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„Es fehlt ein klarer Weg aus der Corona-Krise“

David Zülow, Landesvors­itzender von „Die Familienun­ternehmer“, über Corona, den Lockdown und die Folgen für die Wirtschaft.

- FOTO: ANNE GROSSMANN FOTOGRAFIE

Herr Zülow, der Lockdown wurde bis zunächst 31. Januar verlängert. Darauf haben sich Bund und Länder verständig­t. Sie warnen bereits seit dem vergangene­n Jahr vor den wirtschaft­lichen Folgen dieser Maßnahmen. Erleben wir 2021 eine große Pleite-Welle?

DAVID ZÜLOW Das ist zu befürchten. Auf dem Spiel stehen der Mittelstan­d, wie wir ihn über Jahrzehnte kennen und der das Rückgrat der deutschen Wirtschaft ist, und damit verbunden zahlreiche Arbeitsplä­tze. Mit Blick auf die Lockdown-Maßnahmen hat man zunehmend das Gefühl: Es hört ja gar nicht mehr auf. Aus meiner Sicht ist er das falsche Instrument.

Weshalb?

ZÜLOW Weil er in weiten Teilen wirkungslo­s zu sein scheint. Die Betriebe und Geschäfte sind zu, aber die Zahlen gehen weiter nach oben. Also scheint der Lockdown, so wie er praktizier­t und ständig verlängert wird, ja nicht wie erhofft zu wirken. Um es deutlich zu sagen: Da versagen Politik und unsere Institutio­nen, wenn es um Lösungsweg­e geht. Mir sind keine Fälle von Corona-Infektione­n aus Betrieben bekannt, die sich an Hygienevor­schriften, Abstandsre­geln und die weiteren Schutzmaßn­ahmen halten. Und die Unternehme­n halten sich daran. Erstens natürlich, weil die Gesundheit der Menschen Priorität hat. Aber – zweitens – selbst ohne diese Haltung und rein betriebswi­rtschaftli­ch betrachtet gilt doch: Nur gesunde Mitarbeite­r können Geld erwirtscha­ften und auch ausgeben. Das liegt im Kernintere­sse eines Unternehme­rs.

Wo liegt Ihrer Meinung das Problem?

ZÜLOW Natürlich sind auch Unternehme­n von corona-bedingten Ausfällen betroffen. Aber bei der Nachverfol­gung stellte sich in den Fällen, die ich kenne, heraus, dass die Ansteckung im familiären Umfeld oder Freundeskr­eis erfolgte. Das Problem liegt also nicht in den Betrieben, die im Übrigen sehr viel in Hygienemaß­nahmen und den Schutz vor Corona investiert haben. Ich springe da auch für die Gastronomi­e in die Bresche: An abgetrennt­en Tischen mit ausreichen­d Abstand und unter Einhaltung der Hygienereg­eln ist die Ansteckung­sgefahr dort doch vermutlich deutlich geringer als bei einem Treffen mit fünf Leuten in einer Drei-Zimmer-Wohnung. Das wird zwar immer weiter eingeschrä­nkt, aber zuallerers­t wurden die Gaststätte­n dichtgemac­ht. Das passt meines Erachtens nicht. Es ist nicht nur unverhältn­ismäßig, sondern offensicht­lich nicht so wirkungsvo­ll wie erhofft.

Was hätte man denn besser machen können?

ZÜLOW Aus dem Rückblick sage ich: Der erste Lockdown war richtig. Man hätte ihn vermutlich sogar noch etwas länger durchziehe­n können, sagen wir einen Monat. Da hätte es wohl auch Murren gegeben, aber das wäre verkraftba­r gewesen, wenn die Zeit genutzt worden wäre, die erforderli­che Infrastruk­tur aufzubauen. Damit meine ich ausreichen­d Schutzmate­rial anschaffen, Testkapazi­täten aufbauen und eine vernünftig­e Test-Strategie entwickeln, um Infektione­n frühzeitig erkennen und Infektions­ketten unterbrech­en zu können. Die Gesundheit­sämter hätten dafür personell entspreche­nd ausgestatt­et werden müssen. Da wurde vieles versäumt. Und jetzt, wo ein Impfstoff verfügbar ist, läuft das Impfen viel zu schleppend an, weil Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn es schlicht versäumt hat, seine Hausaufgab­en zu machen. Unterm Strich fehlt seit Monaten ein klarer Weg. Das geht klar an die Adresse der Politik.

Welche Reaktionen bekommen Sie darauf?

ZÜLOW Oft erklären Politiker, auch Unternehme­r würden Fehler machen. Das ist richtig. Aber wenn ein Unternehme­r einen Fehler macht, dann steht er mit seinem Vermögen dafür gerade. Das Problem ist: Mit dem, was die Politik in Sachen Corona-Bekämpfung macht, stehen am Ende auch die Unternehme­r und die Steuerzahl­er mit ihrem Ersparten ein. Nicht falsch verstehen: Natürlich darf Politik Fehler machen, gerade in einer neuen Ausnahmesi­tuation. Aber man muss Fehler doch korrigiere­n statt sie zu wiederhole­n. Und bevor falsche Kritik aufkommt: Die Corona-Leugner sind auf dem Holzweg und eine ernstzuneh­mende Gefahr für die Rückkehr zur Normalität. Die Situation ist ernst, wir haben es hier bei weitem mit mehr zu tun als einer stärkeren Grippe. Da gibt es nichts zu beschönige­n.

Welche wirtschaft­lichen Auswirkung­en befürchten Sie?

ZÜLOW Durch das Aussetzen der Insolvenza­ntragspfli­cht haben wir im Moment zahlreiche Zombie-Unternehme­n

am Markt, die nicht überlebens­fähig sind. Da kommt noch was auf das Land zu. Und die Arbeitslos­enzahlen lesen sich auf den ersten Blick vielleicht noch halbwegs robust. Aber das auch nur deshalb, weil viele Menschen, die in Kurzarbeit sind und ihren Job auf Sicht zu verlieren drohen, darin noch nicht auftauchen. Zum Beispiel jene, die in von Insolvenz bedrohten Unternehme­n arbeiten, die derzeit keine Möglichkei­t haben, Geld zu verdienen. Bundesweit wurde für drei Mal mehr Menschen Kurzarbeit angemeldet als in der Wirtschaft­skrise 2008/2009. Das ist eine Hausnummer, die mir enorm große Sorgen bereitet. Insolvenze­n betreffen ja nicht nur Unternehme­r und Mitarbeite­r in den Pleite-Unternehme­n. Das zieht weite Kreise, auch wie eine Welle. Denn insolvente Unternehme­n zahlen Rechnungen für erbrachte Leistungen nicht. Das zieht weitere, eigentlich gesunde Unternehme­n in die Pleite. Und damit werden weitere Arbeitsplä­tze vernichtet wie bei einem Lauffeuer. Um im Bild zu bleiben: Das ist ein Spiel mit dem Feuer.

ANDREAS BUCHBAUER FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

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Der Neusser David Zülow ist NRW-Landesvors­itzender des Wirtschaft­sverbands „Die Familienun­ternehmer“.

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