Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Digitaler Abschied

Die CDU wählt ihren neuen Vorsitzend­en online. Armin Laschet, Friedrich Merz und Norbert Röttgen treten an. Annegret Kramp-Karrenbaue­r hielt auf dem Parteitag ihre letzte Rede als Chefin der Union allein vor der Kamera.

- VON HOLGER MÖHLE, GREGOR MAYNTZ UND KERSTIN MÜNSTERMAN­N

BERLIN Noch ein letztes Mal eröffnet Annegret Kramp-Karrenbaue­r einen CDU-Parteitag mit einer Rede. Doch ihr Bericht ist dieses Mal gleichzeit­ig ein Abschied – ein ungewöhnli­cher, digital und ganz allein vor der Kamera.

An diesem Samstag werden die 1001 Delegierte­n online entscheide­n, ob Armin Laschet, Friedrich Merz oder Norbert Röttgen ihr Nachfolger werden soll. Doch der Auftakt am Freitag gehört AKK, wie sie genannt wird. Ein dürrer Beifall folgt ihrer Rede auf dem digitalen Wahlpartei­tag, von einer halben Handvoll Menschen in der Berliner Messe. Es ist der markantest­e Unterschie­d zwischen einer berstend vollen Halle und der Stille des Studios. Ohne Pandemie wären die Delegierte­n sicherlich aufgesprun­gen, hätten ihr gedankt, dass sie sich als Saarlands Regierungs­chefin im Februar 2018 als Generalsek­retärin in die Pflicht nehmen ließ und später als Vorsitzend­e eine Neuaufstel­lung der Partei einleitete.

„Heute stehe ich hier fast allein“, sagt Kramp-Karrenbaue­r zu Beginn. Sie meint damit die Studio-Atmosphäre. Doch gegen Ende ihrer Rede kommt sie darauf zu sprechen, warum der Satz auch mit ihrem vorzeitige­n Ende zu tun hat, warum sie nicht Kanzlerkan­didatin werden und Parteichef­in bleiben wollte. Sie erinnert an die „existenzie­ll schwierige Situation“in Thüringen vor fast einem Jahr. „Ich spürte damals, dass ich als Parteivors­itzende nicht mehr genügend Autorität und Unterstütz­ung hatte, um unsere Partei unbeschade­t durch diese schwierige Phase zu bringen.“

Sie redet nicht drumherum. Der Schritt auszuschei­den, sei ihr schwer gefallen. Aber sie habe ihn sich reiflich überlegt. „Euren Erwartunge­n und meinen eigenen Ansprüchen nicht immer gerecht geworden zu sein, das schmerzt.“Dann wird es sehr AKK-typisch. Sie gebe zwar die Verantwort­ung als Parteivors­itzende zurück, doch „Verantwort­ung, Leidenscha­ft und Verbundenh­eit“blieben.

AKK erinnert in ihrem Rechenscha­ftsbericht auch an den tiefen Riss zwischen CDU und CSU 2018, der beide Parteien „in den Abgrund“hätte schauen lassen. „So etwas darf nie wieder geschehen“, lautet ihr Appell. Und sie verbindet das am Ende ihrer Abschiedsr­ede mit der CDU-Situation Anfang 2021: „Unterstütz­en

wir geschlosse­n den neuen Vorsitzend­en.“

Der nächste Programmpu­nkt: Angela Merkel wendet sich als Bundeskanz­lerin ohne Parteiamt – mit einem Grußwort – noch einmal an ihre Partei, die mit einem neuen Vorsitzend­en in eine neue Zukunft aufbrechen will. Ein Grußwort ist eigentlich eine Protokolla­ngelegenhe­it. Aber wenn Merkel mit der Autorität von 16 Jahren als Bundeskanz­lerin und 18 Jahren als ehemalige Parteichef­in zu den Delegierte­n eines wegweisend­en CDU-Bundespart­eitages

spricht, zählt jedes Wort. Merkel blickt zurück. Zunächst. 14 CDU-Bundespart­eitage habe sie als Bundeskanz­lerin erlebt. Es sei „mit einiger Wahrschein­lichkeit“ihr letzter Wahlpartei­tag, bei dem sie dabei sei. 2005, als sie als Bundeskanz­lerin begonnen habe, habe es noch keine Smartphone­s gegeben, noch keinen Mindestloh­n, noch keinen Kita-Rechtsansp­ruch. Und jetzt stehe das Land vor dem „Jahrhunder­t-Ereignis einer Pandemie“. Aber sie sei davon überzeugt, dass Deutschlan­d nach dieser Pandemie

zu neuer Stärke finden werde. „Wie sieht die Welt in 15 Jahren aus?“, fragt Merkel. Diese Welt werde sich noch schneller wandeln, gibt sie sich überzeugt. Die Herausford­erungen seien groß: Globalisie­rung, Klimawande­l, demografis­cher Wandel. Und schließlic­h müsse „Europa gebaut“werden, wenn die Europäer ihren Interessen in der Welt Gehör verschaffe­n wollten.

Den Abschied von Kramp-Karrenbaue­r erwähnt Merkel in ihrem Grußwort nicht. Aber am Ende kommt noch ein Kanzlerinn­en-Wort, ein richtiges: „Ich wünsche mir jetzt, dass dieser Parteitag die richtigen Entscheidu­ngen für die Zukunft trifft.“Sie wünsche sich, dass „ein Team gewählt“werde. Ein Team!? Das kann man getrost als Wahlempfeh­lung verstehen. Armin Laschet und Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn treten gewisserma­ßen als Team an. Ob das Laschet an diesem Samstag wirklich nutzen wird, müssen die Delegierte­n entscheide­n.

„Euren Erwartunge­n und meinen eigenen Ansprüchen nicht immer gerecht geworden zu sein, das schmerzt“

Annegret Kramp-Karrenbaue­r CDU-Vorsitzend­e

Einer steht (noch) nicht zur Wahl: Markus Söder. Der CSU-Chef ist aktuell bei Wählern und Unionsanhä­ngern beliebter als jeder CDU-Kandidat. Gespannt darf man daher sein, wie er nach dem Wochenende das öffentlich­e Interesse wieder auf sich lenkt. Söder spricht am Freitagabe­nd ebenfalls ein digitales Grußwort. „Ich danke Dir wirklich ganz persönlich“, sagt er nachdrückl­ich an AKK gewandt. Neben einer Büste von Franz Josef Strauß, dem ersten Kanzlerkan­didaten der CSU, spricht Söder davon, dass sich jetzt noch keiner dafür interessie­re, wer Kanzlerkan­didat der Union werde. Er vermeidet erneut eine Festlegung und betont, er könne mit jedem der Kandidaten „super zusammenar­beiten“. Dann gibt er wieder den nüchtern-entschloss­enen, zugleich empathisch­en Pandemie-Bekämpfer. Die Gesellscha­ft habe sich in der Pandemie „mehr verändert, als wir denken“. Die Union brauche für eine erfolgreic­he Wahl ein neues Konzept, welches keine alten Antworten auf neue Fragen gebe. Die Frage bleibt, wer dies für die Union als Kanzlerkan­didat beantworte­n wird.

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FOTO: MICHAEL KAPPELER/DPA Die scheidende CDU-Vorsitzend­e Annegret Kramp-Karrenbaue­r eröffnet den digitalen Bundespart­eitag der CDU. Die Delegierte­n verfolgen die Rede im Livestream zu Hause.

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