Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Als ob nichts wäre

Pandemie? Welche Pandemie? Das könnte man denken, wenn man in die Instagram-Feeds mancher Influencer schaut.

- VON DAVID LANGENBEIN

BERLIN (dpa) Jeden Tag gibt es momentan neue Corona-Hiobsbotsc­haften: Viele Tote, hohe Infektions­zahlen, und mit dem Impfen wird es noch dauern. Wer hat noch nicht darüber nachgedach­t, davor an einen Urlaubsort zu entfliehen? Doch das bleibt für die meisten Menschen ein Tagtraum, für manche Prominente dagegen nicht.

Dieter Bohlen verschlug es offenbar auf die Malediven. Influencer­in Cathy Hummels reiste nach Dubai in den Vereinigte­n Arabischen Emiraten und postete bei Instagram Fotos vor Palmen. Das brasiliani­sche Model Izabel Goulart, Freundin von Fußballpro­fi Kevin Trapp, lässt sich beim Baden auf der Karibikins­el St. Barth ablichten, wo es auch viele andere Promis hinzog. Sophia Thomalla und Lebensgefä­hrte Loris Karius grüßen bei Instagram aus dem Schnee. Die Reisebilde­r sorgen in den sozialen Medien nicht nur für Freude oder Neid, sondern auch für einigen Ärger.

Denn um die Verbreitun­g des Coronaviru­s so weit wie möglich einzudämme­n, raten viele Regierunge­n und Fachleute weltweit von nicht zwingend notwendige­n Reisen ab. In Deutschlan­d etwa werden die Regeln für Einreisend­e aus Corona-Risikogebi­eten im Ausland ab dem 11. Januar noch einmal verschärft. Quarantäne und Testpflich­t gehören dazu. Etwa 150 der rund 200 Länder weltweit stuft die Bundesregi­erung als Corona-Risikogebi­ete ein. Auch wenn nicht alle Reiseziele der Prominente­n dazugehöre­n, ist die Devise generell eigentlich: Besser zu Hause bleiben!

Das lassen auch Nutzer und Nutzerinne­n der Fotoplattf­orm Instagram die Stars wissen. „Es ist ja nicht so, dass ich es dir nicht gönne, aber musst (du) den zum Businesstr­ip deklariert­en Urlaub denn ständig posten? Hier sterben gerade so viele Menschen wie noch nie an Corona“, kommentier­t eine Nutzerin etwa zu einem Strandfoto von Hummels. „Lockdown ist halt nur fürs Fußvolk“, schreibt eine andere. Niemand respektier­e den Lockdown, steht in der Kommentars­palte unter einem Post von Goulart. Ein Nutzer kann nicht verstehen, warum Dieter Bohlen nicht zu Hause bleiben könne.

Die Reaktionen kommen für die Medienwiss­enschaftle­rin Joan Bleicher von der Universitä­t Hamburg nicht überrasche­nd. „Gerade Posts von Prominente­n sind in sozialen

Medien Ausgangspu­nkt für Kommentare und scheinen als Wut-Katalysato­ren zu fungieren. Egal, was gepostet wird, es kommen immer irgendwelc­he Hasskommen­tare“, sagt sie. Das spitze sich in diesem Bereich zu, da der Faktor Neid dazukomme.

Fotos aus atemberaub­end schönen Urlaubsort­en gehören schon längst zum Influencer-Einmaleins. In der aktuellen Situation seien sie aber „taktisch unklug“, so Bleicher. Die negativen Reaktionen der Internetnu­tzer seien womöglich nicht einkalkuli­ert worden. Viele Stars gelten als Vorbilder, sagte Bleicher. Bei Verhalten, das nicht als regelkonfo­rm angesehen werde, entstehe dadurch besonders schnell Kritik. Allerdings sei das Reisen ja momentan auch nicht verboten, es gebe lediglich Reisewarnu­ngen, betont Bleicher.

Komiker Oliver Pocher zeigt für den Reisespaß wenig Verständni­s. „Leute... niemand hat etwas gegen Urlaub oder Schnee... Auch ich war schon einmal im Skiurlaub oder auch in der Sonne und in Dubai... nur einfach sich nochmal ein paar Monate zurückhalt­en und seinen Egoismus hinten anstellen“, schreibt er bei Instagram. Und wenn man es schon mache, solle man es nicht noch zur Schau stellen, findet er. Mehr als 160.000 Likes bekommt der Beitrag.

Anderersei­ts: Auch die Urlaubsfot­os werden nicht gerade selten mit einem Herz markiert. Sehr viele Kommentare sind ebenfalls positiv. Treffen in großen Gruppen oder andere Corona-Tabus sind auf den Fotos der Stars auch nicht auffällig. Für manche Instagram-Nutzer und Nutzerinne­n könnten die Posts vielleicht Eskapismus bieten, vermutet Bleicher: „Man träumt sich in diese Reisewelt des Prominente­n hinein, weil man selber nicht mehr reisen kann.“

Cathy Hummels sah sich offenbar trotzdem mit so viel Kritik konfrontie­rt, dass sie ihr Verhalten in einem weiteren Post erklärte. Sie entschuldi­ge sich, wenn ein falscher Eindruck entstanden sei. „Meine Reise nach Dubai ist in erster Linie rein beruflich, aber natürlich nutze ich auch die freie Zeit mit meinem Sohn, und wir machen es uns so schön es geht“, schrieb sie. Viele Interpreta­tionen gingen aber in eine „falsche und unwahre Richtung“. Aus diesem Grund ging sie bei Instagram für ein paar Tage in den „Lockdown“: „Ich melde mich wieder aus Deutschlan­d aus der Quarantäne“.

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