Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
»Wir müssen auch an die Menschen denken, die sich vor der Pandemie nicht schützen können, weil sie eng in Slums leben, ohne fließendes Wasser und medizinische Versorgung.
Der beste Weg durch die Krise ist es, sie aktiv anzugehen und sich dabei gegenseitig zu unterstützen. Das war gleich zu Beginn unsere Botschaft an die jungen Leute: Lasst uns nicht warten, bis uns die Krise überrollt, sondern Schritt für Schritt gemeinsam einen Weg hindurch finden!
Zurzeit leben zwölf Jugendliche zwischen 15 und 18 jeweils in Kleingruppen in unserem Jugendhaus, 16 weitere werden noch von SOS unterstützt, aber führen bereits ihr eigenes Leben. Als die albanische Regierung strenge Regeln einführte, waren sie völlig isoliert und durften weder Freunde, noch Angehörige treffen. Zum Glück gelang es uns, eine Ausnahmegenehmigung zu erwirken, sodass wir den Kontakt mit den Jugendlichen durchgängig aufrechterhalten konnten.
In unserem Team von sechs Mitarbeitern richteten wir uns so ein, dass wir täglich 24 Stunden für sie da waren. Mit jedem Einzelnen erarbeiteten wir einen Plan, denn die Bedürfnisse waren sehr unterschiedlich: Für den einen war es wichtig, dass er Medikamente bekam, andere hatten ihren Job verloren und brauchten dringend finanzielle Unterstützung. Vom Staat bekamen die Wenigsten Hilfe, und selbst wenn, ließ das Geld auf sich warten. Also sprangen wir ein. Wieder anderen ging es psychisch nicht so gut, sodass wir Online-Sitzungen mit unseren Psychologen organisierten. Im Wechsel verbrachten wir die Tage mit den Jugendlichen: Wir halfen ihnen, ihre Lernzeiten zu strukturieren, machten gemeinsam Gymnastik, sangen, tanzen, schauten Filme, kochten neue Rezepte und führten unzählige Gespräche über das Leben, Corona und die Zukunft.
Wir Jugendbetreuer achteten auch darauf, dass es uns selbst und unseren Familien gut geht. Wir nahmen Supervision in Anspruch und schickten Kollegen nach Hause, wenn sie erschöpft waren.
Keiner von uns weiß heute, wie lange das Virus noch unseren Alltag bestimmen wird. Jeden Tag stellen wir uns neu darauf ein und schauen, wie wir gute Lösungen finden. Manchmal hören wir von den Jugendlichen, wie wichtig wir für sie sind. Aber genauso ist es andersherum: Sie sind wichtig für uns!
Besnik Kolgjini und Jonida Agolli
Wann immer Menschen aufbrechen wollen oder müssen, stehen ihnen die SOS-Kinderdörfer zur Seite. Wie bei Rosa, der Mutter aus einem einfachen Viertel von El Alto im Hochland von Bolivien.
Das Leben von Rosa Soliz und ihren fünf Kindern schien lange Zeit aussichtslos. Ihr Mann war gewalttätig, aber gleichzeitig war sie von ihm finanziell abhängig – so begann die Frau aus dem bolivianischen El Alto die Geschichte ihrer großen Veränderung. Sie konnte sich nicht von ihm trennen, da sie ohne ihn mit den Kindern auf der Straße gestanden hätte.
Dann kam ihr Mann bei einem Autounfall ums Leben. Die Familie hatte kein Dach über dem Kopf und kaum etwas zu essen. Rosa wusste, dass sie dieses trostlose Dasein ändern musste. „Ich wollte etwas tun, um meinen Kindern und Enkelkindern ein besseres Leben zu ermöglichen.“Sie bewarb sich für das Familienstärkungsprogramm der SOS-Kinderdörfer. Ein Schritt, der sie Überwindung und Mühe gekostet hat.
Rosa wurde aufgenommen und blüht seither auf: Die tatkräftige Frau nahm an Maurerkursen teil. Mit ihren eigenen Händen baute sie ein Zuhause für ihre Familie. Dann erlernte sie das Back- und Konditorhandwerk, am Ende gründete sie zusammen mit ihren Töchtern eine Bäckerei. Damit sichern sie heute das Einkommen der Familie. „In der schwersten Zeit meines Lebens traf ich die SOS-Kinderdörfer und sie waren für mich da. Sie halfen mir zu verstehen, wie wertvoll meine Fa milie ist und warum wir nur zusammen stark sind. Jetzt verdienen wir unseren Lebensunterhalt mit Kuchen – gibt es etwas Schöneres?“, sagt Rosa.
Ihr geringes Anfangskapital hat Rosa vervielfacht. Sie hat genügend Rücklagen für die Produktion angelegt und den Kredit für einen Ofen abbezahlt. Doch dann kam Corona: Ausgangssperre, keine Kundschaft mehr – wie überall auf der Welt. Es traf die Familie hart. Die Bäckerei musste schließen und Rosa brauchte ihre Ersparnisse auf, um Lebensmittel für ihre Familie zu kaufen. Wie so viele in der Lockdown-Zeit rechnete auch Rosa im Kopf durch, wie lange die Reserven reichen würden.
Aber Rosa wäre nicht Rosa, wenn sie nicht schon weiterdenken würde: „In Zukunft soll unser Unternehmen auch andere Menschen beschäftigen, die in einer Notlage sind. Früher war ich abhängig und habe immer auf jemanden gewartet, der mir sagt, was ich tun soll“, erinnert sie sich. „Heute suche ich selbst nach Lösungen.“
Michaela May Schauspielerin
Luciana Dabramo, SOS-Nothilfekoordinatorin, über die Folgen des Corona-Virus für Afrika.
Frau Dabramo, Corona betrifft die ganze Welt. Was ist in Afrika besonders?
LUCIANA DABRAMO Viele Probleme waren vorher schon groß, jetzt ist es, als ob wir durch ein Vergrößerungsglas schauen: Sie wachsen gewaltig an. Die Familien geraten tiefer in die Armut – mit gravierenden Auswirkungen: In der Not wird dann ein zwölfjähriges Mädchen lieber verheiratet, als dass es verhungert.
Wie können die SOS-Kinderdörfer helfen?
LUCIANA DABRAMO Wir stellen Programme um, leisten etwa in der SOS-Familienstärkung vor allem Nothilfe, damit Familien nicht auseinanderbrechen und wir sie später wieder dabei unterstützen können, den Weg in die Selbständigkeit zu gehen. Wir verteilen Lebensmittelpakete und Hygieneartikel, informieren, klären auf, leisten psychologische Hilfe.
Wie gelingt das trotz der Kontaktverbote?
LUCIANA DABRAMO Mit viel Phantasie finden unsere Mitarbeiter immer wieder Lösungen, zum Beispiel in Tschad: Normalerweise arbeiten wir mit den Jungen und Mädchen in unseren Kinderschutzzentren, die aber jetzt geschlossen sind. Um sicherzustellen, dass es den Kindern gut geht und sie vor häuslicher Gewalt zu schützen, gehen unsere Sozialarbeiter
jetzt von Haus zu Haus und halten zudem Kontakt per Telefon. So haben sie schon über 400 Familien erreicht. Sie denken auch schon an die Zeit nach Corona und bereiten zum Beispiel Schulmaterialien vor, damit die Kinder den verpassten Unterricht gezielt nachholen können.
SOS ist seit vielen Jahrzehnten in Afrika aktiv. Hilft das jetzt, besser reagieren zu können?
LUCIANA DABRAMO Auf jeden Fall! Das sieht man zum Beispiel in der Zentralafrikanischen Republik: Dort haben wir stabile Kinderschutzgruppen oder Elternnetzwerke aufgebaut, die jetzt Verantwortung übernehmen und uns Bescheid sagen, wenn Kinder und Familien in Not geraten. Unsere langjährige Arbeit zahlt sich aus!