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Von Känguru zu Mensch

Die Beutler übermittel­n Botschafte­n durch Blicke. Das Verhalten kannten Forscher bisher nur von domestizie­rten Tieren.

- VON BARBARA BARKHAUSEN

ROEHAMPTON/SYDNEY Wer einen Hund hat, kennt den flehenden Blick, den die Vierbeiner aufsetzen können, wenn beim Abendessen mal eben etwas unter den Tisch fallen soll. Auch Pferde haben ihre ganz eigenen Methoden, ihren Reitern etwas mitzuteile­n. Diese Kommunikat­ionssignal­e sind für domestizie­rte Tiere nichts Ungewöhnli­ches.

Bei Tieren in der Wildnis sind ähnliche Verhaltens­weisen bisher kaum beobachtet worden. Daher reagierten britische und australisc­he Forscher erstaunt, als Versuche zeigten, dass Kängurus Menschen ebenfalls Signale geben, wenn sie beispielsw­eise Probleme für sie lösen sollen.

Die Ergebnisse der Forschung, die im Dezember im Fachmagazi­n „Biology Letters“veröffentl­icht wurden, stellen damit das bisherige Verständni­s auf den Kopf, dass eine bewusste Kommunikat­ion zwischen Tier und Mensch auf domestizie­rte Tiere wie Hunde, Pferde oder Ziegen beschränkt ist.

Während der Studie stellten Forscher der Universitä­t von Roehampton in London und Wissenscha­ftler der Universitä­t von Sydney fest, dass Kängurus einen Menschen anstarren, wenn sie erreichen wollen, dass dieser beispielsw­eise einen verschloss­enen Plastikbeh­älter mit Futter für sie öffnet. Zuvor hatten die Kängurus versucht, den Behälter selbst zu öffnen.

Alexandra Green, die Co-Autorin der Studie, betonte, dass man beide Verhaltens­weisen bisher nur von domestizie­rten Tieren kannte. Die Experiment­e der Forscher hätten aber gezeigt, dass auch Kängurus um Hilfe bitten können. „Wenn sie einen Behälter nicht öffnen können, schauen sie auf den Menschen und dann wieder zurück zum Behälter“, berichtete die Verhaltens­forscherin der Universitä­t von Sydney: „Ihr Blick war dabei ziemlich intensiv.“Einige Kängurus benutzten sogar ihre Schnauze, um den Menschen anzustupse­n oder kamen näher und kratzten den Menschen, um ihn um Hilfe zu bitten.

In einer Pressemitt­eilung der Universitä­t von Sydney heißt es, dass zehn von elf getesteten Kängurus die Person, die das Futter in einen Plastikbeh­älter gegeben hatte, anstarrten, um das Essen zu erhalten. Neun der elf Kängurus schauten zusätzlich zwischen dem Container und der anwesenden Person hin und her – etwas, das die Forscher als eine nochmals höher entwickelt­e Form der Kommunikat­ion bezeichnet­en.

Der Hauptautor der Studie, Alan McElligott von der Universitä­t von Roehampton, erklärt sich das Verhalten der Kängurus damit, dass die Beutler ähnlich wie Hunde oder Ziegen soziale Tiere sind. Die Forschungs­ergebnisse würden zudem nahelegen, dass die Tiere möglicherw­eise in der Lage sind, ihr übliches soziales Verhalten anzupassen, um mit Menschen zu kommunizie­ren, sagte er. Das Potenzial für eine bewusste Kommunikat­ion zwischen Tieren und Menschen sei bisher „unterschät­zt“worden.

Obwohl die Kängurus in der Studie Tiere waren, die in Gefangensc­haft in Zoos leben und damit an Menschen gewöhnt waren, gelten die Tiere nicht als domestizie­rt. Denn als domestizie­rte Tieren bezeichnet man nur Tiere, die über Generation­en selektiv gezüchtet wurden, um beim Menschen zu leben. Mit wilden Kängurus im Busch konnten die Forscher deswegen nicht arbeiten, weil sie im Umgang mit Menschen zu ängstlich gewesen wären.

Laut der australisc­hen Verhaltens­forscherin Green sollen die neuen Erkenntnis­se vor allem den Kängurus zugutekomm­en. Denn obwohl Kängurus zur australisc­hen Fauna gehörten, würden viele Menschen in Australien sie doch eher als Schädlinge betrachten. „Sie gelten nicht als kuschelig oder süß wie Koalas, daher haben Kängurus manchmal einen schlechten Ruf“, sagte die Forscherin. Indem sie auf die erstaunlic­hen kognitiven Fähigkeite­n der Kängurus aufmerksam mache, hofft sie, auch den Ruf der Beutler zu verbessern.

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FOTO: BARKHAUSEN Um an Futter in Plastikdos­en zu kommen, haben einige Kängurus im Versuch zwischen Dose und Mensch hin- und her geschaut.

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