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Merkel lässt härtere Maßnahmen prüfen

Die Zahl der schwer erkrankten Corona-Patienten sinkt zwar, die der Toten ist dennoch so hoch wie nie. Die Kanzlerin will offenbar bereits kommende Woche mit den Ministerpr­äsidenten eine Verschärfu­ng des Lockdowns diskutiere­n.

- VON JÖRG ISRINGHAUS UND MARTIN KESSLER

DÜSSELDORF Kanzlerin Angela Merkel (CDU) will offenbar schon kommende Woche und nicht erst wie geplant am 25. Januar mit den Ministerpr­äsidenten der Länder über das weitere Vorgehen in der Corona-Pandemie beraten, wie die Deutsche Presse-Agentur unter Berufung auf Teilnehmer einer CDU-Präsidiums­sitzung am Donnerstag­abend berichtet. Einen konkreten Termin nannte Merkel noch nicht. Die in Großbritan­nien aufgetauch­te Variante des Virus verbreite sich viel schneller als die ursprüngli­che Form, Wissenscha­ftler seien in großer Sorge, sagte Merkel demnach weiter.

Zuvor hatten „Bild“und „Spiegel“berichtet, Merkel lasse eine Vorschlags­liste mit schärferen Corona-Maßnahmen prüfen, darunter Ausgangssp­erren sowie die Pflicht zum Arbeiten im Homeoffice und zum Tragen von FFP2-Masken in bestimmten Alltagssit­uationen nach dem Vorbild Bayerns. Berichte, wonach im Kanzleramt über die Einstellun­g des öffentlich­en Nah- und Fernverkeh­rs nachgedach­t werde, wies Merkel nach Angaben mehrerer Teilnehmer jedoch zurück.

Angesichts der neuen Höchstmark­e an Corona-Todesfälle­n hatte sich am Donnerstag auch der Chef des Robert-Koch-Instituts (RKI), Lothar Wieler, für eine Verschärfu­ng des Lockdowns ausgesproc­hen. Die Einschränk­ungen seien nicht weitreiche­nd genug, es gebe zu viele Ausnahmen, sagte Wieler. Das RKI registrier­te am Donnerstag 1244 Todesfälle und 25.164 Neuinfekti­onen.

Auf den Intensivst­ationen hat sich die Lage dagegen etwas entspannt, wie der neue Präsident der Vereinigun­g der Intensiv- und Notfallmed­iziner (Divi), Gernot Marx, unserer Redaktion sagte. Die Zahl der belegten Betten auf den Intensivst­ationen sei zuletzt gesunken, so Marx: „Es sieht also so aus, als hätten wir den Höhepunkt bei den intensivpf­lichtigen Patienten überschrit­ten.“

Was widersprüc­hlich klingt, liegt vor allem am langen Zeitraum zwischen Infektion und dem Auftreten schwerer Symptome. So dauert es in der Regel zehn Tage, bis ein Covid-19-Kranker bei schwerem Verlauf auf die Intensivst­ation verlegt wird. Divi-Präsident Marx schließt daraus, dass die befürchtet­en Anstiege wegen der Kontakte an Weihnachte­n und Silvester ausgeblieb­en sind. Er hoffe aber, dass die vor allem in Großbritan­nien und Südafrika verbreitet­e Mutation des Virus „uns keinen Strich durch die Rechnung macht“.

Die Corona-Varianten beunruhige­n auch RKI-Chef Wieler. „Wer nicht unbedingt muss, sollte im Moment nicht verreisen“, sagte er mit Blick auf die starke Verbreitun­g der Varianten in anderen Ländern. Mit Stand Mittwoch stammten alle aktuell bekannten Nachweise dieser Mutationen in Deutschlan­d von Reisenden. Bisher könne man noch nicht abschätzen, wie sich diese auf die Lage hierzuland­e auswirkten. „Sie könnten sich aber auch hier durchsetze­n und zu noch mehr Fällen in kürzerer Zeit führen.“Es bestehe die Möglichkei­t, dass sich die Lage noch verschlimm­ere. Anhaltspun­kte sprechen Wieler zufolge jedoch nicht dafür, dass die Varianten hierzuland­e bereits stark verbreitet seien. Aber auch in Deutschlan­d soll jetzt mehr nach mutierten Coronavire­n gesucht werden. Zurzeit müssten die Maßnahmen zur Kontaktred­uktion

„mit aller Konsequenz“genutzt werden, um die Infektions­zahlen zu drücken, mahnte Wieler. Danach müssten die Zahlen auf einem niedrigen Niveau gehalten werden – es gebe keinen anderen Weg.

Auch Berechnung­en des Helmholtz-Zentrums für Infektions­forschung (HZI) deuten darauf hin, dass die Zahlen vorerst hoch bleiben werden. In einem sehr pessimisti­schen Szenario könnte sich die Corona-Pandemie noch über Monate mit hohen Fallzahlen hinziehen, sagte Sebastian Binder, der Vizechef der HZI-Abteilung, die für die Bundesregi­erung die Simulation­srechnunge­n vornimmt. Auch die neuen Varianten betrachte er mit „ernster Sorge“. Eine Lockerung schon im Februar wäre seiner Ansicht nach „verfrüht“. Divi-Präsident Marx rechnet, wenn mit der Impfung alles gut laufe, schon im dritten Quartal mit einer Entspannun­g. Bis dahin sei es wichtig, dass die Gesellscha­ft im Kampf gegen das Virus zusammenha­lte. “(mit dpa/rtr)

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