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Von Känguru zu Mensch
Die Beutler übermitteln Botschaften durch Blicke. Das Verhalten kannten Forscher bisher nur von domestizierten Tieren.
ROEHAMPTON/SYDNEY Wer einen Hund hat, kennt den flehenden Blick, den die Vierbeiner aufsetzen können, wenn beim Abendessen mal eben etwas unter den Tisch fallen soll. Auch Pferde haben ihre ganz eigenen Methoden, ihren Reitern etwas mitzuteilen. Diese Kommunikationssignale sind für domestizierte Tiere nichts Ungewöhnliches.
Bei Tieren in der Wildnis sind ähnliche Verhaltensweisen bisher kaum beobachtet worden. Daher reagierten britische und australische Forscher erstaunt, als Versuche zeigten, dass Kängurus Menschen ebenfalls Signale geben, wenn sie beispielsweise Probleme für sie lösen sollen.
Die Ergebnisse der Forschung, die im Dezember im Fachmagazin „Biology Letters“veröffentlicht wurden, stellen damit das bisherige Verständnis auf den Kopf, dass eine bewusste Kommunikation zwischen Tier und Mensch auf domestizierte Tiere wie Hunde, Pferde oder Ziegen beschränkt ist.
Während der Studie stellten Forscher der Universität von Roehampton in London und Wissenschaftler der Universität von Sydney fest, dass Kängurus einen Menschen anstarren, wenn sie erreichen wollen, dass dieser beispielsweise einen verschlossenen Plastikbehälter mit Futter für sie öffnet. Zuvor hatten die Kängurus versucht, den Behälter selbst zu öffnen.
Alexandra Green, die Co-Autorin der Studie, betonte, dass man beide Verhaltensweisen bisher nur von domestizierten Tieren kannte. Die Experimente der Forscher hätten aber gezeigt, dass auch Kängurus um Hilfe bitten können. „Wenn sie einen Behälter nicht öffnen können, schauen sie auf den Menschen und dann wieder zurück zum Behälter“, berichtete die Verhaltensforscherin der Universität von Sydney: „Ihr Blick war dabei ziemlich intensiv.“Einige Kängurus benutzten sogar ihre Schnauze, um den Menschen anzustupsen oder kamen näher und kratzten den Menschen, um ihn um Hilfe zu bitten.
In einer Pressemitteilung der Universität von Sydney heißt es, dass zehn von elf getesteten Kängurus die Person, die das Futter in einen Plastikbehälter gegeben hatte, anstarrten, um das Essen zu erhalten. Neun der elf Kängurus schauten zusätzlich zwischen dem Container und der anwesenden Person hin und her – etwas, das die Forscher als eine nochmals höher entwickelte Form der Kommunikation bezeichneten.
Der Hauptautor der Studie, Alan McElligott von der Universität von Roehampton, erklärt sich das Verhalten der Kängurus damit, dass die Beutler ähnlich wie Hunde oder Ziegen soziale Tiere sind. Die Forschungsergebnisse würden zudem nahelegen, dass die Tiere möglicherweise in der Lage sind, ihr übliches soziales Verhalten anzupassen, um mit Menschen zu kommunizieren, sagte er. Das Potenzial für eine bewusste Kommunikation zwischen Tieren und Menschen sei bisher „unterschätzt“worden.
Obwohl die Kängurus in der Studie Tiere waren, die in Gefangenschaft in Zoos leben und damit an Menschen gewöhnt waren, gelten die Tiere nicht als domestiziert. Denn als domestizierte Tieren bezeichnet man nur Tiere, die über Generationen selektiv gezüchtet wurden, um beim Menschen zu leben. Mit wilden Kängurus im Busch konnten die Forscher deswegen nicht arbeiten, weil sie im Umgang mit Menschen zu ängstlich gewesen wären.
Laut der australischen Verhaltensforscherin Green sollen die neuen Erkenntnisse vor allem den Kängurus zugutekommen. Denn obwohl Kängurus zur australischen Fauna gehörten, würden viele Menschen in Australien sie doch eher als Schädlinge betrachten. „Sie gelten nicht als kuschelig oder süß wie Koalas, daher haben Kängurus manchmal einen schlechten Ruf“, sagte die Forscherin. Indem sie auf die erstaunlichen kognitiven Fähigkeiten der Kängurus aufmerksam mache, hofft sie, auch den Ruf der Beutler zu verbessern.