Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Fatale Fehlschüsse
Im französischen Calvignac wurde ein junger Mann beim Holzhacken von einem Jäger erschossen. Nun verlangen viele Menschen, die Regeln für die Jagd zu verschärfen. Mancher Wildschütz kennt nicht einmal das Kaliber seiner Waffe.
CALVIGNAC In Frankreich empfiehlt es sich nicht, zur Jagdsaison völlig unbedarft durch die Wälder zu streifen. Weit mehr als eine Million Franzosen besitzen einen Jagdschein und gehen regelmäßig auf die Pirsch. Ein kleiner Ausflug mit der Familie ins Grüne kann da schnell mit einer bösen Überraschung enden, zumal die Ausbildung der Hobby-Waidmänner oft zu wünschen übrig lässt. Zwölf Tote waren 2020 zu beklagen, wobei die meisten Opfer Jäger waren, die sich aus Versehen selbst erschossen haben, weil sie ihre Waffe nicht bedienen konnten.
Allerdings wurde im Dezember bei einer Treibjagd ein junger Mann im südfranzösischen Département Lot in der Nähe seines Hauses beim Holzhacken getötet. Der unglückliche Schütze erklärte, er habe im abendlichen Zwielicht „eine schwarze Masse“gesehen und abgedrückt. Die Kugel traf den 25-Jährigen direkt in die Brust, er war sofort tot. Natürlich gelobten nach dem Unglück alle, dass die Umstände minutiös aufgearbeitet würden und die Ausbildung der Jäger verbessert werde, von denen manche nicht einmal wissen würden, welches Kaliber ihre Waffe hat.
Passiert ist danach allerdings herzlich wenig, weshalb Frédéric Almendros nun der Kragen geplatzt ist. Dem für die Region zuständigen Staatsanwalt ist es, wie er selbst sagt, ziemlich egal, ob Menschen durch den Wald pirschen und Tiere erlegen. Dass nach dem Tod des jungen Mannes aber die Dinge weiterliefen, als sei nichts gewesen, wollte er nicht akzeptieren und zitierte die im Département Lot für die Jagd Verantwortlichen zu sich. „Die Jäger müssen verstehen, dass sie kein Hobby wie jedes andere ausüben“, sagte der Staatsanwalt. Sie trügen eine tödliche Waffe mit sich und seien sich offenbar nicht immer der Gefahr bewusst, die davon ausgehen könne. Sein Fazit: „Die Regeln
müssen gewissenhaft eingehalten werden.“Und er verlangte, dass die Jäger in Frankreich besser ausgebildet werden.
Unterstützung bekommt Frédéric Almendros vor allem in Calvignac, dem Dorf, aus dem der erschossene Mann stammte. Empört waren die Einheimischen, als nach dem Tod des jungen Mannes die Jagd in den benachbarten Gemeinden scheinbar uneingeschränkt weiterging und sogar während eines Schweigemarsches zu Ehren des Toten Schüsse zu hören waren.
Danach entschieden sich die Bewohner aus Calvignac zum Widerstand. Sie gründeten eine Aktionsgruppe, die mehrere konkrete Forderungen gegenüber den Jagdverbänden
im Département Lot aufgestellt hat. So soll im Umkreis von zwei Kilometern um bewohnte Häuser nicht mehr geschossen werden dürfen – im Moment beträgt der Mindestabstand 150 Meter. Die Gebühren für die Jagdscheine müssten deutlich erhöht und vor allem die kleinen Jagdvereine besser kontrolliert werden. Und: An Sonntagen müsse ein generelles Jagdverbot herrschen.
Die Menschen in dem 200-Seelen-Dörfchen wissen, dass es schwierig wird, ihre Forderungen durchzusetzen. Der Einfluss der Jäger-Lobby ist groß und reicht in der weit entfernten Hauptstadt Paris bis nach ganz oben in die Ministerien. Auch droht das Thema, den sozialen Frieden in der Gemeinde ins Wanken bringen. Denn in fast jeder Familie gibt es jemanden, der ein Gewehr im Schrank stehen hat und zur Gilde der passionierten Waidmänner zählt.