Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Schalke droht mehr als nur ein Abstieg

Den Klub drücken mindestens 200 Millionen Euro Verbindlic­hkeiten. Ein Abschied aus der Bundesliga könnte einen ganz tiefen Fall bedeuten. Das Beispiel Kaiserslau­tern muss mahnen.

- VON ROBERT PETERS

Es ist ja nicht so, dass es bei Schalke 04 keine Bewegung gibt – außerhalb des Rasens, versteht sich. Im Sommer trat der als Fleischunt­ernehmer in der Corona-Krise unangenehm aufgefalle­ne Clemens Tönnies von seinen Ämtern zurück – das wichtigste war das des obersten Aufsichtsr­ats, das eigentlich­e das des Herrschers über den Klub. Inzwischen wurde dreimal der Trainer gewechselt, zurzeit versucht sich Christian Gross. Spieler (Vedad Ibisevic) mussten oder (Nabil Bentaleb) müssen gehen, der Technische Direktor Michael Reschke wurde entlassen, Finanzvors­tand Peter Peters verließ nach 27 Jahren den Klub. Das war schon unterhalts­am, und ein Ende ist noch nicht abzusehen, weil zum Beispiel der Sportvorst­and Jochen Schneider seinen Posten mit dem Erfolg des jüngsten Trainerwec­hsels verbunden hat.

Derweil ist sein Team weiter auf Rekordjagd. Nach dem 0:3 bei Hertha BSC sind die Schalker seit 30 Bundesliga­spielen ohne Sieg. Ein weiteres siegloses Spiel fehlt noch, dann ist die Bestleistu­ng der legendären Tasmania Berlin eingestell­t. Und weil die Not offenbar nicht groß genug sein kann, kam jetzt auch noch der ehemals mächtigste Mann im Klub um die

Ecke. Clemens Tönnies bot in gewohnt großer Geste seine Hilfe an. Natürlich nicht telefonisc­h, sondern über ein Interview – diesmal mit RTL. „Wir dürfen Schalke nicht untergehen lassen, da bin ich der Allerletzt­e, der nicht hilft“, sagte er.

Die Rechnung scheint einfach. Schalke braucht neue Spieler, aber Schalke hat Schulden (je nach Lesart des Halbjahres­berichts von 2020 zwischen 200 und 233 Millionen

Euro). Tönnies hat Geld, sein Vermögen wird auf 1,4 Milliarden Euro geschätzt. Also gibt Onkel Clemens ein paar Milliönche­n, und schon fährt der Karren wieder in der ersten Liga.

Das ist aber wohl zu schlicht gedacht. Erstens hat nämlich Vorstand Alexander Jobst noch im Sommer dem „Kicker“erklärt: „Das Konzept zur Zukunft von Schalke 04 hat keinen Bezug zu Clemens Tönnies, weder in einem Amt noch als Investor.“Zweitens weiß kein Mensch, wie der hochversch­uldete Klub ein mögliches Darlehen des Fleisch-Giganten zurückzahl­en soll. Verschenkt hat Tönnies schon früher nichts. Und um über Wasser zu bleiben, hat Schalke ja nicht zufällig eine Landesbürg­schaft über 31,5 Millionen bekommen. Drittens hat es im Aufsichtsr­at keine Einigkeit über die Annahme des so großherzig­en Angebots gegeben. Einstimmig­keit wäre die Voraussetz­ung dafür gewesen. Das hat Tönnies selbst verfügt. Und weil er davon ausgehen musste, dass ihm nicht mehr alle folgen, könnte es (viertens) eine Art PR-Gag in eigener Sache gewesen sein, der ihn bei den Fans ohne finanziell­e Folgen ins gütige Licht des barmherzig­en Wohltäters stellt.

Es ist aber kein Wunder, dass selbst die verwegenst­en Sanierungs-Ideen erörtert werden.

Denn nichts kann so teuer werden wie der Abstieg. Der altväterli­che Ratschlag, einfach mal abzusteige­n, um sich eine sportliche Etage unter der Bundesliga wieder neu aufzubauen, geht zumindest bei Schalke ins Leere – buchstäbli­ch. Schließlic­h hätte der einstige Serienmeis­ter nicht nur die gewaltige Schuldenla­st weiter vor sich herzuschie­ben, sondern unter anderem auch Verzicht auf die Hälfte der zurzeit erzielten TV-Einnahmen (55 Millionen Euro) zu leisten. Da ist es fast ein Glück, dass gut ein Drittel der teuren Spieler nach Informatio­nen von „ruhr24.de“keinen Zweitliga-Vertrag hat. Darüber hinaus gilt als sicher, dass begabtere Profis wie Suat Serdar, Mark Uth, Ozan Kabak oder Salif Sané beim Abstieg kaum zu halten sein werden – auch weil der Klub zum Überleben Ablösesumm­en braucht.

Der Absturz könnte daher schnell noch tiefer gehen. Vielleicht erkundigen sich die Schalker ja mal beim 1. FC Kaiserlaut­ern. Der deutsche Meister von 1998 ist inzwischen Drittligis­t. Seinem Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzv­erfahrens wurde im September 2020 stattgegeb­en. Auch er wollte sich nach dem Bundesliga-Abstieg 2012 in der Zweitklass­igkeit kurz mal schütteln und dann mit Glanz und Gloria zurückkehr­en.

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