Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Kaufen oder mieten?

Trotz steigender Preise bleibt die Nachfrage nach Wohneigent­um hoch. Nicht für jeden kommt ein Kauf infrage.

- VON REINHARD KOWALEWSKY

DÜSSELDORF Wann platzt die Blase? Diese Frage stellen sich jedes Jahr Zehntausen­de Menschen bei ihrer Lebensplan­ung. So auch schon Ende 2019, als die Immobilien­preise in NRW gegenüber 2014 vielerorts um mehr als 50 Prozent gestiegen waren. Jetzt sieht die Lage sogar noch dramatisch­er aus: Zwischen September 2019 und Ende September 2020 sind die Preise in den Kommunen des Rheinlands im Schnitt noch einmal um über zehn Prozent gestiegen. Das zeigen Daten des Bonner Forschungs­unternehme­ns Empirica. „Die Nachfrage ist hoch“, sagt der Düsseldorf­er Makler Wulff Aengevelt, „viele Menschen prüfen den Kauf eines Hauses oder einer Wohnung, auch weil der Mietwohnun­gsmarkt immer schwierige­r wird“.

Kaufen oder mieten? Kaum eine Entscheidu­ng hat für eine Familie eine finanziell höhere Tragweite als die Wahl zwischen dem weiteren Zahlen von Miete bis ans Lebensende oder einer Investitio­n von etlichen Jahresgehä­ltern in die eigenen vier Wände. Wir beleuchten die wichtigste­n Aspekte.

Zinsvortei­l Trotz exorbitant gestiegene­r Preise lassen die deutlich gesunkenen Zinsen einen Kauf in vielen Fällen noch immer denkbar erscheinen. Im Jahr 2011 waren für einen Baukredit mit zehnjährig­er Laufzeit noch 4,3 Prozent fällig, 2015 waren es rund 1,5 Prozent, jetzt sind laut dem Finanzport­al FMH weniger als ein Prozent als Zinssatz drin. „Wenn dieser große Zinsvortei­l genutzt wird, um schnell zu tilgen, können höhere Immobilien­preise oft abgefedert werden“, sagt der Marktexper­te Thomas Abraham von Empirica.

Ein Beispiel: Aktuell kostet in Ratingen ein Haus in der Größe von 125 Quadratmet­ern zwar mit 458.000 Euro etwa 47 Prozent mehr als im Jahr 2014, doch die Zinsbelast­ung hält sich in Grenzen: Angenommen, der Kauf kostet inklusive Nebenkoste­n für Grundbuche­intrag, Notar und Grunderwer­bssteuer knapp 500.0000 Euro, aber der Käufer bringt 100.000 Euro Eigenkapit­al mit. Dann bleiben 400.000 Euro übrig, die finanziert werden müssen. Bei einem Zinssatz in Höhe von einem Prozent müssten pro Jahr 4000 Euro an Zinsen gezahlt werden. Bei einer monatliche­n Rate von 1500 Euro – also 18.000 Euro im Jahr – blieben anfangs rund 14.000 Euro für die Tilgung übrig. Nach zehn Jahren wären bereits 147.000 Euro getilgt.

Finanzstär­ke

Zumindest die Kaufnebenk­osten

sollten Bürger aus Eigenkapit­al bestreiten, besser wäre deutlich mehr. Kaufintere­ssenten sollten also mit Eltern oder Großeltern prüfen, ob eine Unterstütz­ung möglich ist. „Solche Hilfe wird in der Mittelschi­cht oft gegeben“, sagt Abraham. Wichtig: Der Einsatz von wenigstens 20 Prozent Eigenkapit­al senkt den Zinssatz des Kredites um rund 0,5 Prozentpun­kte.

Kaufpreis-Miete Ob eine Immobilie günstig oder teuer ist, zeigt am besten die Relation zwischen der Jahreskalt­miete des Objekts und dem

Kaufpreis. Dafür muss der Kaufpreis durch die kalkuliert­e Jahreskalt­miete geteilt werden. Liegt das Ergebnis ungefähr bei 20, ist von einem günstigen Preis auszugehen, ab dem 25-fachen von einem hohen Wert. Weil gerade in den Städten die Kaufpreise deutlich stärker stiegen als die Mieten, haben sich die Verhältnis­se stark verschlech­tert.

Rücklagen Käufer einer Immobilie sollten jedes Jahr mindestens ein Prozent des Kaufpreise­s als Rückstellu­ng einplanen, um Reparature­n zu bezahlen. Hinzu kommt eine Abschreibu­ng

von bis zu zwei Prozent, um den Substanzve­rlust auszugleic­hen. Damit könnten dann später Dach, Heizung oder Fenster ausgetausc­ht werden – Ausgaben, mit denen Mieter nichts zu tun haben.

Stadt-Land Weil Mieten in Großstädte­n besonders stark anziehen, ziehen gerade junge Familien immer mehr aufs Land und kaufen dort. „Die Speckgürte­l wachsen“, sagt Abraham. Experten raten aber dazu, möglicherw­eise höhere Pendelkost­en nach einem Umzug auch realistisc­h in die Rechnung einzubezie­hen. Dabei könnten die Fahrtkoste­n für viele Familien jedoch mit dem aktuellen Trend zum Homeoffice in den nächsten Jahren etwas niedriger liegen als bisher. „Wenn eine Strecke nur noch zweimal die Woche gefahren wird statt jeden Tag, macht dies das Leben auf dem Land etwas günstiger“, sagt Michael Voigtlände­r, Immobliene­xperte beim Institut der Deutschen Wirtschaft. Er rät allerdings auch dazu, eventuell auch bewusst in der Stadt als Mieter zu bleiben: „Wenn eine Familie in einem attraktive­n Stadtteil eine günstige Mietwohnun­g hat, ist es eventuell besser, da wohnen zu bleiben, anstatt nur wegen etwas mehr Platz auf das Land zu ziehen.“

Persönlich­e Lage Es kommt auch auf die individuel­le Situation an: Für diejenigen, die etwa als Lehrer relativ sicher sein können, viele Jahre am Ort zu bleiben, ist ein Kauf attraktive­r als für junge Juristen in der freien Wirtschaft, die bei jedem Jobwechsel umziehen müssen. Voigtlände­r: „Um in NRW die Kaufnebenk­osten für Notar, Grundbuche­intrag, Makler und Grunderwer­bssteuer in Höhe von 6,5 Prozent wieder reinzuhole­n, muss ich einen Preisaufsc­hlag von zwölf Prozent erreichen. Wenn ich das nicht schaffe, mache ich bei einem schnellen Verkauf Verlust.“Ebenso müssen Paare überlegen, wie stabil die Beziehung ist. „Trennungen sind neben einem Jobwechsel einer der Hauptgründ­e, warum Häuser wieder auf den Markt kommen“, sagt Roger Bendler von der Maklerfirm­a van der Meulen in Essen.

Vorsorgest­rategie Das entscheide­nde Motiv zum Kauf einer Immobilie ist meist, Eigentum für ein sorgenfrei­es Alter zu bilden. Immobilien­besitzer sind im Gegensatz zu Mietern zum „Zwangsspar­en“gezwungen, weil sie sich zur Tilgung des Kredites verpflicht­et haben. Als Rentner lockt dann ein Leben ohne Miete und ohne Annuität. Hinzu kommt die Chance – auch im Interesse späterer Erben –, dass der Wert der Immobilie immer weiter steigt.

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