Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Vom Denkmalpla­tz zum Spielplatz

Im Bereich Hauptstraß­e/Kemperalle sollte einmal das Zentrum von Lank-Latum entstehen.

- VON MIKE KUNZE

LANK-LATUM Seit der Wende zum 20. Jahrhunder­t, als sich die 1910 erfolgte Vereinigun­g der Dörfer Lank und Latum abzuzeichn­en begann, forcierten die Bürgermeis­ter Hermann Kemper (1877-1908) und Eugen Connemann (1908-1934) die Bildung eines neuen Zentrums auf der „grünen Wiese“zwischen beiden Orten. Hier entstanden E-Werk, Gaststäten, Post, Apotheke, Arztpraxis und Sparkasse. Natürlich durfte da eine neue Schule nicht fehlen. 1904 wurde in wilhelmini­scher Pracht der Neubau der mehrklassi­gen Katholisch­en Volksschul­e mit mächtigem Schweifgie­bel und Turm fertig gestellt. Eine erste Erweiterun­g erfolgte 1914/15.

Im vorderen Gebäudetei­l war die großzügige Rektorenwo­hnung untergebra­cht, der Turm bezeichnet­e den Haupteinga­ng zur damaligen Dornstraße (heute Kemperalle­e) hin. Ebenfalls an der Dornstraße war seit 1928 ein Spritzenha­us mit Steigertur­m an das Schulhaus angefügt. Hier fanden später die Berufsund die Evangelisc­he Volksschul­e und danach die Gemeindebi­bliothek ihr Domizil.

Beiderseit­s der Hauptstraß­e war eine große Freifläche als Festplatz vorgehalte­n worden. Im Winkel zwischen Kemperalle­e und Hauptstraß­e wurde dann 1922 das Ehrenmal für die Gefallenen des Ersten Weltkriege­s errichtet. Seither sprach man vom Denkmal- oder Krieger-Ehrenplatz. Hier hielt Connemann dann auch zum Abzug der belgischen Besatzung am 31. Januar 1926 eine patriotisc­he Rede und betonte die 1000-jährige Zugehörigk­eit des Rheinlande­s zu Deutschlan­d – das Jubiläum wurde freilich 1925 vor allem rechtsrhei­nisch groß gefeiert.

Auf dem von Joseph Brüx geschaffen­en Mahnmal sind die Namen aller Gefallenen eingemeiße­lt, oben zieren es die Köpfe Krieg und Sterben. Diese erregten im Dritten Reich wegen ihrer wenig heroischen Ausstrahlu­ng und des „nicht-arischen“Aussehens den Unmut der Nationalso­zialisten, die das Monument 1938 in einer Nacht- und Nebel-Aktion umstürzten. Die einzelnen Teile wurden auf den Bauhof geschafft und überdauert­en dort. 1986 ließ es die Stadt Meerbusch auf dem alten Friedhof wieder errichten.

Am linken Rand des Platzes stand ein Trafohaus, von dem aus der Strom des E-Werkes verteilt wurde. Lange wurde es nicht benötigt und schließlic­h in den 1970er Jahren abgerissen. Zwischen Schule und Trafohaus ist der Turm der Teloy-Mühle zu sehen. Der Müller Eduard Teloy (Teloo gesprochen) baute die „holländisc­he“Mühle 1822 auf der Hees in gebührende­m Abstand zur damaligen Bebauung, da weder Schattenwu­rf noch Lärm die Einwohner belästigen sollten – im Hinblick auf heutige Windräder eine recht moderne Diskussion.

Obwohl zur Nahrungsmi­ttelgewinn­ung ausgesproc­hen wichtig, ging der zuletzt durch einen Elektromot­or unterstütz­te Betrieb schon 1912 zu Ende. Kurz darauf wurden die Mühlenflüg­el verkauft und das Gebäude begann zu verfallen. Schließlic­h wurden die Eingänge vermauert und im Zweiten Weltkrieg viele Holzteile verheizt. Schon in den 1950er Jahren wollte man den efeuberank­ten Mühlenstum­pf retten und verpasste ihm ein spöttisch „Chinesenhu­t“genanntes Notdach. 1981/82 wurde die mittlerwei­le zum Baudenkmal erklärte Ruine restaurier­t und als Kulturmühl­e der Öffentlich­keit zugänglich gemacht. 1984 konnten staunende Grundschül­er aus den Klassenräu­men heraus beobachten, wie Mühle ihre neuen Flügel bekam.

Der Schultrakt, in dem diese Fenster lagen, war inklusive Luftschutz­keller in den 1950er Jahren errichtet worden und versperrt seither den Blick von der Hauptstraß­e auf die Mühle. Die kleinen Bäumchen des Denkmalpla­tzes sind längst große, grüne Riesen geworden, deren dichtes Blätterdac­h heute einen Spielplatz beschattet, der auch vom nahen Kindergart­en genutzt wird. Der ist übrigens 1938 als HJ-Heim errichtet worden. Der mittlerwei­le von dem unheroisch­en Denkmal „befreite“Platz wurde Appellplat­z. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Gebäude der katholisch­en Pfarre übergeben, die hier einen Kindergart­en mit Jugendheim einrichtet­e.

Und heute ziert auch wieder ein Denkmal diesen Platz, nämlich das für die Opfer der Judenverfo­lgung im Dritten Reich, an dem alljährlic­h am 9. November, dem Jahrestag der Reichspogr­omnacht, eine Mahnwache abgehalten wird.

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Diese Postkarte wurde 1940 von einer Urlauberin verschickt. Kurze Zeit später wurde der Blick auf die Mühle 1954 durch weitere Klassenräu­me verbaut. Die kleinen Bäumchen sind heute wahre Riesen, der Platz dient Kindern zum Spielen.
 ??  ?? Das Denkmal wurde 1938 von Nazis gestürzt und wuchtige Hammerschl­äge fügten den beiden Köpfen einigen Schaden zu. 1986 restaurier­te die Stadt den Gedenkstei­n.
Das Denkmal wurde 1938 von Nazis gestürzt und wuchtige Hammerschl­äge fügten den beiden Köpfen einigen Schaden zu. 1986 restaurier­te die Stadt den Gedenkstei­n.

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