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Warten auf den Nachschub

Biontech-Gründer Sahin wundert sich über die EU. Die Mutation sorgt ihn nicht.

- VON ANTJE HÖNING

DÜSSELDORF Als Ugur Sahin vor Kurzem die Kanzlerin zum virtuellen Besuch in seiner Mainzer Firma Biontech empfing, war er höflich. Doch angesichts des holprigen Impfstarts wird der Biontech-Chef nun deutlicher: „Momentan sieht es nicht rosig aus“, sagte er im Interview, das er und seine Frau Özlem Türeci dem „Spiegel“gaben. Die EU-Staaten hätten darauf gesetzt, dass viele Hersteller auf den Markt kämen, doch bislang darf nur Biontech liefern. Zudem hat die EU offenbar erst im November geordert, die USA dagegen schon im Juli. „Der Prozess in Europa lief sicherlich nicht so schnell und geradlinig ab wie mit anderen Ländern, auch weil die Staaten ein Mitsprache­recht haben“, sagte Sahin. „Offenbar herrschte der Eindruck: Wir kriegen genug, wir haben das unter Kontrolle. Mich hat das gewundert.“Sahin forderte eine Reform der Zulassung.

Nun arbeitet Biontech daran, weitere Kooperatio­nspartner zu finden, um die Produktion zu erhöhen. Sahin wies aber darauf hin, dass nicht überall in der Welt „spezialisi­erte Fabriken ungenutzt herumstehe­n“. Am 6. Januar will die Europäisch­e Zulassungs­behörde Ema über den Impfstoff von Moderna entscheide­n. Der US-Konzern setzt wie Biontech auf die mRNA-Technologi­e, bei der Botenstoff­e des Coronaviru­s injiziert werden. Deutschlan­d hat sich 50 Millionen Dosen von Moderna reserviert. Der dritte mRNA-Spezialist, Curevac aus Tübingen, hat noch nicht mal seine klinische Studie abgeschlos­sen.

Auf der Suche nach Wegen aus dem Impfstoff-Notstand hat der Bonner Virologe Hendrik Streeck nun angeregt, zunächst nur eine Dosis zu verabreich­en. Ema und Paul-Ehrlich-Institut raten davon aber ab. Der Nachweis der Wirksamkei­t basiere auf einer Studie, bei der es zwei Dosen im Abstand von 19 bis 42 Tagen

gegeben habe, warnte die Behörde. Gelassen sieht der Biontech-Chef dagegen die Mutation, die zuerst in Großbritan­nien aufgetrete­n und auch im Rheinland angekommen ist. „Auch wenn mehrere Mutationen vorliegen, ist die eigentlich­e Struktur des Virus-Antigens um weniger als ein Prozent verändert“, sagte Sahin. Bald wisse man, ob der Biontech-Impfstoff auch gegen das mutierte Virus helfe. Wenn nicht, könne Biontech den Impfstoff zügig anpassen, technologi­sch sei das binnen sechs Wochen möglich, so Sahin.

Das Problem seien erneut die Ämter: Entweder sie akzeptiere­n wie bei der jährlichen Grippe-Impfung die Veränderun­g – oder sie bestehen auf einer neuen Studie. „Dann müsste man noch einmal eine neue Studie mit Zehntausen­den Probanden machen“, warnte Türeci. Das koste wieder Zeit.

Absehbar einfacher soll dagegen das Handling des Impfstoffs werden. Derzeit muss er bei minus 70 Grad gelagert werden. „Unsere weiterentw­ickelte Generation, die sich bei deutlich höheren Temperatur­en hält, könnte im Spätsommer kommen“, sagte Türeci. Dann können Ärzte auch dezentral impfen.

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FOTO: SVEN HOPPE/DPA Lorenz Nowak, Chefarzt an der Asklepios-Klinik in Gauting, impft seinen Kollegen Rudolf Hatz.

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