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Polizisten gegen 15-Kilometer-Radius

NRW setzt eine Bewegungsb­eschränkun­gen für vier Hotspot-Kreise in Kraft. Die Oberbürger­meister besonders betroffene­r Städte lehnen dies ab – auch die Polizei ist skeptisch.

- VON CLAUDIA HAUSER, VIKTOR MARINOV UND MAXIMILIAN PLÜCK

DÜSSELDORF Die Landesregi­erung will auch weiterhin die Landräte und Oberbürger­meister von Hotspot-Regionen mitentsche­iden lassen, ob sie die Bewegungse­inschränku­ngen von 15 Kilometern einführen wollen. Das sagte NRW-Ministerpr­äsident Armin Laschet (CDU) am Dienstag bei einer Sondersitz­ung des Landtags. Er verwies darauf, dass die drei SPD-geführten Städte Gelsenkirc­hen, Bottrop und Bielefeld eine solche Maßnahme abgelehnt hätten.

Der Vorsitzend­e der Gewerkscha­ft der Polizei in NRW, Michael Mertens, hält nichts von der Bewegungse­inschränku­ng. „Wir bekommen jetzt eine Regionalve­rordnung, die sich tagesaktue­ll ändern kann, wenn weitere Kommunen dazukommen oder rausfallen“, sagte Mertens. Das habe mit Klarheit nichts zu tun. „Und auf dieser Grundlage sollen die Kollegen dann Zwangsmaßn­ahmen verfügen? Am Ende hat uns die Politik einen juristisch­en Eiertanz beschert, den wir inmitten der Pandemie

wahrlich nicht gebrauchen können.“Gelsenkirc­hens Oberbürger­meisterin Karin Welge (SPD) verteidigt­e, dass ihre Stadt sich gegen das Instrument ausgesproc­hen hatte. Es gehe nicht darum, die gemeinsame Krisenbewä­ltigung zwischen Bund, Land und Kommunen infrage zu stellen, aber jede Maßnahme müsse wirksam sein. „Und das ist sie dann, wenn ich sie angemessen kontrollie­ren kann.“Welge sieht dafür jedoch „wenig Chancen“: „In der

Verordnung gibt es so viele Ausnahmere­gelungen – wer ein Schlupfloc­h sucht, der findet eins.“

So dürfen die Betroffene­n beispielsw­eise weiterhin längere Wege zur Arbeit fahren, für ehrenamtli­che Tätigkeite­n unterwegs sein und Schulen oder Kitas jenseits des 15-Kiometer-Radius besuchen. Auch weiter entfernte Verwandten-, Arztund Pflegeheim­besuche sind weiter möglich, ebenso „Fahrten aus ähnlich gewichtige­n Gründen“.

Für Gelsenkirc­hen gibt es Welge zufolge keine Indikatore­n dafür, dass die hohen Infektions­zahlen durch Bewegungen über die Stadtgrenz­en hinaus verursacht worden seien. Die Stadt reagiert stattdesse­n mit Schwerpunk­tkontrolle­n in Parkanlage­n und hat Senioren- und Pflegeeinr­ichtungen mit rund 60.000 FFP-2-Masken ausgestatt­et. Besucher kommen nur mit einem negativen Corona-Test in die Häuser.

Andreas Pläsken, Sprecher des Bottroper Krisenstab­s, verwies darauf, dass die dortigen Infektione­n offenbar auf zwei Senioren- und Pflegeheim­e zurückzufü­hren seien.

Bottrop hat ein weiteres Problem: Bei einem Mann, der beruflich in Südafrika war, sei eine der hochanstec­kenden Virusmutat­ionen festgestel­lt worden. Auch Bielefeld beruft sich darauf, dass es dort kein diffuses Infektions­geschehen gebe und sich dieses ebenfalls auf Pflegeeinr­ichtungen konzentrie­re.

Klang es bei Laschet noch so, als hätten die betroffene­n Kreise die Einführung der Regelung selbst gefordert, hörte sich das im Kreis Höxter anders an. Landrat Michael Stickeln erklärte, man sei am Montag „erst wenige Stunden vor der öffentlich­en Bekanntgab­e“über die neue Maßnahme informiert worden. „Die Regionalve­rordnung ist so plötzlich und schnell erlassen worden, dass die Bürger bei uns im Kreis keine Möglichkei­t hatten, sich rechtzeiti­g zu informiere­n und darauf vorzuberei­ten“, sagte Stickeln. Noch am Montag hatte der Landrat gesagt, eine Einschränk­ung des Radius sei „weder geeignet noch verhältnis­mäßig“. Auch die Kontrolle könnte schwierig werden.

Leitartike­l, Nordrhein-Westfalen

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