Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
So viel CDU und Grüne steckt im Vertrag
Etwas mehr als zwei Monate musste verhandelt werden, bis das Programm der Kooperation druckreif war. Unsere Autoren haben die 92 Seiten durchgeschaut. Was hat Schwarz-Grün für Düsseldorf vor? Und wer hat sich an welchen Stellen durchgesetzt?
DÜSSELDORF Auf 92 Seiten haben CDU und Grüne in ihrer Kooperationsvereinbarung aufgeschrieben, wie sie die Lebensqualität in Düsseldorf steigern und die Stadt, so heißt es, „zukunftsfest“gestalten wollen. Seit dem 10. November wurde dafür in 14 Themengruppen verhandelt. Unsere Redaktion zeigt, wer sich in den wichtigsten Punkten durchgesetzt hat.
Mobilität Die Umweltspuren fallen weg, das oberste Ziel soll aber eine „klimafreundliche Mobilitätswende“bleiben. Beide Parteien hatten sich dazu in den Wahlprogrammen bekannt. Die CDU konnte ihre Idee von besser getakteten Ampeln für den Verkehrsfluss durchsetzen. Konkrete Pläne gibt es vor allem fürs Rad, allerdings ohne genaue Zielvorgabe. Die von den Grünen geforderte Stadttochter für den Radwegebau kommt, aber in Form einer Ausweitung der städtischen Schulbaufirma IPM. Das Anwohnerparken wird ausgeweitet, die Ankündigung ist aber weniger umfassend als von den Grünen gefordert. Im Wahlprogramm der CDU waren noch einige Straßenbauprojekte genannt. Davon ist nur die Ortsumgehung Oberbilk übriggeblieben. arl
Sicherheit und Ordnung CDU-Oberbürgermeister Stephan Keller kann sein Wahlversprechen umsetzen und 150 neue Ordnungskräfte einstellen. Sie sollen verteilt werden auf OSD und Verkehrsüberwachung. Die Partner haben sich ansonsten auf die ausgleichende Formulierung geeignet, dass die „kollektive Sicherheit“gestärkt werden soll, die „individuellen Freiheitsrechte“aber berücksichtigt werden. Viel mehr soll zur Prävention von Straftaten getan werden. Die von der CDU gewünschte Ausweitung der Videoüberwachung auch mit künstlicher Intelligenz haben die Grünen kassiert – das Thema soll der Polizei überlassen bleiben. Die Grünen haben ihren Wunsch durchgesetzt, dass weggeworfene Kippen mit 100 statt 50 Euro sanktioniert werden sollen. arl
Wohnen Die Mieten steigen seit Jahren, jetzt werden Preise und Angebote stärker reguliert und es wird mehr kontrolliert (Wohnraumschutzsatzung etc.). Im Handlungskonzept Wohnen soll eine Quote von 50 Prozent für preisregulierten Wohnungsbau festgelegt werden (bislang 40 %). Die Grünen hätten sich mehr vorstellen können. Die neue Quote soll sich aus mindestens 30 Prozent öffentlich geförderten und 20 Prozent preisgedämpften Wohnungen (Start bei 9,80 Euro Kaltmiete pro
Quadratmeter) zusammensetzen. Im Bedarfsfall könnte es sogar städtische Mietzuschüsse geben. Wohngruppen und Baugemeinschaften sollen zehn Prozent aller Flächen erhalten, mehr Werkswoh- nungen (auch bei der Stadt) sind ein Ziel. SchwarzGrün will selbstgenutztes Wohnungseigentum unterstützen, zumindest am Stadtrand darf es Ein- und Zweifamilienhäuser geben(einWunsch der CDU).
Die Stadt soll Belegungsrechte für Wohnungen ankaufen, die Rolle der
Städtischen
Wohnungsgesellschaft
wird weiter gestärkt. ujr
Umwelt und Klima Die Handschrift der Grünen ist unverkennbar. Pro Jahr sollen laut Vertrag 60 Millionen Euro zusätzlich für den Klimaschutz bereitgestellt werden, mit dieser Forderung war der grüne OB-Kandidat Stefan Engstfeld in den Wahlkampf gezogen. Auch die Solar-Offensive, mit der Düsseldorf zur Sonnenstadt werden soll, hatten die Grünen angestoßen. Wo immer möglich und sinnvoll, sollen bis 2025 auf Gebäuden von Stadt und städtischen Tochterunternehmen, aber auch auf privaten Haushalten Photovoltaik-Anlagen errichtet werden. Dass Düsseldorf mehr Grün bekommen soll, etwa in Gestalt von Bäumen, Parks, Grünflächen, begrünten Dächern und Fassaden, darüber waren sich die Partner einig. Das Thema Nachhaltigkeit wird unter dem neuen Bündnis zur Chefsache: Es wird künftig eine Stabsstelle eines Nachhaltigkeitsbeauftragen geben. gaa
Stadtplanung Die Zeit der Träume ist vorbei, es herrscht eine neue Sachlichkeit. Der Neubau einer Oper wird ebenso wenig zum schwarz-grünen Ziel wie die Verlängerung der Rheinuferpromenade, beides waren wichtige Vorhaben im CDU-Wahlprogramm. Allerdings soll der Radweg der Promenade an der Oberkasseler Brücke verbreitert werden. Gemeinsam skeptische Sache machen Schwarz und Grün beim Open-Air-Gelände auf den Messeparkplätzen, dessen Realisierung halten beide für unwahrscheinlich. Ein Hochpunkt auf dem Areal des Kaufhofs am Wehrhahn wird ebenso kritisch gesehen wie an der Tuchtinsel (dort vor allem die massive Bebauung). Der geplante Tiefhof am Heinrich-Heine-Platz soll reduziert werden. Zudem möchte man eine Rückbau-Option. Beim Umbau des Platzes vor dem Hauptbahnhof soll es weniger Parkplätze für Autos und mehr Abstellmöglichkeiten für Räder geben, das war eine Forderung der Grünen. Mehr Orientierung an den Menschen, mehr Grün und bessere Luft sind die Maßgaben der Stadtplaner. „Gutes Klima in der Stadt“ist die Forderung. Projekte sollen von Anbeginn klimaneutral geplant werden. Es gilt weiter der Grundsatz Innen- vor Außenverdichtung. Der Charme und Charakter der Stadtteile soll bewahrt bleiben, was die CDU im Wahlkampf betonte, Häuser sollen maßvoll aufgestockt, Parkplätze, Verkehrsflächen, Supermärkte und technische Anlagen überbaut werden. ujr
Wirtschaft
Die sechseinhalb Seiten zum Thema tragen vornehmlich die Handschrift der CDU. Kein Wunder, bei einem für die Partei traditionell so wichtigen Ressort. Die „Tech-Agenda“aus dem Wahlprogramm kommt gleich als erster Punkt. Die Gründung von Technologieunternehmen soll stark gefördert werden. Auch bei den beiden Masterplänen zu Handwerk und Industrie stehen Inhalte der CDU im
Vordergrund, bis zur Schaffung von mehr Gewerbeflächen, was die Grünen so nicht im Wahlprogramm hatten. Auf sie wiederum geht an vielen Stellen eine betont umweltbezogene Wirtschaftspolitik zurück. ale
Finanzen Angesichts gewaltiger Einbrüche bei den städtischen Finanzen spielt die Parteifarbe an dieser Stelle keine Rolle. Die Realität bestimmt die Politik. Investitionen sollen deshalb vorerst über Kredite finanziert werden. Man könne sich nicht aus der Krise heraussparen, heißt es. Für diesen Schritt musste die CDU sicher einen noch größeren Sprung über ihren Schatten machen als der grüne Partner, der dieses Vorgehen auch schon im Wahlprogramm ausgeführt hatte. ale
Kitas Für Kinder über drei Jahren ist der Kita-Platz in Düsseldorf bereits kostenfrei. Künftig gilt das auch für Unter-Dreijährige, deren Eltern bis zu 40.000 Euro brutto im Jahr verdienen. Bei allen anderen Einkommensgruppen sollen die Beiträge schrittweise sinken, versprechen CDU und Grüne. Ähnlich hatten die Christdemokraten es in ihrem Wahlprogramm vorgesehen. Zudem soll die Betreuungsquote für Unter-Dreijährige bis 2025 auf mehr als 60 Prozent steigen – ähnlich einer Forderung der Grünen. Ihre Handschrift zeigt sich auch bei flexibleren Öffnungszeiten, einer besseren Förderung von Mehrsprachigkeit und bei dem Punkt „Nachhaltigkeit als Lernziel“. veke
Schulen Die Grünen wollten für ein neues Gymnasium und weitere Gesamtschulen kämpfen. In der Vereinbarung streben die Parteien nun den Neubau einer weiteren Gesamtschule, eines Gymnasiums und einer Realschule an. Die Schulbauten
sollen, wie von den Grünen gefordert, nachhaltig und klimagerecht gestaltet werden. Durchgesetzt hat sich die CDU beim Thema Ganztag. Die Betreuung soll zukünftig kostenfrei für alle Düsseldorfer Familien sein. Kinder, die über Mittag in der Schule bleiben, sollen zudem ein kostenloses Essen bekommen. veke
Integration und Gleichstellung Die Grünen hatten mehr politische Teilhabe für Menschen ohne deutschen Pass gefordert. Nun haben sich die Parteien darauf geeinigt, die Trennung zwischen dem hauptamtlichen Ausschuss für Gesundheit und Soziales sowie dem ehrenamtlichen Integrationsrat beizubehalten. In ihrem Wahlprogramm hatte die CDU mit einem „Väterbeauftragten für die Verwaltung“einen besonderen Akzent gesetzt. Dieser soll laut Kooperationsvereinbarung als „Ansprechperson für Beratung und in juristischen Fragen zur Verfügung stehen und den Aufbau eines Väternetzwerks umzusetzen“. veke
Kultur Bei der Frage eines Opernhaus-Neubaus haben CDU und Grüne noch Redebedarf. Ansonsten haben beide Partner ihre Handschrift in einer Vielzahl von Vorhaben hinterlassen. Einige Knackpunkte: Die Grünen haben erreicht, dass das „Haus der Kulturen“im bisherigen Jungen Schauspielhaus zumindest weiter geprüft wird und dass Kulturentwicklungsplan und Kunstkommission weiterverfolgt werden, die CDU darf weiter von der Aquazoo-Erweiterung träumen. Viel getan werden soll für die Clara-Schumann-Musikschule. Beim finanziell heikelsten Punkt, der Sanierung der Kulturbauten, verspricht Schwarz-Grün mehr Tempo, wird aber nicht allzu konkret. arl
Sport CDU und Grüne unterstützen die Pläne einer Olympia-Bewerbung der Rhein-Ruhr-Region 2032 mit Düsseldorf als Austragungsstandort von Wettkämpfen. Allerdings nimmt das schwarz-grüne Bündnis davon Abstand, dass das Olympische Dorf bei einer erfolgreichen Bewerbung in der Landeshauptstadt steht – weder auf dem Gelände der Bergischen Kaserne noch in Lörick. „Stattdessen befürworten wir eine Ansiedlung an anderer Stelle“, steht im Vertrag, womit wegen einer fehlenden Alternative wohl ein Standort außerhalb Düsseldorfs gemeint ist. Oberbürgermeister Stephan Keller (CDU) hatte vor seiner Wahl deutlich gemacht, dass er die Unterkunft für rund 15.000 Sportler auf dem Kasernengelände ablehnt, auch der grüne Kandidat Stefan Engstfeld war dagegen. gaa