Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
So lief der Schulalltag 2020 mit Corona
Sie leitet die Martinus-Schule in Strümp, er die Maria-Montessori-Gesamtschule in Büderich. Beide haben so ein Jahr noch nie erlebt.
MEERBUSCH In den Weihnachtsferien können Klaus Heesen, Leiter der Städtischen Maria-Montessori-Gesamtschule, und Anne Weddeling-Wolff, Leiterin der Martinus-Schule, ein wenig durchatmen. In den vergangenen Wochen und Monaten war für die beiden Rektoren vieles anders, die Corona-Pandemie hat den Alltag in der Bildungslandschaft auf den Kopf gestellt. Weddeling-Wolff und Heesen blicken auf ein Jahr zurück, wie es es bisher nicht gegeben hat – und nach vorn auf vermutlich weitere Monate voller Herausforderungen.
Wie viel Prozent Ihrer Aufgaben hatten zuletzt mit Corona zu tun?
KLAUS HEESEN Da die Auswirkungen der Corona-Pandemie in nahezu allen schulischen Bereichen zu spüren sind, gehe ich von rund 50 Prozent aus.
ANNE WEDDELING-WOLFF Corona ist zu einem Querschnittthema für mich als Schulleiterin geworden. Es gibt kaum Arbeitsbereiche, die nicht durch das Virus und die Pandemie beeinflusst werden.
Haben Sie als Schulleiter jemals ein vergleichbares Jahr erlebt?
HEESEN Nein, zum Glück nicht. Wir haben im Laufe der Zeit immer wieder einmal außergewöhnliche Ereignisse gehabt, aber eine derartig umfassende und lang anhaltende Ausnahmesituation gab es nicht. WEDDELING-WOLFF Nein. So ein Jahr habe ich noch nicht erlebt, und ich hätte es nie für möglich gehalten, dass ein Virus auf diese Art und Weise den schulischen Alltag durcheinander wirbeln könnte.
Welche Erfahrungen waren in den vergangenen Monaten für Sie die prägendsten – positiv wie negativ?
HEESEN Die Schulentwicklung hat im digitalen Bereich große Fortschritte gemacht. Die Wichtigkeit des Präsenzunterrichts wurde erkannt, auch die Wichtigkeit des Miteinanders im direkten Kontakt. Der Austausch innerhalb der Schulgemeinde ist intensiver geworden – wir sind virtuell enger zusammengerückt. Negativ: Die knappe personelle Ressourcenlage und die unzureichende Ausstattung. WEDDELING-WOLFF Zunächst einmal erinnere ich mich an viele Gespräche im Kollegenkreis, aber auch im Schulleiterkreis. Selten hatte ich den Eindruck, dass Resignation entsteht. So mussten wir die Abschiedsfeiern und Einschulungsfeiern umgestalten. Der Trubel wich dabei einer höheren Intimität, der Feierlichkeit tat die neue Form keinen Abbruch. Die Bereitschaft der Lehrer und Mitarbeiter des Offenen Ganztags, sich in besonderer Weise für das Wohl der Kinder einzusetzen, ist bemerkenswert. Sie sind diejenigen, die den Kindern in dieser Zeit in der Schule Sicherheit und Zuversicht vermitteln. Die schnelle Abfolge von Vorgaben hat zu Beginn der Pandemie unsere Planungen bestimmt. Diese Erfahrung wird sicherlich für lange Zeit die Schule prägen. Viele Lehrer bedauern, dass nicht mehr so unbeschwert gesungen werden darf. Besonders prägend ist die Erfahrung, wie großartig die Kinder mit der neuen Situation umgehen. Wir haben erfahren, wie wichtig die Kooperation in der Schule, im Jahrgangsstufenteam, mit den Mitarbeitern des Ganztags und den Eltern ist.
Das Virus begleitet uns seit mehr als neun Monaten. Wie gehen Schüler und Kollegium mittlerweile mit der Krise um?
HEESEN Es ist eine Gemengelage: Einerseits wird der Umgang mit den Hygienemaßnahmen immer routinierter. Andererseits wächst die Anspannung, da die Fälle im näheren Umfeld zunehmen. Unterrichtlich bereiten wir uns alle auf die Möglichkeit des Distanzunterrichtes durch weitere Schulungen vor. Ich erlebe den Umgang mit dieser besonderen Situation als sehr konstruktiv.
WEDDELING-WOLFF In der Schule setzen die Kinder und Pädagogen die Hygienevorgaben nach wie vor selbstverständlich und zuverlässig um. Der Unterrichtsalltag ist kaum beeinträchtigt. Die Struktur des Schulalltags und die sozialen Kontakte sind für die Kinder von enormer Bedeutung. Aber auch die Kollegen begrüßen trotz der enormen Belastung und eigener Sorgen die Möglichkeit des Präsenzunterrichts.
Sie sind in Meerbusch Vertreter Ihrer jeweiligen Schulform. Wie nehmen Sie die Stimmung an den anderen Schulen wahr?
HEESEN Die Situation ist an allen weiterführenden Schulen sehr ähnlich. Wir tauschen uns in Videokonferenzen aus und vereinbaren gemeinsames Vorgehen. Dabei übersehen wir natürlich nicht, dass die Schulen spezifische Bedarfe haben. Uns war es aber beispielsweise wichtig, eine gemeinsame Verabredung über die gleiche Ausstattung von Lehrern und Schülern mit mobilen Endgeräten an allen Schulen zu treffen.
WEDDELING-WOLFF Wir pflegen einen intensiven Austausch, zuletzt über Videokonferenzen und Mail. Den Austausch empfinde ich als wichtiger denn je. So wie ich es mitbekomme, sind alle Schulen bestrebt, der Situation gerecht zu werden und unternehmen enorme Anstrengungen. Besonders dann, wenn Quarantänen bereits erfolgen mussten, liegen manchmal die Nerven bei Eltern und Kollegen blank.
Was bedeutet Schule im Corona-Modus unter Lernaspekten?
HEESEN Der zweite Lockdown hat uns nochmal zurückgeworfen. Das Lernen und insbesondere das digitale Arbeiten scheint jedoch insbesondere in den höheren Jahrgängen vielfach ernsthafter angenommen und zu einer Selbstverständlichkeit zu werden.
WEDDELING-WOLFF Ich habe nicht den Eindruck, dass die Lernentwicklung beeinträchtigt ist. Das ein oder andere Thema ist etwas verkürzt bearbeitet worden, aber die wesentlichen Kompetenzen konnten entwickelt werden. Dabei haben die Eltern im Distanzlernen unterstützt.
Wie läuft in der Krise die Zusammenarbeit und der Austausch mit der Stadt Meerbusch?
HEESEN Wir haben einen sehr kurzen Draht zur Schulverwaltung der Stadt Meerbusch. Die Mitarbeiter sind unglaublich engagiert. Wir treffen immer auf offene Ohren und die Bereitschaft zur gemeinsamen Suche nach konstruktiven Lösungen. Das gleiche gilt für die anderen Abteilungen, wie etwa Service Immobilien, das Grünflächenamt, einfach alle, die mit Schule befasst sind. WEDDELING-WOLFF Wir haben in der Krise die Mitarbeiter der Stadt Meerbusch als besonders unterstützend erlebt, auch in Bezug auf die Hygienekonzepte. Zu nennen ist hier etwa der zügige Einbau von zusätzlichen Waschbecken, sodass die Räume für die Angebote im offenen Ganztag genutzt werden konnten. Vom Grünflächenamt wurden wir beim Bepflanzen unseres Außengeländes unterstützt, was wir aufgrund der Hygienevorgaben nicht mehr mit den Eltern machen konnten.
Die Stadt hat zuletzt viel für die digitale Ausstattung der Meerbuscher Schulen getan. Wie muss es nun weitergehen?
HEESEN Wir haben hier in Meerbusch wirklich einen großen Schritt gemacht. Nachdem nun die Lehrer mit mobilen Endgeräten ausgestattet sind, geht es mit den Schülern weiter. Einer kleinen Zahl von Schülern konnten wir bereits die Geräte ausgeben. Ich bin optimistisch, auch bald die übrigen ausstatten können. Während des erneuten Lockdowns war die Erreichbarkeit des Rechenzentrums die Engstelle für das digitale Arbeiten. An den ersten Tagen waren die Plattformen vormittags so gut wie nicht erreichbar. Das wird mit dem Betreiberwechsel hoffentlich besser. Die ersten Kontakte mit den Administratoren des neuen Netzanbieters waren sehr positiv. Die Sicherstellung der technischen Infrastruktur ist eine wichtige Grundlage für das digitale Arbeiten. Außerdem gilt es nun, die Schüler im Einsatz der neuen Geräte zu schulen und die Lehrer natürlich weiterhin auch. WEDDELING-WOLFF Schon seit einiger Zeit war Meerbusch auf dem Weg, die digitale Ausstattung der Schulen weiterzuentwickeln. Die Krise hat für einen enormen und entscheidenden Aufwind gesorgt. Es ist abzusehen, wann alle Schule ihr Wlan freigeschaltet bekommen, die Klassen mit digitaler Präsentationstechnik ausgestattet sind und alle Kinder über ein digitales Endgerät verfügen. Die Lehrer haben ihre Endgeräte bereits bekommen, und die für die berechtigten Schüler stehen zur Ausgabe bereit. Die schuleigenen Medienkonzepte müssen nun erweitert und den Möglichkeiten angepasst werden. Die Kollegen nehmen momentan schon an digitalen Fortbildungen teil. Wir planen nun passgenaue, schulinterne Fortbildungen.
Was wünschen Sie sich?
HEESEN Ich wünsche mir dringend eine Aufstockung der Personalausstattung der Schulen. Wir brauchen außerdem Unterstützung bei der Arbeit mit digitalen Medien, sowohl bei der Einrichtung und Wartung als auch bei der Klärung, welche Tools datenschutzrechtlich zulässig, welche bedenklich sind. Ich wünsche mir bei Vorgaben mehr zeitlichen Vorlauf und längerfristige Perspektiven.
WEDDELING-WOLFF Es wäre wünschenswert, dass die Schulen personell entlastet werden. Außerdem brauchen wir nach dieser enorm stressigen Zeit eine Zeit des Innehaltens, um die Erfahrungen reflektieren zu können und in der Schulentwicklung zu berücksichtigen. Besonders die begonnene Arbeit in der Medienentwicklung wird bei uns in der nächsten Zeit im Fokus stehen und braucht Zeit.
Gibt es etwas Positives, das Sie für sich aus den Erlebnissen in der Corona-Krise mitnehmen?
HEESEN Viele Schüler haben erkannt, wie wichtig für sie die Schule, wie wichtig für sie das Miteinander ist. Die Krise war der Auslöser für eine Stärkung der digitalen Ausstattung der Schulen, die längst überfällig war und bei weitem noch nicht abgeschlossen ist. Ich habe im Kollegium eine große Bereitschaft erlebt, auf die zum Teil sehr kurzfristigen Änderungen mit viel Einsatz zu reagieren.
WEDDELING-WOLFF Besonders positiv erlebe ich das Zusammenwachsen der Menschen im schulischen Alltag. Der freundliche und wertschätzende Umgang miteinander und die gegenseitige Unterstützung sind großartig. Dieses Gefühl wird unsere Arbeit weiter begleiten.
Mit welcher Botschaft haben Sie Ihre Schüler und Kollegen in die Weihnachtsferien entlassen?
HEESEN Ich bin dankbar für den konstruktiven und unaufgeregten Umgang mit der Krise in der Schule. Wenn wir uns alle weiterhin verantwortungsbewusst verhalten, haben wir eine gute Chance, die nächsten Monate gut durchzustehen. Ich hoffe, dass wir im Sommer wieder Normalität erleben.
WEDDELING-WOLFF Alle Beteiligten haben in den vergangenen Monaten dazu beigetragen, den Herausforderungen dieser Krise zu begegnen. Ich bin sicher, dass es uns auch in den nächsten Wochen oder Monaten gelingen wird und hoffe weiterhin auf gegenseitiges Vertrauen und Unterstützung.
DAS GESPRÄCH FÜHRTE VERENA BRETZ. EINE AUSFÜHRLICHE VERSION LESEN SIE AUF RP-ONLINE.