Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Düsseldorf feiert historisch ruhiges Silvester
Der Notarzt musste zu keiner Verletzung durch Knallkörper ausrücken. Dazu passen die Eindrücke bei einem Mitternachts-Rundgang.
DÜSSELDORF Die Stadt hat einen außergewöhnlichen Jahreswechsel hinter sich, so bedacht und zurückhaltend ging es zu. „Die Appelle haben gewirkt“, sagt ein Polizeisprecher am Neujahrsmorgen. „Es war eine ruhige Nacht, nicht ansatzweise vergleichbar mit den Vorjahren.“Nur 29 Personen sei ein Platzverweis erteilt worden (Vorjahr: 102), eine Strafanzeige wegen Körperverletzung steht der Zahl von 19 aus dem Vorjahr gegenüber. Der Silvestereinsatz habe für die meisten Kräfte bereits um drei Uhr geendet.
Die Feuerwehr hat zudem keine einzige Verletzung aufgrund von Böllern oder Raketen verzeichnet, wegen der Rettungsdienst oder Notarzt hätten ausrücken müssen. Im Vorjahr hatte es noch fünf Verletzte gegeben. Zudem gab es nur zehn Feuermeldungen (Vorjahr: 95) und lediglich einen Einsatz des Rettungsdienstes in der Altstadt (Vorjahr: 26).
Das Feuerwerksverbot in der Altstadt wurde weitgehend eingehalten. Das Ordnungsamt stellte lediglich drei Verstöße fest. Fünf Personen seien Raketen und Böller abgenommen worden, die in einem mit Wasser gefüllten Container vernichtet wurden. Mehr zu tun hatte der OSD mit anderen Delikten, nach denen Ordnungswidrigkeitenverfahren eingeleitet wurden: 40 mal, weil sich Gruppen nicht an das Ansammlungsverbot hielten, und 21 mal, weil in der Öffentlichkeit Alkohol konsumiert wurde.
Die Gesamtbilanz der Einsatzkräfte passt zu der Szenerie, die sich in der Nacht bot. Bis Mitternacht war vielerorts nur selten der Knall eines Böllers zu hören. Die Straßen waren oft bis auf wenige Spaziergänger wie leergefegt, nur ausnahmsweise drang Musik oder Stimmengewirr aus einer Wohnung.
Das Feuerwerk um Mitternacht fiel allerdings trotz Verkaufsverbots nicht komplett aus, wohl auch, weil es viele illegale Angebote im Internet gab. Beim Blick von der Kniebrücke um Mitternacht gingen an einigen Stellen auf beiden Seiten des Rheins Raketen in Serie in die Luft. Auch das bekannte Krachen der Böller donnerte neben den Hupkonzerten
der Autofahrer durch die Stadt, Rauchschwaden zogen über die Promenade.
Doch ein Vergleich zu den Vorjahren war das lange nicht. Auch die Besucherzahlen am Rhein hielten sich sehr in Grenzen. „Normalerweise ist hier ja kaum ein Durchkommen“, sagt etwa Ahmad Khadir, der mit einer Freundin am Hafenbecken vor den Gehry-Bauten entlang spaziert. Sonst habe er gerne in der Altstadt oder auch im Hyatt Silvester gefeiert, dieses Jahr lasse er es nun ruhig angehen. „Es ist schon komisch“, sagen Susanne Becker und Rolf Schims, die aus Hamm kommen, wie leer und ruhig es in der Stadt sei. Das ganz große Feuerwerk würden sie schon vermissen, auch wenn sie selbst nicht knallen würden, hätten aber Verständnis für die Einschränkungen.
So spärlich besucht die Innenstadt war, umso mehr stach die enorme Präsenz der Polizei heraus, die an vielen Stellen der Innenstadt in größeren Gruppen vertreten war, ob mehrfach an der Promenade, dem Carlsplatz oder an der Königsallee.
„Wir haben nichts dem Zufall überlassen“, sagt dazu Polizeidirektor Thorsten Fleiß.
Zum Teil waren jedoch Gruppen zu sehen, die sich nicht an Vorgaben wie Alkoholverbot und Beschränkung auf zwei Haushalte hielten. Einige junge Erwachsene tanzten etwa mit alkoholischen Getränken in der Hand auf der Rheinkniebrücke ins neue Jahr. „Ja, wir halten die Regeln nicht ein, das stimmt“, sagte etwa Marco L. (20). Aber nach diesem Jahr der Einschränkungen sei ihnen das Gemeinschaftsgefühl besonders wichtig, er wolle einen „positiven Start ins neue Jahr“, zudem würden sie ein bisschen auf Abstand achten, obwohl das sehr schwer sei. Wenn er allerdings zum Beispiel seine Eltern treffe, dann umarme er sie derzeit nicht. Medizinstudent Leo (20) glaubte, dass die verhängten Schutzmaßnahmen auch helfen würden, wenn man sie nicht ganz einhalte. Und Philipp J, (20) erklärte, dass die meisten in der Gruppe auch getestet seien.
Schon recht bald nach Mitternacht beruhigte sich das kurze
Aufflackern von Silvesterstimmung wieder. In der Verbotszone für Silvesterfeuerwerk zeigten sich die Gassen der Altstadt nahezu leer. Extrem zu spüren war das für die Taxifahrer. Robert Rothe beispielsweise hatte sich um 0.45 Uhr fast ganz nach vorne gearbeitet am Stand der Heinrich-Heine-Allee. „Das hat genau 131 Minuten gedauert. Vorher habe ich hier vier Stunden gewartet.“Gerade einmal vier Fahrten habe er seit 14 Uhr gehabt. Sonst komme man Silvester in zehn bis zwölf Stunden schon mal auf bis zu 400 Fahrten. „Es ist eine Quälerei.“Das führt nach seinen Angaben dazu, dass gerade einmal 300 Taxis in der Nacht unterwegs waren, bei rund 1300 Konzessionen.
Es war nicht überall ruhig, etwas Feuerwerk hat es in verschiedensten Ecken des Stadtgebiets in der Silvesternacht doch gegeben. Insgesamt aber ist die Taktik der Stadt aufgegangen, auf ein Böllerverbot lediglich in der Altstadt zu setzen und im Rest der Stadt nur an die Menschen zu appellieren.
Denn gebraucht wurde das Verbot offensichtlich – und erwartungsgemäß – ganz besonders in der Altstadt. Es gab den Ordnungskräften die Handhabe, frühzeitig einzuschreiten und mitgeführte Raketen zu beschlagnahmen, wenn auch nur in insgesamt fünf Fällen. Und es hat mit Sicherheit dabei geholfen, die Zahl der Menschenansammlungen gegenüber anderen Jahren sehr deutlich zu verringern. Die Aussicht auf wenig spektakuläres Feuerwerk im Umfeld und strenge Kontrollen des Alkoholverbots dürfte manchen dazu bewogen haben, lieber doch anderswo den Abend zu verbringen.
Immerhin 40 Ordnungswidrigkeitsverfahren wegen Gruppen-Ansammlungen mussten trotzdem noch eingeleitet werden. Das zeigt, dass die Kräfte von OSD und Polizei hier besonders gebraucht wurden. Für eine auch nur lockere Kontrolle eines Böllerverbots von Angermund bis Hellerhof wären die Kapazitäten nicht da gewesen. Umso schöner, dass Rettungsdienste und Notärzte in diesem Jahr niemanden versorgen mussten, der sich durch Böller verletzt hätte. Und die Straßen am Neujahrsmorgen waren herrlich sauber.