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Brückenschlag vom Kunstpalast zur Akademie
Die 33-jährige wissenschaftliche Mitarbeiterin Anna Christina Schütz will Studenten die Graphische Sammlung näherbringen.
DÜSSELDORF Anna Christina Schütz wurde vom Museum und vom Rektorat der Akademie gemeinsam ausgesucht, denn sie arbeitet ausdrücklich für die kostbare Graphische Sammlung der Kunstakademie, die als Dauerleihgabe im Ehrenhof liegt. Dabei geht es nicht nur um die Aufbereitung der Blätter, sondern auch um die pädagogische Arbeit zum Wohle der Studenten. Die Fachfrau will die vielen wunderbaren Papierarbeiten dem Nachwuchs näherbringen, denn beide Häuser sind nur einen Steinwurf voneinander entfernt und können voneinander profitieren.
Sobald es Corona zulässt, werden Seminare angeboten, als Wissensvermittlung und als Inspirationsquelle für die Jugend. Die 33-jährige Schütz ist als Bildungsbeauftragte der Sammlung für diese Aufgabe bestens geeignet, war sie doch zuvor Lehrbeauftragte der Universität Lüneburg und wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Stuttgart.
Museumschef Felix Krämer ist denn auch des Lobes voll, wenn er sagt: „Anna Schütz hat ein sehr offenes, zugewandtes Wesen. Sie wird sicherlich sehr gut mit den Studenten zusammenarbeiten, denn sie spricht eine Sprache, die man versteht. Auch wenn sie sich in der Kunstgeschichte gut auskennt, hat sie ein großes Interesse an der Gegenwartskunst. Sie steht mit beiden Beinen im Hier und Jetzt, sie kann Gegenwart und Vergangenheit miteinander verbinden.“
Es sei auch räumlich an eine Öffnung der Sammlung gedacht. Felix Krämer: „Das sind Arbeiten, die der Öffentlichkeit gehören. Wir wollen sogar bei der Wiedereröffnung des Museumstraktes Papierarbeiten auch in der permanenten Schausammlung zeigen, wobei natürlich die Zeichnungen und Radierungen eher gewechselt werden müssen als Gemälde und Skulpturen.“
Die „Neue“nennt als ihre Fachgebiete die Grafik des 15. und 16. Jahrhunderts sowie die Kunst und Literatur des 18. und 19. Jahrhunderts. Sie deckt damit große Teile dessen ab, was bereits durch den späteren Gründungsvater der Akademie, den Maler, Kunstlehrer und Sammler Lambert Krahe, als Studienmaterial für die Akademiestudenten gehortet wurde. Sie selbst studierte an der Ruhr-Universität Bochum Kunstgeschichte und Germanistik und hat an der Universität Stuttgart, der Klassik Stiftung Weimar und der Universität Lüneburg gearbeitet.
Aufsehen erregte sie mit ihrem Buch über Daniel Chodowieckis
Radierungen zu Goethes „Die Leiden des jungen Werther“, das aus ihrer Promotionsarbeit hervorgegangen ist. Der Zeichner und Kupferstecher Chodowiecki (1726–1801) war der berühmteste Illustrator der Goethe-Zeit. Seine Bildnisse zu Gedichten, Romanen und Dramen von Lessing bis Schiller beflügelten den Absatz von Goethes Büchern. Dennoch maulte der Dichterfürst über den „Handwerker, der die elendsten Sudeleien mit seinen Kupfern illuminiert“habe. Gegen solche Urteile über ein minderwertiges, zur bloßen Unterhaltung betriebenes „Handwerk“zog Schütz zu Felde und warb für die Anerkennung des Literaturbildes als eigenständige Sparte der Kunst. Dennoch wird sie keine neue Disziplin im Buchdruck eröffnen, sondern sich in die Sammlung knien, um sie kennenzulernen.
Ein Schwerpunkt der Papierarbeiten ist das 16. Jahrhundert mit großen Namen wie Raffael, Lorenzo di Credi oder Paolo Veronese. International berühmt sind vor allem die Zeichnungen des römischen Barock, die in einer unvergleichlichen Fülle vorliegen. Die inzwischen pensionierte Sonja Brink, Vorgängerin von Anna Christina Schütz, erklärt im Buch zu den Graphischen Sammlungen in NRW: „Alle bedeutenden Künstler sind mit ganzen
Konvoluten, meist mit mehreren Hundert Zeichnungen vertreten. Vergleichen lässt sich dieser Teil der Sammlung mit der königlichen Zeichnungssammlung auf Windsor Castle, dem Louvre oder dem Prado in Madrid.“Das Entstehen eines Kunstwerkes sei anschaulich nachvollziehbar, da es auch Skizzen und Studien gibt.
Dies soll zum Jubiläum der Kunstakademie im Jahr 2023 besonders akzentuiert werden, denn dann feiert die Akademie ihr 250-jähriges Bestehen, wurde sie doch 1773 durch Kurfürst Carl Theodor als Kurfürstlich Pfälzische Akademie der Maler-, Bildhauer- und Baukunst
gegründet. Zu diesem Anlass plant der Kunstpalast eine Sonderausstellung über das Produzieren von Kunst nicht nur in der Grafik, sondern auch in Gemälden und Skulpturen. Hierzu Krämer: „Die Überlegungen laufen noch, aber es könnten auch Werke sein, die es noch gar nicht gibt.“
Seit 1932 befindet sich der Bilderspeicher der Akademie als Dauerleihgabe im Haus. Es geht um rund 40.000 Kunstwerke. Der überwiegende Teil davon sind Zeichnungen und Druckgrafik, der Rest sind vor allem Werke aus der Gemäldegalerie. Der letzte Vertrag wurde Anfang 1993 geschlossen, läuft bis Ende 2022 und muss verlängert werden. Nach Auskunft von Harry Schmitz, Geschäftsführer des Kunstpalasts, regelt dieser Akademievertrag die Aufgaben des Museums. Danach gilt es, die Sammlung fachgerecht aufzubewahren, zu pflegen, gegebenenfalls zu restaurieren, zu versichern, wissenschaftlich durch eine Fachkraft zu betreuen und zu erforschen. In einem Passus wird zugleich gefordert, die Sammlung regelmäßig ins Ausstellungsprogramm aufzunehmen.