Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Julian Assange hätten 175 Jahre Haft gedroht
Der Strafgerichtshof in London hat die Auslieferung des Wikileaks-Gründers an die USA abgelehnt.
LONDON Gute Nachricht für Julian Assange, den Wikileaks-Gründer: Er erschien am Montagmorgen im Gerichtssaal 2 des „Old Bailey“, des Zentralen Strafgerichtshofs in London, und erfuhr dort, dass er vorerst nicht von Großbritannien an die USA ausgeliefert wird. Richterin Vanessa Baraitser urteilte, dass eine Überstellung wegen Assanges psychischen Gesundheitszustands nicht statthaft wäre. In den USA würde ihm Isolationshaft drohen, und es wäre nicht auszuschließen, dass er dort „einen Weg finden wird, um sich das Leben zu nehmen“. Das amerikanische Justizministerium hatte die Auslieferung wegen „unbefugter Enthüllung von Verteidigungsinformationen“und deren Weitergabe an andere Medien beantragt. Im Falle einer Auslieferung und einer Verurteilung in den USA hätten dem 49-Jährigen bis zu 175 Jahre Gefängnis gedroht. Die US-Behörden wollen Berufung einlegen. Am Mittwoch beginnt eine Anhörung, um zu entscheiden, ob Assange gegen Kaution auf freien Fuß kommt.
Die Enthüllungsplattform Wikileaks hatte 2010 und 2011 rund eine Viertelmillion geheimer diplomatischer Depeschen des US-Außenministeriums veröffentlicht. Die daraus resultierende Flut an kompromittierenden Enthüllungen ließ Assange zur Hassfigur in den USA werden. Amerikanische Politiker verlangten die Todesstrafe für den gebürtigen Australier. Doch in der übrigen Welt brachte ihm die Dokumentation von Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverletzungen durch US-Streikräfte einen Journalismus-Preis nach dem anderen ein.
Das Urteil ist der vorläufige Endpunkt einer Saga, die vor mehr als acht Jahren in London begann. Im Juni 2012 flüchtete Assange in die ecuadorianische Botschaft und beantragte Asyl, um einer Auslieferung nach Schweden zu entgehen, wo man ihm Sexualdelikte vorwarf. Sieben Jahre lang blieb er dort, bevor ihm Ecuador das Asyl entzog und der britischen Polizei seine Festnahme erlaubte.
Seine Anwälte hatten vor Gericht argumentiert, dass der Auslieferungsantrag politisch motiviert sei. Unter Präsident Barack Obama sei entschieden worden, dass eine Strafverfolgung von Assange gegen die Meinungs- und Pressefreiheit verstoßen würde. Unter Präsident Donald Trump dagegen habe ein „Krieg gegen die Medien“begonnen. Die Anklage sei ein gefährlicher Versuch, journalistische Aktivitäten zu kriminalisieren. Die Richterin wollte sich aber lediglich dem letzten Argument der Anwälte anschließen: dass eine Auslieferung das Leben von Assange bedrohen und ihn „dem schweren Risiko einer unmenschlichen und entwürdigenden Behandlung“aussetzen würde.