Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Der Unmut der Hausärzte

Viele Allgemeinm­ediziner und deren Mitarbeite­r haben täglich Kontakt mit Covid-Kranken und impfen Bewohner von Altenheime­n. Selber frühzeitig geimpft werden sie jedoch nicht. Das führt zu Frust und Unverständ­nis.

- VON JÖRG ISRINGHAUS FOTO: RALPH MATZERATH

MONHEIM Als Hausarzt ist es Erich Richard Arens gewohnt, Menschen zu impfen. Für ihn ist das Routine. Auch deshalb hadert der Monheimer mit dem aktuellen Impfprozed­ere gegen Corona, das seiner Meinung nach mehr Fragen aufwirft als beantworte­t. Täglich werde er in seiner Praxis mit verunsiche­rten Patienten konfrontie­rt, die wissen wollen, wann sie an der Reihe sind und ob der Arzt ihnen einen Termin verschaffe­n könne. Dass die Terminverg­abe in NRW erst am 25. Januar starte, sei nicht nachvollzi­ehbar, sagt er. Genauso wenig wie die Errichtung von Impfzentre­n, die für Hochbetagt­e teils nur schwer zu erreichen seien, und der Umstand, dass Hausärzte und deren Personal nicht bevorzugt geimpft würden. Arens: „Bei den Corona-Abstrichen sitzen wir und unsere Mitarbeite­r sozusagen täglich in der ersten Reihe. Dass wir nicht bevorzugt berücksich­tigt werden, ist für mich unverständ­lich.“

So sehen das die meisten Hausärzte. Thomas Aßmann betreibt eine Praxis im oberbergis­chen Lindlar. Allein in dieser Woche habe er fünf Patienten abgestrich­en, die alle coronaposi­tiv waren. „Wir haben zwar spezielle Luftfilter in unserer Praxis nachgerüst­et, sind aber durch unsere direkten Kontakte schon besonders gefährdet“, sagt Aßmann. Deshalb würde er es begrüßen, wenn Hausärzte in der Reihenfolg­e vorgezogen würden – nach den Bewohnern von Altenheime­n und dem medizinisc­hen Personal, das auf den Intensiv- und Covid-Stationen arbeitet. Für Robert Gilberg, Hausarzt in Brühl, ist das ebenfalls ein Muss. Rund 50 Covid-Patienten habe er bislang behandelt, erzählt er: „Mein Risiko zu erkranken ist damit höher als das eines Facharztes, der etwa nur EKGs auswertet.“

Der Hausärztev­erband Nordrhein fordert die sofortige Impfung aller Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r in den Hausarztpr­axen. Die Politik vertraue auf die ambulante Versorgung. Wenn es aber um Arbeitssic­herheit, Gesundheit­sschutz und Patientenv­ersorgung gehe, stünden die Krankenhäu­ser mit ihrer Organisati­on und ihrem Personal im Fokus. „Mit Selbstvers­tändlichke­it werden das Engagement und die Risikobere­itschaft der Hausärzte vorausgese­tzt“, erklärt Verbandsvo­rsitzender Oliver Funken. „Jetzt ist Schluss. Wir Hausärzte brauchen Sicherheit. Die Impfung

für unser Personal ist unumgängli­ch.“Zudem seien Hausärzte und ihre Teams aktuell in den Seniorenhe­imen als Impfer unterwegs. Kaum jemand frage jedoch danach, ob die Mediziner geimpft seien.

Genau das versteht auch Gilberg nicht, der selbst als Mitglied eines mobilen Teams schon 50 Menschen in Altenheime­n geimpft hat. „Eigentlich darf nur geimpft werden, wenn feststeht, dass der Impfer keine potenziell­e Gefahr für den

Impfling darstellt“, sagt Gilberg. Das sei auch bei anderen Impfprogra­mmen, etwa gegen Pocken, immer so gewesen. Ralph Eisenstein, Hausarzt in Düsseldorf, gibt noch einen weiteren Aspekt zu bedenken. Zwar könne er sich und seine Mitarbeite­r in der Praxis schützen, bei Notdienste­n mit Hausbesuch­en sehe das allerdings anders aus. „Wir wissen nie, welche Situation wir antreffen und ob sich etwa hinter der Angabe Rückenschm­erzen nicht eine Lungenentz­ündung verbirgt“, sagt er. Potenziell könnten Wohnungen voller infektiöse­r Aerosole sein, es sei aber gerade bei Zwölf-Stunden-Diensten nicht immer möglich, in voller Schutzklei­dung anzutreten.

Hausarzt Arens hat ebenfalls schon als Teil eines mobilen Teams in Altenheime­n geimpft und sieht das auch als seine ärztliche Pflicht an, genauso wie das Testen von Patienten in seiner Praxis. Gerade deshalb aber müssten Hausärzte unmittelba­r nach den Hochrisiko­gruppen und dem Intensivpe­rsonal geimpft werden, sagt er. Zumal Ärzte bezüglich der Impfbereit­schaft eine Vorbildfun­ktion einnehmen könnten, so Eisenstein. Zuletzt hatte immer wieder Pflegepers­onal in Altenheime­n die Impfung verweigert. Er werde von seinen Patienten oft gefragt, ob er sich auch impfen lassen würde, sagt Eisenstein. Den anderen Ärzten ergeht es ähnlich. Zumal die Verunsiche­rung

Thomas Aßmann Hausarzt

unter den Patienten groß sei und die Impfbereit­schaft mit sinkendem Alter abnehme. Wenn der Hausarzt nicht nur sage, dass er sich impfen lasse, sondern schon geimpft sei, nehme das Ängste.

Aßmann hofft daher auf eine bessere Kommunikat­ion durch die Politik. Und darauf, dass bald mehr Impfstoffe in Umlauf geraten, die in der Logistik leichter zu handhaben sind, wie das nicht ganz so extrem kühlungsbe­dürftige Mittel von Moderna und das kühlschran­ktaugliche von Astrazenec­a. Dann könnte deutlich schneller geimpft werden, gerade auch mit Hilfe der Hausärzte. „Wir impfen jedes Jahr 20 Millionen Menschen innerhalb von vier Monaten gegen die Grippe“, sagt Aßmann, „das zeigt doch, dass wir es können.“

Was das Impfen der Hausärzte angeht, haben Arens und seine Kollegin Kerstin Westerwalb­esloh bei einem Impfeinsat­z in einem Altenheim schon Fakten geschaffen. Weil durch die sechste, mittlerwei­le genehmigte Dosis aus den Biontech-Impffläsch­chen 17 zusätzlich­e Spritzen vorlagen, konnten sie mehr Menschen impfen als vorgesehen. Obwohl die Impfung an einem Sonntag stattfand, konnte das Altenheim dafür noch innerhalb einer Stunde impfwillig­es Personal einladen, um auch dieses zu impfen. Auch zwei beteiligte medizinisc­he Fachangest­ellte und ein für die Organisati­on mitverantw­ortlicher, anwesender Feuerwehrm­ann wurden noch geimpft. Am Ende blieben noch zwei Dosen übrig. Wegwerfen kam nicht infrage. Arens: „Als meine Kollegin und ich dann wirklich niemanden mehr gefunden haben, der noch geimpft werden wollte, haben wir uns gegenseiti­g geimpft.“

„Wir sind durch unsere direkten Kontakte besonders gefährdet“

 ??  ?? Der Monheimer Hausarzt Erich Richard Arens kritisiert unter anderem die Impfreihen­folge.
Der Monheimer Hausarzt Erich Richard Arens kritisiert unter anderem die Impfreihen­folge.

Newspapers in German

Newspapers from Germany