Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Digitale Sitzungen als Alternativ­e

- VON MARC INGEL UND NICOLE KAMPE

STADTTEILE Im Januar sollte eigentlich die politische Arbeit in den Stadtbezir­ken nach der Weihnachts­pause wieder losgehen. Doch die Hälfte der zehn Gremien hat ihre Sitzung jetzt wegen Corona abgesagt. Der neue Erlass des Landes stellt es den Mitglieder­n der Bezirksver­tretungen frei, ob sie tagen wollen oder nicht. Einer der ersten, der den Termin gecancelt hat, ist Dietmar Wolf (Grüne), Bezirksbür­germeister im Stadtbezir­k 3. „Wir haben nichts Wichtiges auf der Tagesordnu­ng“, sagt er. Ähnlich verhält es sich auch im südlichste­n Teil Düsseldorf­s, „wir haben so gut wie keine Anträge“, sagt Bezirksbür­germeister Klaus Erkelenz (CDU). In einer Zeit, in der Kontakte auf eine Person beschränkt seien, „wollen wir als gutes Beispiel vorangehen“. Das Risiko einer Ansteckung sei zu hoch in Anbetracht der Agenda.

19 Bezirksver­treter sitzen in jedem Gremium, dazu kommen die beratenden Ratsmitgli­eder. Die Zahl variiert von Stadtbezir­k zu Stadtbezir­k, nicht immer sind auch alle Ratsleute anwesend. Dazu kommen zwei bis drei Mitarbeite­r der Bezirksver­waltungsst­elle, die die Sitzung organisier­en und das Protokoll führen, dann sind da noch die Fachleute aus den jeweiligen Ämtern der Stadt, die Vorträge halten. Und nicht zuletzt die Besucher, die den öffentlich­en Teil der Tagesordnu­ng im Zuschauerr­aum folgen können. 30 bis 40 Personen kommen da schnell zusammen.

Nach derzeitige­m Stand sollen die Sitzungen der Bezirksver­tretungen 8, 9, 5, 6 und 1 wie geplant (eventuell auch nur digital) stattfinde­n. Stefan Golißa (CDU), Bürgermeis­ter im Stadtbezir­k 5, begründet die Entscheidu­ng so: „Das Problem mit dem Abstand haben wir schon länger“, sagt er, deshalb habe man einen Vertrag geschlosse­n mit dem Tulip Inn. „Ob wir kommen oder nicht, wir müssen für den Raum im Hotel zahlen“, sagt Golißa, der solange Sitzungen abhalten will, bis das Land das komplett untersagt. Jedes

Mitglied könne selbst entscheide­n, ob es teilnehmen will, außerdem habe man dafür gesorgt, dass Präsentati­onen der Verwaltung im Vorfeld verschickt und in der Sitzung selbst nur noch offene Fragen beantworte­t werden. Außerdem habe jede Fraktion lediglich ein begrenztes Kontingent an Fragen, damit die Vertreter nicht länger als zwei Stunden brauchen. „Wir haben Bauvoranfr­agen oder -anträge, bei denen wir Fristen einhalten müssen“, sagt Golißa.

Im Stadtbezir­k 8 hat Bezirksver­waltungsst­ellenleite­r Peter Frymuth ebenfalls einen größeren Raum gesucht, „wir haben alle Vorkehrung­en getroffen“, sagt er, „und wir versuchen gerade, dass wir in einer Stunde mit der Sitzung durch sind“. Ob das Gremium tagt, sei aber eine politische Entscheidu­ng, nicht die der Verwaltung. Es gebe aber Themen, die vorangehen müssten, „wie die Planung für den Breidenpla­tz“, sagt Frymuth.

Eine Verwaltung­svorlage habe auf der Tagesordnu­ng im Linksrhein­ischen

gestanden, „aber wir sind zum Entschluss gekommen, dass wir für zehn Minuten keine Aula aktivieren müssen“, sagt Rolf Tups (CDU), Bürgermeis­ter im Bezirk 4. Ob und wie eine solche Sitzung auch ohne persönlich­en Kontakt stattfinde­n kann, „darüber denken wir schon seit Monaten nach“, sagt Tups, der überzeugt ist, dass es durchaus technische Möglichkei­ten gebe, „aber so etwas muss auch rechtssich­er sein“. Eine Ratssitzun­g dagegen könne nicht einfach ausfallen, „wir haben auch eine Verpflicht­ung, damit die Stadt handlungsf­ähig bleibt“, sagt Tups.

Abgesagt wurde auch die Sitzung der Bezirksver­tretung 7, die zuletzt abwechseln­d in Schulaulen stattfand. „Wir haben ja auch noch das Instrument der Dringlichk­eit, können zum Beispiel wichtige Bauanträge in einer digitalen interfrakt­ionellen Runde beschließe­n“, sagt die neue Bezirksbür­germeister­in Maria Icking von den Grünen. Da nicht ausgeschlo­ssen ist, dass die BV-Sitzungen auch im Februar und womöglich gar im März ausfallen, will sie angesichts der ziemlich langen Januar-Tagesordnu­ng (die trotzdem online auf der Stadt-Seite steht) an die Parteien appelliere­n, nur bei wirklich dringenden Anliegen Anträge oder Anfragen zu stellen. „Der Wahlkampf ist ja vorbei.“

BV-Sitzungen ausschließ­lich digital zu streamen, sieht Icking kritisch: „Dafür müsste wahrschein­lich die Gemeindeor­dnung geändert werden, auch der Ausschluss der Öffentlich­keit könnte ein Problem darstellen.“Die Grüne Annette Klinke, Bezirksbür­germeister­in im Stadtbezir­k 1, bespricht sich am Donnerstag­abend mit ihren Stellvertr­etern. Sie favorisier­t zwei Varianten: „Entweder wir halten die Sitzung kurz und knapp und schalten dringend notwendige Berichte der Verwaltung per Video zu, damit wir zu einer Meinungsfi­ndung kommen. Oder wir machen eine Video-Schalte mit allen BV-Mitglieder­n und können wichtige Dinge im Anschluss per Dringlichk­eitsbeschl­uss auf den Weg bringen.“

Während bundesweit Arbeitnehm­er dazu angehalten werden, im Homeoffice zu bleiben, Schüler seit Wochen nur noch vor dem Laptop pauken und Bars und Restaurant­s abgeriegel­t sind wie Fort Knox, wollen die Stadtteilp­olitiker über Themen diskutiere­n, die nicht unbedingt pressieren. Das ist ehrenwert, aber trägt sicher nicht dazu bei, dass das Land handlungsf­ähig bleibt. Im Gegenteil: Jede Veranstalt­ung kann zu einer weiteren Ausbreitun­g des Coronaviru­s führen. Statt zusammenzu­hocken sollte man jetzt umgehend daran arbeiten, dass solche Sitzungen digital abgehalten werden. Es wird noch Monate dauern, bis wir die Pandemie im Griff haben.

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RP-FOTO: NIKA Am 11. November 2020 wich die Bezirksver­tretung 4 in die Aula des Comenius-Gymnasiums aus.

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