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Digitalisierung kann Einkaufsstraßen helfen
Eine neue Studie von JLL stellt eine mäßige „digitale Reife“in den deutschen Top-Städten fest.
DÜSSELDORF Das Internet-Shopping ist der Feind des stationären Einzelhandels. Dieses Denken verändert sich, denn die Vorzüge der Digitalisierung sind nicht mehr aus der Welt zu schaffen. Viele Menschen informieren sich vor dem Kauf nicht mehr analog an Schaufenstern oder in Katalogen, sondern digital an Bildschirmen. Das heißt auch: Erst geht es um das Produkt, dann um den Händler. Somit haben diejenigen Hersteller und Händler langfristig bessere Erfolgsaussichten, welche die „Customer Journey“, also den Weg des Kunden, rundum digital ausstatten und ihm das Leben angenehmer gestalten. Das hat auch Auswirkungen auf unsere Innenstädte. „Die Einkaufsstraße der Zukunft hat dann eine hohe Besucherfrequenz, wenn ihre Geschäfte einen hohen digitalen Reifegrad haben“, ist der Düsseldorfer JLL-Geschäftsführer Marcel Abel sicher.
JLL hat mit der Digitalberatung eStrategy Consultung die Studie „Digitalisierung im deutschen Einzelhandel“erstellt. Sie liegt unserer Redaktion exklusiv vor. In den sieben größten deutschen Städten wurden dafür auf zwölf Einkaufsstraßen 755 Geschäfte aufgesucht. Denn es sollte bei der Studie nicht nur herausgefunden werden, welcher Händler oder Hersteller eine Präsenz im Netz hat, sondern wie digitale Dienstleistungen den Aufenthalt im Geschäft aufwerten. 45 Kriterien in vier Kategorien wurden insgesamt angewendet (siehe Kasten).
Das Ergebnis: Der digitale Reifegrad bewegt sich insgesamt auf einem niedrigen Niveau, nämlich bei 3,7 von möglichen zehn Punkten. Die Online-Sichtbarkeit (etwa Webshop oder App) liefert die höchsten Werte (6,2), in den übrigen Kategorien liegen die Werte zwischen 3,0 und 3,3. Der größte Nachholbedarf besteht bei digitalen Dienstleistungen im Geschäft selbst – etwa Produktinformationen oder dem Verzicht auf Kassen wie in Apple-Shops.
Hamburg und Köln liegen mit dem Gesamtwert 3,9 an der Spitze, Düsseldorf folgt mit 3,8, dann kommen Frankfurt und München (je 3,7), Berlin (3,6) und Stuttgart (3,3).
Bei den Branchen schneiden die Kaufhäuser (5,4) am besten ab, top sind auch Elektronik (4,6) und Spielwaren (4,3), am anderen Ende der Skala rangieren Floristik (mit dem Tiefstwert 0,8), Geschenke und Souvenirs sowie Genussmittel, da diese Sortimente meist von der Laufkundschaft leben.
Corona ist ein Treiber der Digitalisierung, aber sie ändert auch das Kundenverhalten nachhaltig, sagt Abel. Die Verbreitung des kontaktlosen Bezahlen wuchs von 2019 (60 Prozent) auf 2020 (90 Prozent) massiv. Ebenso nahmen digitale Produktinformationen zu (21 auf 50 Prozent) und die Online-Sichtbarkeit lokaler Geschäfte (59 auf 93 Prozent). Beim Thema Omnichannel schneiden P&C,
Christ und Thalia mit dem Höchstwert ab, die Verfügbarkeitsanzeige ist mit 46,2 Prozent am meisten verbreitet. Das heißt auch: Die Kunden kommen, wenn die gewünschte Ware vor Ort ist.
Abel appelliert an Händler, Immobilieneigentümer und Städte, Pop-up- sowie Konzept- und Innovation-Stores nicht nur zuzulassen, sondern sie aktiv anzusiedeln oder zu fördern. In Berlin habe dies in einem Jahr den digitalen Reifegrad von 3,1 auf 3,6 erhöht. Die Stores erhöhten die digitale Kompetenz, machten Einkaufsstraßen attraktiver und seien vorteilhaft für weitere Vermietungen. Abel rechnet damit, dass die digitale Reife eines Mietinteressenten bei Vertragsabschlüssen immer wichtiger wird.