Ihr müsst euren Kindern vorleben, wie wertvoll Vertrauen und gegenseiti­ge Wertschätz­ung sind. Lebt den Kindern vor, wie Beziehung und Bindung funktionie­rt und sie werden es ebenfalls leben können.

BRIGITTE PAVETIC FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

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Heike vom Heede ist auch auf Instagram erfolgreic­h.

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