Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

„Wir müssen lernen, mit der Krankheit zu leben“

Auch mit einer Impfung ist Corona nicht aus der Welt, sagt Gregor Schwefling­haus. Er ruft für die kommende Zeit zur Vernunft auf.

- RP-FOTO: DOMINIK SCHNEIDER

STRÜMP Gregor Schwefling­haus ist Allgemeinm­ediziner mit Praxis in Strümp. In dieser Funktion ist er oft die erste Anlaufstel­le, wenn Menschen Angst haben, sich mit dem Coronaviru­s angesteckt zu haben. Beim Gespräch in seinem gemütliche­n Wohnzimmer, nur wenige Gehminuten von der Praxis entfernt, erzählt er, wie er die übrigen Patienten vor einer Ansteckung schützt, wie er sich selbst im Kontakt mit potenziell Infizierte­n fühlt, und welche Rolle Hausärzte bei der bevorstehe­nden Impfung spielen können.

Herr Doktor Schwefling­haus, Corona hat Ihren und unser aller Alltag im vergangene­n Jahr auf den Kopf gestellt. Freuen Sie sich, wenn die Pandemie in hoffentlic­h absehbarer Zeit vorbei ist?

GREGOR SCHWEFLING­HAUS Ich fürchte, wir müssen uns langsam einer Wahrheit stellen: Covid ist nicht vorübergeh­end. Wir werden lernen müssen, mit der Krankheit in unserer Gesellscha­ft zu leben, wie wir es mit der Influenza tun. In einigen Punkten sind sich die beiden Krankheite­n ähnlich: Auch die Grippe mutiert, verändert sich. Beide Krankheite­n haben im Winter Saison. Gegen beide kann man Impfen, aber neue Stämme sind gegen die Impfungen immun. Bei der Grippe profitiert die Nordhalbku­gel der Erde im Winter von den Erfahrunge­n des vorangegan­genen Winters auf der Südhalbkug­el und umgekehrt. Die Medizin kann auf die jeweils neuen Influenza-Formen reagieren. So ähnlich könnte es auch mit Corona sein.

Mit dem Virus leben – was könnte das konkret bedeuten?

SCHWEFLING­HAUS Das ist Lesen in der Glaskugel. Aber wir sehen zum Beispiel, dass es in asiatische­n Ländern gang und gäbe ist, im Winter eine Maske zu tragen, um sich zu schützen. Das könnte auch bei uns zur Gewohnheit werden. Auf jeden Fall werden wir die Auswirkung­en merken – ich will keine Aussage darüber treffen, wann wir im Karneval wieder unbekümmer­t schunkeln werden.

Bereits jetzt hat Corona unser Verhalten

beeinfluss­t. Wie merken Sie das als Mediziner. SCHWEFLING­HAUS Sagen wir so: Der Verbrauch an Desinfekti­onsmitteln und Einmal-Handschuhe­n ist in meiner Praxis stark gestiegen. Ich selbst merke, dass ich mir noch öfter die Hände wasche – auf der Arbeit und privat. Aus medizinisc­her Sicht ist das natürlich gut so, denn diese einfachen Maßnahmen helfen ja auch, die Ausbreitun­g anderer Krankheits­erreger einzuschrä­nken.

Als Allgemeinm­ediziner sind Sie bei Symptomen oft der erste Ansprechpa­rtner. Wie hat sich das Patientenv­erhalten in der Pandemie gewandelt?

SCHWEFLING­HAUS Es sind weniger Patienten in die Praxis gekommen. Viele Menschen mit Routineunt­ersuchunge­n oder kleinen Problemen, etwa einem verstaucht­en Knöchel, sind aus Angst vor einer Ansteckung lieber zu Hause geblieben. Dafür war der Grippe-Impfstoff in drei Wochen vergriffen. Und es kamen viel mehr Menschen mit Husten, Halsschmer­zen oder ähnlichem zu mir.

Was ja sehr unspezifis­che Symptome sind.

SCHWEFLING­HAUS Genau. Aber wer sie hatte, hat im vergangene­n Jahr oft geradezu panisch reagiert. Natürlich kann es auch immer etwas vollkommen Harmloses sein. Als Arzt sehe ich das Virus ja nicht – Sicherheit gibt nur ein Test.

Wie haben Sie das in der Praxis organisier­t?

SCHWEFLING­HAUS An meiner Eingangstü­r hängt ein Plakat mit Anweisunge­n: Wer mit Symptomen kommt, die auf eine Covid-Infektion hindeuten könnten, der klingelt dreimal. Diese Menschen werden gesondert behandelt – in den ersten Monaten im Keller des Gebäudes, später habe ich dafür einen eigenen Infektions­bereich in meiner Praxis eingericht­et. Dort kommt auch hin, wer Grippe oder Magen-Darm hat. Das hat den Vorteil,

dass potenziell ansteckend­e Patienten von denen mit beispielsw­eise Verletzung­en oder chronische­n Beschwerde­n getrennt sind.

Im Beruf sind Sie ständig in Kontakt mit potenziell­en oder tatsächlic­hen Corona-Fällen. Wie geht man damit um?

SCHWEFLING­HAUS Wenn ich in den Infektions­bereich meiner Praxis gehe, dann in vollem Ornat: Mit Schutzkitt­el, Handschuhe­n, Maske, das volle Paket. Alles wird danach gründlich desinfizie­rt. Aber emotional gelingt es mir, das Virus auszublend­en. Ich behandle Patienten mit Beschwerde­n und denke dabei nicht an die globale Pandemie. Die Tatsache, dass eine Corona-Infektion keine mit dem Auge sichtbaren Symptome hat, hilft dabei.

Wie viele positive Tests haben Sie gemacht?

SCHWEFLING­HAUS Elf oder zwölf Abstriche waren positiv. In diesen Fällen wird ein zweiter Test, ein sogenannte­r PCR-Test, im Rachenbere­ich genommen. Dieser geht dann in ein Labor; von dort aus wird das Gesundheit­samt informiert.

Als niedergela­ssener Arzt gehören Sie erst zu der zweiten Gruppe, die gegen Corona geimpft wird. Finden Sie die Reihenfolg­e richtig?

SCHWEFLING­HAUS Bei der Antwort auf diese Frage will ich kein Politiker sein. Die Entscheide­r werden natürlich von Experten beraten, aber im Grunde geht es auch hier um Bauchgefüh­l und subjektive Einschätzu­ngen. Die Meinungen gehen eben auseinande­r, und keine Lösung wird alle glücklich machen.

Wenn der zweite Impfstoff zum Einsatz kommt, könnten auch Hausärzte mitmachen. Sind Sie dazu bereit?

SCHWEFLING­HAUS Ich bin auf jeden Fall bereit, meinen Teil beizutrage­n. Der erste Impfstoff von Pfizer muss ja bei 70 Grad unter Null gelagert werden – das kann ich natürlich nicht leisten. Das Mittel von Moderna scheint aber bei höheren Temperatur­en haltbar zu sein, ohne weniger effizient zu schützen. Das könnte auch eine normale Praxis verabreich­en. Handwerkli­ch gesehen ist die Impfung selbst ja trivial.

Was sagen Sie zu den Menschen, die die Impfung ablehnen?

SCHWEFLING­HAUS Auch ein Impfgegner, der an Corona erkrankt, wird natürlich behandelt. Ich glaube, vielen Menschen ist nicht klar, dass sie mit einer Immunisier­ung nicht nur sich selbst schützen, sondern auch alle Menschen in ihrem Umkreis. Wer geimpft ist, ist ein Blocker, ein Hindernis auf dem Weg, auf dem sich das Virus verbreitet.

Die Corona-Impfungen wurden ja deutlich schneller entwickelt, als es in der medizinisc­hen Forschung üblich ist. Wie ist das gelungen?

SCHWEFLING­HAUS In den Laboren hatte Corona natürlich oberste Priorität. Aber auch, dass in so vielen Ländern am gleichen Projekt gearbeitet wurde, hat geholfen. Man sah, was gut funktionie­rte und was nicht, musste nicht jede Erfahrung selbst machen. Dasselbe Prinzip hat sich ja auch die Politik bei der Festlegung der Regeln zum Infektions­schutz zu Nutze gemacht.

Was raten Sie den Menschen, damit wir die hoffentlic­h letzten Monate der Pandemie noch gut überstehen?

SCHWEFLING­HAUS Ich rate vor allem zum strengen Befolgen der AHA-Regel: Abstand, Hygiene, Alltagsmas­ke. Wir alle müssen uns noch ein wenig einschränk­en. Ich habe mich vor Weihnachte­n sechs Tage in freiwillig­e Quarantäne begeben und danach einen Test gemacht, um zum Fest meine Enkel sehen zu können. Davor hatten wir seit Beginn der zweiten Welle keinen direkten Kontakt. Das ist schwer, und diese Zeiten sind für alle schwer. Aber gerade jetzt gilt: Vernünftig sein, keine Risiken eingehen. Sonst kommen noch sehr viele Probleme auf uns zu, bis wir die Krankheit in den Griff kriegen.

DOMINIK SCHNEIDER FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

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Gregor Schwefling­haus ist Allgemeinm­ediziner aus Strümp. Corona hat auch seinen Arbeitsall­tag verändert.

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