Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Caspar David Friedrich braucht Gesellschaft
Im Kunstpalast schlummert ein Schatz: Gemälde der deutschen Romantiker. Seit Wochen ist die Ausstellung zu. Wir haben sie besucht.
DÜSSELDORF Erst ist es schön, alleine im Museum zu sein. Sehr schön sogar. Euphorisierend geradezu. Bisschen auf der mit Lederpolstern bezogenen Bank sitzen und ins Riesengebirge schauen. Über die Gipfel hinweg. Durch den Nebel und in den Himmel. „Das Riesengebirge (Vor Sonnenaufgang)“heißt das Gemälde von Caspar David Friedrich. Es zeigt weniger eine echte Landschaft als vielmehr eine Idealisierung. Ein Denkbild. Wer es betrachtet, atmet unwillkürlich aus. Und staunt. Man verliert sich darin, schweift ab und hört sich selber beim Denken zu. Wie toll das Bild ist, denkt man. Wie es den Blick verschwimmen lässt. Und dass man das jetzt gerne jemandem sagen würde: Du, Wahnsinn, oder? Es ist aber niemand da. Und so denkt man: Doch nicht so schön, alleine im Museum.
Der Kunstpalast ist wie alle anderen Museen seit Wochen geschlossen. Mindestens bis Ende Januar werden keine Besucher eingelassen. Das Haus mutet nun an wie eine Schatzkiste aus Stein. Hinter dicken Mauern warten die Werke der Ausstellung „Caspar David Friedrich und die Düsseldorfer Romantiker“. Nur an diesem Tag ist die Beleuchtung eingeschaltet. An allen anderen Tagen ruhen sie zumeist im Dunkeln. Zweimal in der Woche kommen Restauratoren und schauen, ob noch alles gut ist. Reinigen die Werke von Staub. Kontrollieren das Klima. Und richten die hauchfeinen Abdeckbahnen, die über Arbeiten hängen, die auf Papier ausgeführt wurden. Sie sind besonders empfindlich.
Vielleicht ist das Einbildung, aber der Reporter, der den schlummernden Schatz besuchen darf, spürt etwas. Von den Bildern, darunter 50 von Caspar David Friedrich, geht etwas aus. „Die Kraft der Werke ist spürbar“, bestätigt Felix Krämer, der Direktor des Hauses, der mitgekommen ist auf diese Tour. Kurz lauschen, fühlen, spüren. Ja, ist so. Krämer: „Da ist Power dahinter.“
Was bedeutet das eigentlich: Das Museum ist zu? Jedenfalls nicht, dass nichts mehr zu tun wäre. Die Belegschaft – in Kunstpalast, NRW-Forum und Schumann-Saal sind das zusammengenommen rund 90 Menschen – ist in Kurzarbeit.
Aber sie plant natürlich weiter Ausstellungen, verschiebt Termine, justiert Zuständigkeitsbereiche neu. „So ein Museum ist wie ein Tanker“, sagt Krämer. Er müsse in den Hafen gesteuert werden, das ist das Ziel. „Und wenn er den Hafen nicht anlaufen kann, macht das sogar noch viel mehr Arbeit. Der Hafen, das sind natürlich die Ausstellungen. Das ist die Öffnung fürs Publikum. Und jetzt ist der Hafen gesperrt.“
Krämer ist ein großartiger Vermittler. Er hat drei Jahre an dieser
Schau gearbeitet. Er erzählt, dass Caspar David Friedrich um 1830 nahezu vergessen war. Er habe als „edgy“– etwa: kantig – gegolten. Die Leute bevorzugten damals die Düsseldorfer Malerschule. Und dann stehen wir vor dem Gemälde „Die tausendjährige Eiche“von Carl Friedrich Lessing. Das Bild erzählt eine Geschichte, es ist vital. Kein Vergleich zu den meditativen Landschaften Friedrichs. Walt Disney sei ein großer Bewunderer Lessings gewesen, sagt Krämer. Und tatsächlich würde man sich nicht wundern, wenn hier gleich Bambi aus dem Hintergrund spränge. Als „Netflix der Kunst“bezeichnet Krämer Lessing: „Die Düsseldorfer Malerschule war Hollywood, Caspar David Friedrich Autorenfilm.“
Krämer wirkt ganz froh, an den Bildern entlangschreiten zu können. Ablenkung von dem Kram oben in seinem Büro. Er geht für 2020 von einem Verlust von 500.000 Euro aus. Nebenan wird gerade die Schau „Empört Euch!“gescannt. Sie war nur vier Tage geöffnet und kann nicht verlängert werden. Nun versucht man, sie ins Netz zu überführen. Was nicht einfach wird bei 70 Leihgaben. Die Romantik-Schau wurde bis zum 7. März verlängert. Dann ist definitiv Schluss. Für einige Zeit werde es dann keine Friedrich-Schau mehr geben, sagt Krämer. Erst 2024, wenn Friedrich 250 Jahre alt geworden wäre, sind wieder Ausstellungen geplant.
Der zweite Lockdown sei ein Problem, sagt Krämer. Man habe sich gerade berappelt, dann trete einem wieder jemand vors Schienbein. Wir stehen vor Friedrichs Gemälde „Abend“. Die Landschaft ist nur so breit wie ein kleiner Finger. Darüber spannt sich ein enormer Himmel. Er leuchtet golden. Kurze Andacht. Dann die entscheidende Frage: Sind diese Bilder nicht wertlos, wenn sie keine Resonanz bekommen? Krämer nickt. Immer, wenn er bei seiner vorherigen Station in Frankfurt ins Depot gegangen sei, habe er die Bilder rufen gehört: Ich will hier raus! Ich will betrachtet werden! „Kunst entsteht im Dialog“, sagt Krämer. Insofern sei das eine traurige Situation.
Beim Rausgehen lauscht man kurz. Aber die Tür schließt zu rasch und ist zu dick. Würden die Bilder rufen, man könnte sie nicht hören.