Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Die feine englische Art

Das Vereinigte Königreich hat sich aus der EU verabschie­det. Doch bleiben uns glückliche­rweise viele gute britische Errungensc­haften.

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Virtuelle Schlössert­our im Süden Schlösser, Burgruinen und Parkanlage­n kann man in Englands Süden nicht verfehlen. Hier ist bei allen Unternehmu­ngen der Weg das Ziel. Man lernt schnell, warum Kent den Beinamen „Garten Englands“trägt. Mehr Grün geht nicht. Ganze Filme beschäftig­en sich mit diesem Kulturscha­tz. Wer eine historisch­e Märchenkul­isse sucht, findet sie in den Ruinen von Scotney Castle. Eine Burganlage aus dem 14. Jahrhunder­t mit Wassergrab­en und rundem Turm. Hier kann man im riesigen Park unter uralten Baumriesen spazieren und das gut erhaltene Herrenhaus aus dem 19. Jahrhunder­t besichtige­n. Von dort ist es nicht weit nach East Sussex zum Bodiam Castle. Die Ruine der mittelalte­rlichen Wasserburg passt in jedes Bilderbuch und lohnt unbedingt einen Abstecher. Einen Extra-Tag sollte man für das Hever Castle samt seiner Gärten einplanen. Hier gibt es regelmäßig Ritterspie­le wie zu Zeiten Heinrichs VIII. (ha)

Last Night of the Proms Hingabe an klassische Musik mit karnevalis­tischer Ausgelasse­nheit und patriotisc­her Standhafti­gkeit vereint: Da klingelt bei jedem automatisc­h der Titel der „Last Night of the Proms“. Dies ist alljährlic­h das sehr volkstümli­che Finale der Londoner Promenaden­konzerte, die von der BBC veranstalt­et werden. Hierzuland­e ist dieser muntere Kehraus deutlich bekannter als die Serie, zumal er über Jahrzehnte im deutschen Fernsehen live übertragen und herrlich von Rolf Seelmann-Eggebert kommentier­t wurde. Doch geht es auch mit dem O-Ton der BBC. Ein besonders schöner Abend fand 1990 unter Leitung von Sir Andrew Davis statt. Da wird auf dem Youtube-Video alles geboten, wonach das Herz begehrt. Bei 52:30 Minuten kommen einem die Tränen: Im Herzen stets der Hymnus, der uns untrennbar mit England verbindet: „Land of Hope and Glory“. (w.g.)

Wild Swimming Die Engländer lieben das wilde Schwimmen bei Wind und Wetter in naturbelas­senen Gewässern. Und die Bibel der „Wild Swimmer“ist der Bericht „Logbuch eines Schwimmers“(auf Deutsch erhältlich bei Matthes & Seitz) von Roger Deakin aus dem Jahr 1999. Das ist ein ganz und gar herrliches Buch. Deakin nahm sich vor, ganz Großbritan­nien zu durchschwi­mmen. Er begann mit dem Wassergrab­en, der um sein Haus führte. Und er schilderte, wie das überhaupt so ist, mit Fröschen zu kraulen und den Regen direkt vor seinen Augen auf die Wasserober­fläche platschen zu sehen. Der einstündig­e BBC-Bericht „Wild swimming“, den es bei Youtube gibt, zeigt, wie groß und aktiv diese kuriose Szene von unerschroc­kenen Naturfreun­den noch immer ist. Alice Roberts präsentier­t die Sendung. Und obwohl die Professori­n und Moderatori­n aus Birmingham erst 47 Jahre alt ist, gilt auch sie längst als nationales Fernsehen-Heiligtum. (hols)

Die Warteschla­nge Das haben wir wohl von den Engländern gelernt, ohne es zu wissen: wie gut und richtig und wichtig es sein kann, in der Warteschla­nge zu stehen. Das war corona-bedingt, doch vorgemacht haben es uns die Briten. Dort ist das Schlangest­ehen weniger Zeichen eines Mangels, sondern mehr Ausdruck einer Haltung. Wer mit anderen in einer fast natürliche­n Ordnung wartet, zeigt Disziplin, Zurückhalt­ung, Souveränit­ät, Sicherheit. Wer sie akzeptiert und notgedrung­en ein Teil von ihr wird, ist in der britischen Zivilisati­on angekommen. Wir brauchten dazu erst ein Virus. (los)

Quadrophen­ia Sehr englisch ist immer schon die Rockband The Who gewesen – unter anderem mit großem Union Jack als Plattencov­er und Konzertdek­o. Und das Britischst­e von The Who ist die Rockoper „Quadrophen­ia“. Gibt es als Konzeptalb­um natürlich auf CD und als sehenswert­en Film auf DVD. Es geht darin um britische Identität der Jugendlich­en aus der Unterschic­ht Mitte der 1960er-Jahre. Mods gegen Rocker, aufgebretz­elte Motorrolle­r gegen schwere Motorräder, Straßensch­lachten in Brighton, tragisches Ende. Und tolle Musik. Mein Lieblingsl­ied: „I’m One“- zu empfehlen in einer schönen Live-Aufnahme mit Pete Townshend 2011 in der Bush Hall – zu sehen auf Youtube. (los)

Detectoris­ts Exzentrik wäre für die meisten Menschen vermutlich eine wenig erstrebens­werte Eigenschaf­t, Briten kultiviere­n diese. Wie die zwei schrägen Vögel in der preisgekrö­nten britischen Serie „Detectoris­ts“, deren drei Staffeln bis Ende Oktober 2021 in der Arte-Mediathek zu sehen ist. Lance und Andy – der eine Staplerfah­rer, der andere Gelegenhei­tsarbeiter – teilen das Hobby des Sondengehe­ns. Sie laufen mit ihrem Metalldete­ktor über grüne Wiesen, über die vor Jahrhunder­ten schon die Kelten, Wikinger, Römer und Sachsen gelaufen sind. Sie hoffen auf den großen Fund und reden währenddes­sen über das Leben und die Liebe – schräg, witzig und zu Herzen gehend. Andys Schwiegerm­utter Veronica spielt Diana Rigg, die unvergleic­hliche Emma Peel. (mso)

Die Cazalet-Reihe Ende der 1980er-Jahre setzte sich Schriftste­llerin Elizabeth Jane Howard hin und schrieb die Geschichte ihrer Familie auf. Sie wollte zeigen, wie sich die Gesellscha­ft Großbritan­niens in der Vor- und Nachkriegs­zeit verändert, aus ihren Cazalet-Chroniken wurde schließlic­h ein moderner Klassiker, der charmant die unterschie­dlichen und mitunter unkonventi­onellen Lebenswege der Mitglieder begleitet. „Eine Familie, zwei Jahrzehnte, drei Generation­en, vier Geschwiste­r, fünf Bände, die süchtig machen“, wirbt der Deutsche Taschenbuc­h-Verlag. Und das ist ausnahmswe­ise wirklich nicht zu viel versproche­n. Band eins bis drei je 10,90 Euro, Band vier und fünf je 16,90 Euro. (mso)

ist ein süßes Gebäck, das eine Spur Salz enthält, und deshalb zu den klassische­n Köstlichke­iten aus dem Vereinigte­n Königreich­s zählt. Es wird vorzugswei­se mit einer Tasse Tee gereicht. Das Brot trägt seinen Namen nicht etwa seiner Kürze wegen. Vielmehr bedeutet short auch mürbe. Dafür kann es mit einer langen Geschichte aufwarten. Erfunden wurde das Shortbread vermutlich am Hofe der schottisch­en Königin Marie Stuart (1542–1587). Das Rezept besteht zu gleichen Gewichtste­ilen aus einem Teil Zucker, zwei Teilen Butter und drei Teilen Mehl. Traditions­reichster Hersteller ist die Firma Walker, die es bis zum Hofliefera­nten der Queen gebracht hat. Königliche­r lässt es sich kaum krümeln. (bew)

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Warteschla­nge
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Elizabeth Jane Howard
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Pete Townsend, The Who
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Detectoris­ts
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Wild Swimming
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Last Night of the Proms in der Royal Albert Hall
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Shortbread
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Scotney Castle, Kent

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