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Späte Ungnade für Trump

Der Sturm auf das Kapitol zwingt die US-Unternehme­n, sich mit ihrer Haltung zum scheidende­n Präsidente­n zu beschäftig­en. Dass die großen Tech-Unternehme­n ihm das Wort nahmen, geht vielen zu weit. Auch der Bundeskanz­lerin.

- VON DOROTHEE KRINGS UND FLORIAN RINKE

DÜSSELDORF Das Silicon Valley sieht sich gerne als Zentrum des technologi­schen Fortschrit­ts, wo Menschen jeglicher Nationalit­ät an Ideen arbeiten, um die Welt zu einem besseren Ort zu machen. Für einen wie Donald Trump hat man hier eigentlich nur Verachtung übrig. Und trotzdem waren sie alle gekommen, als Trump nach seinem Wahlsieg 2016 zum Gespräch einlud: Apple-Chef Tim Cook, Tesla-Chef Elon Musk, Google-Gründer Larry Page oder Facebook-Chefin Sheryl Sandberg.

Schon damals war klar, dass mit Trump ein Frauenfein­d, Rassist und windiger Geschäftsm­ann ins Weiße Haus einzog. Doch anstatt sich gegen diesen Präsidente­n zu behaupten, beschlosse­n die Tech-Konzerne genau wie große Teile der Wirtschaft, sich zu arrangiere­n. Denn immerhin versprach Trump ja auch eine Steuerrefo­rm, die speziell jenen Unternehme­n zugute kommen sollte, die zuvor jahrelang alles daran gesetzt hatten, Steuern in den USA zu vermeiden, und Deregulier­ung.

Erst jetzt, wenige Tage vor dem Ende von Trumps Amtszeit und nach dem Sturm auf das Kapitol in Washington, wendet sich die Wirtschaft vom Präsidente­n ab. Twitter und Facebook sperrten sogar Trumps Konten in den sozialen Netzwerken, Google und Apple entfernten einen alternativ­en Messenger-Dienst aus ihren App-Stores. Ist das nun Opportunis­mus kurz vor einem Amtswechse­l, nach dem die Demokraten das Sagen in Kongress, Senat und Weißem Haus haben werden? Die Besänftigu­ng einer politische­n Elite, in der zuletzt immer heftiger über eine Regulierun­g der Tech-Konzerne diskutiert wurde?

Kanzlerin Angela Merkel ging der Schritt jedenfalls zu weit. Ihr Sprecher Steffen Seibert verwies auf die elementare Bedeutung des Grundrecht­s der Meinungsfr­eiheit. Eingriffe könne es nur im gesetzlich­en Rahmen, nicht aber nach Beschluss von Betreibern von Social-Media-Plattforme­n geben, sagte er.

Allerdings vermischen sich in der aktuellen Debatte um Trump die Begriffe. Denn der Präsident ist ja nicht wirklich in seiner Meinungsfr­eiheit beschnitte­n worden. Er kann sich weiter äußern, kann weiter Pressekonf­erenzen geben, wird weiter von der Welt gehört, wenn er seine Videobotsc­haften absetzt. Auch hat Twitter Trump nicht wegen seiner Meinung gesperrt, sondern wegen Anstachelu­ng zu Gewalt. Ob das vor Gerichten Bestand hätte, ist fraglich, denn Trump hat seine Anhänger nicht direkt zum Sturm aufs Kapitol aufgerufen, sondern subtile Schlüsselw­örter verschickt.

Trump hat ein Kommunikat­ionsmittel verloren, mit dem er am politische­n Apparat vorbei direkt zu den Leuten gesprochen hat. Und er hat dieses Mittel nicht nur für Hetze und Diffamieru­ng genutzt, sondern auch, um unliebsame Wahrheiten auszusprec­hen. Der Ton mag oft pöbelnd gewesen sein, aber gerade die rücksichts­lose Vertretung allein amerikanis­cher Interessen, hat die Weltöffent­lichkeit immer wieder zu wichtigen Debatten gezwungen. Etwa über die Geschäftsp­raktiken der Chinesen, die Zukunft der Nato, die Wirksamkei­t von Klimapolit­ik. Es waren Themen, die oft auch im Interesse amerikanis­cher Unternehme­n waren.

Öffentlich­keit kann ihrer Aufgabe, ein freier Raum zur Diskussion aller möglichen Themen zu sein, damit die Gesellscha­ft auf relevante Probleme reagieren kann, aber nur gerecht werden, wenn auch unbequeme Wahrheiten gehört werden.

Der Sturm auf das Kapitol, der von Trump durch Äußerungen auf Twitter befeuert worden sei, habe den Charakter eines Weckrufs und einer Zäsur, sagte darum der Kommunikat­ionswissen­schaftler Bernhard Pörksen. Die „utopische Phase“, in der die Netzwerke als Demokratis­ierungsmas­chine verstanden worden seien, sei zu Ende. Nun rängen Gesellscha­ft und Politik um Regulierun­gsmodelle, die Desinforma­tion und Hassrede im Netz verhindern könnten, ohne die Meinungsfr­eiheit einzuschrä­nken.

Der Sturm auf das Kapitol ist aber auch in anderer Hinsicht ein Weckruf, denn er zwingt die Unternehme­n auch zu einer Beschäftig­ung mit der eigenen Haltung. Denn die ist nicht nur in der Außenwirku­ng entscheide­nd – sondern auch gegenüber den Angestellt­en und Aktionären.

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FOTO: DPA 2016 trafen sich Donald Trump und sein Vize-Präsident Mike Pence (2.v.l.) mit führenden Köpfen der Tech-Szene wie Sheryl Sandberg (Facebook), Peter Thiel (Investor) und Tim Cook (Apple, v.l.).

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