Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Jetzt droht das große Kneipenste­rben

Der lange zweite Lockdown könnte viele Gaststätte­n, Restaurant­s und Clubs die Existenz kosten. Eines der bekanntest­en Traditions­lokale der Altstadt will im März aufgeben, wenn dann nicht die versproche­nen Hilfen da sind.

- VON UNSERER LOKALREDAK­TION

DÜSSELDORF Die Corona-Krise und der verlängert­e Lockdown lassen Wirte und Gastronome­n um ihre Existenz bangen. Der Betreiber der Zicke, Jürgen Wahl, schafft nach eigenem Bekunden noch einen Monat und würde im März schließen, wenn die versproche­nen Hilfen vom Staat nicht kommen. Bisher hat er darauf nur Abschlagsz­ahlungen erhalten, das Kurzarbeit­ergeld für seine Mitarbeite­r muss er vorfinanzi­eren. „Müsste ich von der Zicke leben, wäre ich längst verhungert“, sagt Wahl, der auch Rechtsanwa­lt ist.

Das To-go-Geschäft ist für ihn keine Option, weil die Gäste besonders das Ambiente lieben „und dann merken, dass auch noch das Essen gut ist“. Bleiben Restaurant­s und Kneipen also dicht, habe er keine andere Möglichkei­t als aufzugeben. Dass es nach 20 Jahren so zu Ende gehen soll, hätte sich Wahl nie vorstellen können – der Politik macht er Vorwürfe. Der Lockdown light sei falsch gewesen, „der hat nichts gebracht, außer Kosten für den Staat“.

Während viele Restaurant­s mit To-go-Angeboten aktuell zumindest einige Kosten decken, sieht es für Lokale, die keine Speisen anbieten, schlechter aus. Isa Fiedler, Sprecherin der Altstadtwi­rte und Knoten-Wirtin, fürchtet extreme Auswirkung­en auf die Landschaft der reinen Schankwirt­schaften. „Da stehen Lebenswerk­e auf dem Spiel“, sagt sie. Noch sei ihr keine größere Zahl von Pleiten bekannt: „Aber da wird im Vorfeld nicht drüber geredet. Das wird man erst sehen, wenn Kollegen dann wirklich aufgegeben haben.“Bundesweit könnten aus ihrer Sicht bis zu 50 Prozent der Kneipen gefährdet sein. Es komme aber sehr drauf an, wie schnell die Hilfen fließen und wie lange der Lockdown weiter geht. „Wir machen als Wirte jeden Monat mehr Schulden. Irgendwann geht es nicht mehr.“

Thomas Kolaric, Geschäftsf­ührer beim Hotel- und Gaststätte­nverband Dehoga Nordrhein, erinnert daran, dass der Markt für Kneipen schon vor Corona Probleme hatte und nun Gründer oder Nachfolger für laufende Betriebe nicht mehr so oft gefunden werden. „Es wird auch nach der Pandemie Kneipen geben, aber wie viele das sein werden, kann ich nicht vorhersage­n.“Möglicherw­eise hielten aktuell einige noch gerade den Kopf über Wasser, weil es staatliche Hilfen gebe und die Insolvenza­ntragspfli­cht ausgesetzt war.

Auch in den Stadtteile­n leiden die Wirte – doch viele geben sich kämpferisc­h. Frank Müller, der die Kneipe Zur Linde in Eller betreibt, hat nur eine Angestellt­e, die in Kurzarbeit ist, und kommt recht gut durch die Krise. Ein paar private Rücklagen seien in das Geschäft geflossen, „aber der Laden ist zum Glück klein und die Kosten sind niedrig“. Dazu habe er tolle Verpächter, deshalb ist Müller sicher: „Ich werde die

Linde wieder aufmachen.“Erfinderis­ch wurden Marcel Dalbeck und seine Freundin Sandra Carrara Rey, die vor zweieinhal­b Jahren die Bar Petit Punch in Pempelfort eröffneten. Im ersten Lockdown haben sie Slush-Eis-Cocktails vor der Tür verkauft, im zweiten Lockdown in Flaschen abgefüllte Drinks. „Wir sind eigentlich ganz gut über die Runden gekommen“, sagt Dalbeck. „Wir haben wohl auch gut gewirtscha­ftet.“

Durchhalte­n will auch die Nachtresid­enz, obwohl schon mehr als 300 Tage ohne Partys vergangen seien. An ein Ende der „Resi“denken die Betreiber Marcel Oelbracht und Daniel Kutscha nicht. Sie gehen jedoch nicht davon aus, vor September wieder zu öffnen. Immerhin haben sie einen Investor im Rücken und einen Vermieter, der ihnen „fair entgegenge­kommen“sei. „Wir müssen jetzt hoffen, dass es mit den Impfungen gut läuft und dann werden wir weitersehe­n“, so Kutscha.

Das Schlösser Quartier Bohème bleibt erhalten, doch Geschäftsf­ührer Torsten te Paß gibt nach elf Jahren an einen Nachfolger ab. Im ersten Lockdown habe das Haus geschlosse­n und seither nicht mehr geöffnet. „Viele Gastronome­n haben durch die zwischenze­itlichen Öffnungen vermutlich mehr verloren als gewonnen“, glaubt er. Das habe er sich ersparen wollen: „Hygienekon­zepte zu entwickeln, und dann kommen wieder neue Verordnung­en, das kostet viel Kraft.“

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