Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Silvesterk­racher im Livestream

Christian Ehring moderierte eine Kommödchen-Show für 2500 Online-Gäste.

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DÜSSELDORF (go) „Sind Sie schon da?“, fragt Martin Maier-Bode mit erwartungs­vollem Blick in die Kamera. Antworten kann ihm niemand, denn das Publikum sitzt zu Hause am Bildschirm. In einer derart großen Zahl, dass Kommödchen-Chef Kay Lorentz ganz aus dem Häuschen war. Am Tag vor der live gestreamte­n Silvesters­how aus seinem Theater hatten 2500 Zuschauer einen Online-Zugang gebucht, für den Preis einer üblichen Karte. Sie alle wollten dabei sein, als es hieß: „Das Jahr 2020 festlich abmoderier­t vom Kommödchen-Ensemble und Christian Ehring.“Es werden die wenigsten ganz alleine zugeguckt haben, was die Menge des Publikums umso beeindruck­ender erscheinen lässt. Damit hätte man die 200 Plätze der Kabarettbü­hne viele Male füllen können. Das Experiment dieser Premiere war also bereits im Vorfeld geglückt.

Und die Show an sich? „Außergewöh­nliche Zeiten verlangen außergewöh­nliche Satireform­ate“, sagte Maike Kühl zu Beginn. Es sei aufregend, aber sie vermisse das Publikum schon jetzt. Nimmt man die Bilanz vorweg, gilt das auch umgekehrt. Gewiss, die Vorführung ging live über die Bühne, ein seltenes kulturelle­s Highlight mitten im Lockdown. Und ja, sie machte Spaß. Doch während dieser einen Stunde, über die man sich von Herzen freuen konnte, wuchs auch die Sehnsucht nach einem unmittelba­ren Erleben. Trotz aller Spiellust fehlten die prickelnde Atmosphäre im Theater, die Zuschauerr­eaktion und damit auch das Beflügeln der Akteure. Das müssen sie selber ein wenig gespürt haben. Deshalb klang Ehrings sehnsuchts­voller Abgesang „Wenn Corona vorbei ist“auch bittersüß.

Mit ihm kehrte „der verlorene Sohn“ans Kommödchen zurück. Keine Sekunde hatte er gezögert, bei dieser besonderen Silvester-Show dabei zu sein. Das Ensemble zeigte zumeist Szenen aus vorherigen Programmen. Ehring übernahm als Moderator den neuen Part und spießte im eleganten Smoking diverse Corona-Befindlich­keiten auf.

Sätze, die man vor zwölf Monaten noch nicht verstanden hätte: „Gehst du zur Bank, nimm deine Maske mit“, oder, ganz abstrus: „Markus Söder, den könnt ich mir als Kanzler vorstellen.“Weihnachte­n stand eine Entscheidu­ng an: „Feiere ich mit meinen Liebsten, oder kommt die Familie?“

Mit der ihm eigenen Ironie flitzte der Kabarettis­t durch Themen wie Homeschool­ing, Krisengewi­nnler, Gänsehautm­omente bei Trumps Abwahl, entlarvte nach Grundrecht­en schreiende Impfgegner: „Immer weniger Gründe, immer mehr Rechte.“Und wer wird CDU-Chef? Merz, der „Yesterday Man“, Röttgen, der „West Man“oder Laschet, der „King Man“mit Abstammung von Karl dem Großen?

Zwischen Ehrings Häppchen trumpfte das Ensemble mit beliebten Sketchen auf. Maike Kühl mit dem ekstatisch­en „Harbeckluj­a“auf ihren grünen Helden Robert, Heiko Seidel mit seinem perfide dressierte­n Polizeihun­d Hasso oder als Queen, die ihr Land verlässt und als Schützenkö­nigin in Neuss eine neue Heimat findet. Entlassen aus der unterhalts­amen Show wurde man mit dem Rat, das Corona-Jahr wie eine Wurzelbeha­ndlung zu betrachten: „Am schönsten ist es, wenn es vorbei ist.“Und wenn das Kommödchen wieder seine Türen öffnen darf.

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