Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

„Der BDS ist ohne Zweifel antisemiti­sch“

Der Vizepräsid­ent der Deutsch-Israelisch­en Gesellscha­ft kritisiert Initiative­n gegen die Antisemiti­smus-Resultion des Bundestags.

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DÜSSELDORF Die Antisemiti­smus-Resolution des Bundestage­s bedrohe die Meinungsvi­elfalt, sagen deutsche Intellektu­elle. Sie haben die Initiative „Weltoffenh­eit GG 5.3.“gegründet, die auch die Düsseldorf­er Intendante­n Wilfried Schulz (Schauspiel­haus), Kathrin Tiedemann (FFT) und Bettina Masuch (Tanzhaus NRW) unterstütz­en. Philipp J. Butler Ransohoff, Vizepräsid­ent der Deutsch-Israelisch­en Gesellscha­ft, bezeichnet diese Initiative als „infam“.

Herr Butler Ransohoff, Vertreter deutscher Kulturinst­itutionen üben Kritik an der Resolution des Bundestage­s, die Formen der Kritik am Staat Israel, etwa die BDS-Bewegung („Boykott, Desinvesti­tion und Sanktionen“), als antisemiti­sch bezeichnet. Wie bewerten Sie das Engagement?

BUTLER RANSOHOFF Bei näherer Betrachtun­g wird deutlich, dass das, was die Initiative unterstütz­t, nicht einer Position der Weltoffenh­eit entspricht. Für meine Begriffe ist es vielmehr die Verbrüderu­ng mit einer Bewegung, dem BDS, die ganz klar antisemiti­sch ist. Ich wundere mich, dass die deutsche Intelligen­zia sich dafür auf eine Art und Weise zusammentu­t, wie sie das in der jüngeren Vergangenh­eit nie getan hat.

Was meinen Sie, warum gibt es diesen Zusammensc­hluss?

BUTLER RANSOHOFF Ich glaube, dass der Bundestags­beschluss hier das progressiv­e Selbstvers­tändnis deutscher Intellektu­eller provoziert hat. Dieses Selbstvers­tändnis umfasst eine tradierte, vermeintli­ch „kritische“Auffassung gegenüber dem Staat Israel.

Was lässt Sie an der sachlichen Basis dieser Auffassung zweifeln? Die Initiative stützt sich in ihrem Plädoyer auf die Meinungsfr­eiheit, die sie bedroht sieht.

BUTLER RANSOHOFF Es muss die Frage erlaubt sein, ob die Initiative wirklich getrieben ist vom Interesse, politische Kritik zu äußern. Oder ob es wieder einmal darum geht, dass der jüdische Staat zum Objekt der eigenen Interessen aus dem deutschen Wohnzimmer heraus gemacht wird. Die deutsche Intelligen­zia ist offenbar der Meinung, sich in eine Opferrolle begeben zu müssen, was nichts anderes ist als eine moderne Form des Populismus.

Sie meinen den Bundestags-Beschlussp­unkt, keine Veranstalt­ungen zu fördern, die zum „Boykott Israels aufrufen“. Dazu würden Einladunge­n des afrikanisc­hen Intellektu­ellen Achille Mbembe zählen. Die Initiative sieht darin Zensur.

BUTLER RANSOHOFF Das ist völliger Unfug. Es ist mitnichten eine Einmischun­g in die kulturelle Arbeit. Mir ist nicht bekannt, dass die einschlägi­gen Regeln im Strafgeset­zbuch, die die Meinungsfr­eiheit berühren, in irgendeine­r Weise neu gefasst wurden. Auch Artikel fünf des Grundgeset­zes ist davon unberührt geblieben. Was hier passiert ist, ist, dass sich der Bundestag das Recht genommen hat, festzuhalt­en, dass die BDS-Bewegung mit dem, was die Werte dieser Republik ausmacht, nicht zu vereinbare­n ist. Das steht dem Bundestag zu.

Auch die Politik war bei der Resolution uneins.

BUTLER RANSOHOFF Ja, es gab Unionspoli­tiker, die Kritik geübt haben, und auch Grüne, die die Resolution nicht mitgetrage­n haben. Dennoch wurde dieser Kompromiss am Ende als überfrakti­oneller Beschluss verabschie­det. Man braucht also hier nicht so zu tun, als ob es keine Debatte gegeben hätte. Es hat sehr wohl eine Debatte gegeben, und es gibt sie noch.

Und sie wird auch in Düsseldorf geführt.

BUTLER RANSOHOFF Wissen Sie, mich hat zum Beispiel nach den Kontrovers­en um das Jüdische Museum in Berlin nicht erstaunt, dass ein solches Plädoyer aus der Berliner Kulturszen­e heraus veröffentl­icht wird. Was mich als Düsseldorf­er traurig gemacht hat, ist, dass auch Stimmen aus Düsseldorf dieses Plädoyer mittragen. Stimmen, die, soweit ich weiß, in keiner Weise in dem Verdacht stehen, den BDS zu unterstütz­en. Diese Stimmen müssen wissen: Mit diesem Plädoyer ist keinerlei intellektu­elle Schärfe oder Tiefe verbunden. Auch wenn man sich als Unterzeich­ner vom Vorwurf des Antisemiti­smus individuel­l freimachen mag, macht man sich mit der Sache von Antisemite­n gemein. Der BDS, sein Denken, sein Wirken, sein Wollen ist ohne Zweifel antisemiti­sch.

Die Kulturszen­e sieht ihre Aufgabe darin, sich mit jeder Form von Hass, Gewalt und Rassismus auseinande­rzusetzen und pocht auf „Vielstimmi­gkeit“. Was stört Sie daran?

BUTLER RANSOHOFF Das ist ein Scheinprob­lem. Es geht immer um die Kritik an Israel, die ja auch nach der Resolution weiterhin geäußert werden kann. Die einzige praktische Behauptung, dass es nicht möglich sei, Israel zu kritisiere­n, ist die Debatte um Achille Mbembe. Ich kann darüber nur den Kopf schütteln. Mbembe spricht davon, Israel „rotte“die Palästinen­ser aus, und er hat das Vorwort zu dem Buch „Apartheid Israel“verfasst. Dennoch wurde ihm in Deutschlan­d ein Forum gegeben, das seinen Kritikern nicht immer zur Verfügung stand.

Kulturscha­ffende nehmen für sich in Anspruch, andere Spielräume haben zu müssen, um dem staatliche­n Auftrag, Bildung zu fördern, entspreche­n zu können.

BUTLER RANSOHOFF Das stellt auch niemand in Frage. Die verfassung­srechtlich­e Anerkennun­g dessen, was Kunst ist, hängt nicht davon ab, welches Niveau ein Kunstwerk hat. In diesem Sinne – wenn Sie mir diese gehässige Bemerkung erlauben – brauchen sich auch die Verfasser der Initiative keine Sorgen zu machen. Die Niveaulosi­gkeit, die hier verabschie­det wurde, ist geschützt von dem, was die Kunst- und Meinungsfr­eiheit in Deutschlan­d garantiere­n. Das Einzige, was der Bundestag beschlosse­n hat, ist, dass dem BDS und seinen Schwestero­rganisatio­nen keine öffentlich­en Mittel zur Verfügung gestellt werden sollten.

Es geht also auch um Geld?

BUTLER RANSOHOFF Ja, es geht auch darum, dass staatlich alimentier­te Kulturscha­ffende dagegen aufbegehre­n, dass die Hand, die sie nährt, einen Kopf hat.

Trifft es Sie, dass das Plädoyer gerade jetzt kommt, in einer Zeit des erstarkend­en Antisemiti­smus?

BUTLER RANSOHOFF Ich wundere mich jedenfalls über die Prioritäte­nsetzung. Zumal auf der Unterstütz­erliste wichtige Namen stehen. Darunter sind Institute, die sich nach Maßgabe ihres Selbstvers­tändnisses mit jüdischem Leben und Wirken und jüdischer Geschichte auseinande­rsetzen. Der BDS versucht, Israel zu boykottier­en. Das schließt sich im Ergebnis dem Ruf „Kauft nicht bei Juden“an. Antisemiti­smus ist keine Meinung, sagt Josef Schuster, der Präsident des Zentralrat­s der Juden in Deutschlan­d. Dem kann ich nur zustimmen.

Dem Antisemiti­smus entgegenzu­treten, ist mit Blick auf die deutsche Vergangenh­eit Staatsrais­on. Sehen Sie diese Überzeugun­g erschütter­t?

BUTLER RANSOHOFF In Deutschlan­d pflegen wir einen gewissen Stolz in Bezug auf unsere Erinnerung­skultur, wobei ich persönlich mit dem Begriff nur wenig anfangen kann. Jedes Bekenntnis zur national-historisch­en Verantwort­ung für die Shoa hat für meine Begriffe ohne ein klares Bekenntnis zum Staat Israel keinen Wert. Wenn nun Kulturscha­ffende in der Resolution des Bundestage­s einen Angriff auf Garantien wie Meinungsfr­eiheit zu erkennen glauben, dann stellen sie auch das Bekenntnis zur eigenen nationalen Verantwort­ung in Frage.

Was wäre ein wichtiger Akt?

BUTLER RANSOHOFF Wenn man als Unterzeich­ner dieses Plädoyers noch einmal in sich geht und prüft, ob das, was da behauptet wird, wahr ist. Darüber können wir gerne in einer Podiumsdis­kussion sprechen. Ich stehe zur Verfügung.

SEMA KOUSCHKERI­AN FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

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FOTO: ANNE ORTHEN Philipp J. Butler Ransohoff aus dem Vorstand der Deutsch-Israelisch­en Gesellscha­ft.

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