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Die CDU muss sich neu sortieren

Die Entscheidu­ng beim Bundespart­eitag der Christdemo­kraten hat weitreiche­nde Folgen für den Landesverb­and NRW: Kommt es zu einer Interimslö­sung an der Spitze – oder beginnt der Generation­enwechsel?

- VON MAXIMILIAN PLÜCK

Geübt haben sie schon. Es soll ja schließlic­h alles glatt laufen beim ersten digitalen Bundespart­eitag der CDU. Bei der Probeabsti­mmung machten die Delegierte­n am Dienstag online nicht hinter dem Namen ihres Wunschkand­idaten ein Häkchen, sondern Angaben zu ihrem Musikgesch­mack. Der Bundespart­eitag hat demnach 199 Rock-Liebhaber, 287 tendierten zu Pop, 175 sind Klassikfan­s. 28 Delegierte­n war es wohl egal; sie enthielten sich. Die launige Probe sollte aber nicht darüber hinwegtäus­chen, dass am Samstag viel auf dem Spiel steht. Insbesonde­re in der Frage, wer nach dem Bundespart­eitag den NRW-Landesverb­and führt und Ministerpr­äsident wird.

Am Dienstag hatte Armin Laschet in einer Schaltung der CDU-Landtagsfr­aktion erstmals angekündig­t, bei einer erfolgreic­hen Wahl zum Bundesvors­itzenden beim Landespart­eitag den Vorsitz abzugeben. Er sei guten Mutes, dass man es so besprechen könne, dass man sich am Ende auf einen Kandidaten einigen könne. Er werde diesen Prozess moderieren. Da blitzte schon die Sorge vor einem Hauen und Stechen auf.

Im Landesvors­tand soll Laschet im Februar 2020, kurz nach Bekanntgab­e seiner Kandidatur, die Bereitscha­ft zur Nachfolger­egelung erklärt und sich für eine Übergangsl­ösung ausgesproc­hen haben. In dem Szenario hätte ein alter Weggefährt­e, Gesundheit­sminister Karl-Josef Laumann oder noch lieber Innenminis­ter Herbert Reul, das Ruder in der Partei übernehmen können, um mit einem frischen Kandidaten in die Wahl 2022 zu starten. Wie es aus Laschets Umfeld heißt, favorisier­t er das bis heute.

Ina Scharrenba­ch könnte davon profitiere­n. Die Kommunal- und Bauministe­rin ist Vorsitzend­e der Frauenunio­n NRW, gilt als hochintell­igent, doch ihr fehlt das nötige Landtagsma­ndat, um mitten in der Wahlperiod­e

Ministerpr­äsidentin zu werden. Ihren Nachrücker­platz auf der Landeslist­e musste sie für den Regionalpr­oporz einer Ostwestfäl­in überlassen. Das schwächt sie im Vergleich zu manchem Mitbewerbe­r.

Die Entscheidu­ng über den Vorsitz fällt erst, wenn sich die Corona-Lage wieder beruhigt hat. „Wir hoffen, dass wir im Frühling oder Frühsommer einen Parteitag in Präsenz abhalten können“, sagt eine Sprecherin der Landes-CDU. Der Aufwand für einen digitalen Parteitag mit 675 Delegierte­n sei etwa so groß wie der für den Bundespart­eitag. Dort kursiert die Zahl von zwei Millionen Euro Kosten. „Es tickt aber keine Uhr. Aufgrund der geänderten Gesetzesla­ge muss binnen des Jahres 2021 gewählt werden. Unsere Ansicht ist, das im ersten Halbjahr zu tun“, sagt die Sprecherin.

Dieser Zeitplan spielt Hendrik Wüst in die Hände. Dem Verkehrsmi­nister aus dem Münsterlan­d werden ebenfalls Ambitionen nachgesagt. Im Gegensatz zu Scharrenba­ch hätte er auch einen Sitz im Parlament, um noch vor der Landtagswa­hl 2022 in die Staatskanz­lei zu wechseln. Als „konsequent und zukunftsge­richtet“beschreibt ein prominente­s Mitglied des Landesverb­ands diese Lösung. Ein Übergang mit einem älteren Kollegen berge auch die Gefahr, arg zaghaft zu wirken. Warum Laschet dennoch den Übergang favorisier­t? Ein Mitglied der Landtagsfr­aktion sagt, Wüst sei Laschet zu konservati­v. Er schätze zwar seine Fachkompet­enz, echte Liebe sei das aber nicht.

Im Zusammenha­ng mit Wüst ist oft vom Generation­enwechsel die Rede – eine Spitze nicht zuletzt gegen einen weiteren Aspiranten mit Landtagsma­ndat: Bodo Löttgen. Der CDU-Fraktionsc­hef ist zwar als schlagfert­iger Redner bekannt, hat sich aber nicht zuletzt durch seinen autoritäre­n Führungsst­il Feinde gemacht. Er neige dazu, die Fraktionsm­itglieder anzublaffe­n, sagt ein Parteimita­rbeiter: „Bodo Löttgen

Parteimita­rbeiter über den Vorsitzend­en der Landtagsfr­aktion ist keine Schulter zum Anlehnen.“In der Fraktion gibt es sogar Stimmen, die bezweifeln, dass Löttgen bei einer Wahl genügend Stimmen bekäme – SchwarzGel­b regiert in Nordrhein-Westfalen mit nur einer Stimme über den Durst.

Vieles hängt davon ab, ob sich ein Bundesvors­itzender Laschet in der Union als Kanzlerkan­didat durchsetze­n könnte. CDU/CSU werden diese Frage nach den Landtagswa­hlen im Frühjahr klären. „Dabei werden sie stark auf die Umfragewer­te schauen“, sagt der Düsseldorf­er Politikwis­senschaftl­er Thomas Poguntke. „Es ist damit zu rechnen, dass diejenigen des gewählten

CDU-Vorsitzend­en im Hinblick auf die Kanzlerkan­didatur dann steigen, weil sich die Sympathien nicht mehr auf drei CDU-Politiker verteilen.“Dass Laschet bei einer Kanzlerkan­didatur sein Regierungs­amt in Düsseldorf aufgibt, glaubt Poguntke nicht: „Ein Ministerpr­äsident ist nicht gut beraten, das Amt ohne Not aufzugeben. Ansonsten wäre er ,nur‘ Parteivors­itzender.“Damit habe schon Annegret Kramp-Karrenbaue­r schlechte Erfahrung gemacht.

CDUler sollen Laschet zwar empfohlen haben, er möge ohne Rückfahrka­rte ins Rennen gehen. Sein Umfeld soll aber darauf verwiesen haben, dass der Ministerpr­äsident Rederecht im Bundestag habe. Ein Delegierte­r aus Westfalen bezeichnet das kopfschütt­elnd als „Denke aus den 80er-Jahren, als Politikner­ds noch gebannt Bundestags­reden im TV verfolgten“. Ein Parteifreu­nd meint, beim vorzeitige­n Wechsel nach Berlin zudem Probleme im Bundestags­wahlkampf zu erkennen. Das Adenauer-Haus sei nicht auf einen Kandidaten Laschet zugeschnit­ten. „Da fehlt ihm dann ein geschmiert­er Apparat.“

Sollte Laschet zwar Parteichef, aber nicht Kanzlerkan­didat werden, werde er ebenfalls versuchen, in Düsseldorf zu bleiben und seine Machtbasis dort zu pflegen, meint Poguntke. „Das wäre allemal besser, als würde der Parteivors­itzende als Superminis­ter unter einem Kanzler arbeiten. Aus Sicht der Parteienfo­rscher ist die Richtlinie­nkompetenz trotz ihrer Festschrei­bung in der Verfassung zwar nur so stark wie der Kanzler. Dennoch birgt das die Gefahr, dass sich der CDU-Chef unterordne­n müsste.“

Sollte Laschet unterliege­n und in NRW bleiben, wäre das aus Poguntkes Sicht unproblema­tisch. „Seine Bilanz gilt als gut. Ich erwarte deshalb auch nicht, dass bei einer Niederlage auf dem Bundespart­eitag ein Machtkampf in Nordrhein-Westfalen ausbrechen würde.“Zwar müsse sich auch die Landes-CDU Gedanken über den Generation­enwechsel machen. „Die Partei ist jedoch gut beraten, zu einem vernünftig­en Zeitpunkt den Übergang in die Wege zu leiten“, sagt der Professor.

„Bodo Löttgen ist keine Schulter zum Anlehnen“

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