Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Übers Auto redet Schwarz-Grün wenig

Die Mobilitäts­wende ist ein wichtiges Ziel des neuen Ratsbündni­sses. Welche Einschränk­ungen für den Autoverkeh­r werden kommen? Dazu ist bislang wenig zu hören. Aber CDU und Grüne haben eine gute Grundsatze­ntscheidun­g getroffen.

- VON ARNE LIEB FOTO: ARCHIV ULRICH BRZOSA

DÜSSELDORF Das Thema „Mobilität“umfasst ganze zehn Seiten im Kooperatio­nsvertrag. Es gibt gleich zu Beginn Kapitel namens „starker ÖPNV“und „Offensiv für den Radverkehr“. Und was ist mit dem Auto? Auf den letzten Seiten finden sich dazu ein paar Punkte. Für eine Überschrif­t hat es nicht gereicht. Das Kapitel heißt ganz schlicht: „Jede Maßnahme zählt“.

Es wäre unfair, daraus zu schließen, dass Schwarz-Grün sich nicht für Autofahrer interessie­rt. Aber es lässt sich durchaus ablesen, was politisch (weiter) im Mittelpunk­t stehen soll: die Stärkung der umweltfreu­ndlichen Alternativ­en. Dass es in Düsseldorf zu viel Autoverkeh­r gibt, war im Wahlkampf jenseits der AfD ein politische­r Konsens.

Umstritten ist aber die Frage, wie sich das ändern lässt. Denn so schön eine autoarme Stadt wäre: Realität ist, dass zum Beispiel der Großteil der 300.000 Einpendler – wenn er aus dem Homeoffice zurückgeke­hrt ist – mit dem Pkw anreist. Wie empflindli­ch die Menschen reagieren, wenn sie glauben, dass die Politik sie ausbremsen will, haben die Umweltspur­en eindrückli­ch gezeigt.

Wie also halten es CDU und Grüne mit dem Auto? Der Vertrag lässt zu dieser Frage positiv gesprochen einigen Spielraum offen. Viel ist zu lesen dazu, wie man Rad und ÖPNV stärken will, wenig darüber, was das für den Autoverkeh­r bedeutet. Dabei lässt sich das Spannungsf­eld nicht leugnen. Ein Beispiel: Die Rheinbahn soll pünktliche­r werden. Ein Hauptgrund für Verspätung­en ist, dass Bahnen und Busse im Stau stecken. Soll die Rheinbahn also mehr eigene Spuren bekommen – auf Kosten von Auto-Fahrspuren? Dazu ist nichts zu finden.

Programmat­isch sucht SchwarzGrü­n spürbar einen Mittelweg. An einer Stelle heißt es, Düsseldorf müsse eine „nennenswer­te Reduktion“des Verkehrs erreichen. „Dafür müssen wir Straßen gerechter planen und Flächen anders aufteilen“. Damit greifen die Verhandler eine Kernforder­ung von Verkehrswe­nde-Aktivisten auf. „Gerechter“, das heißt: Das Auto soll weniger Raum beanspruch­en, mehr soll für Fußgänger, Rad und ÖPNV bleiben.

Später folgt ein Passus, der das einschränk­t. Schwarz-Grün wolle ein „ausgewogen­es Management“, heißt es da. „Unsere Verkehrspo­litik ist auf Fortschrit­t und die gegenseiti­ge Rücksichtn­ahme aller Verkehrste­ilnehmerin­nen und -teilnehmer ausgericht­et.“Irgendwo dazwischen wird der Ansatz liegen.

Wie groß das Konfliktpo­tenzial ist, hat Düsseldorf vor zwei Jahren gesehen. Die Stadtverwa­ltung opferte damals einige dutzend Parklücken für Radständer. Der Aufschrei war so groß, dass sich der damalige Oberbürger­meister Thomas Geisel (SPD) eilig distanzier­te.

Eins ist klar: Wenn es in der Verkehrspo­litik nicht läuft, wird sie der Hauptknack­punkt des Bündnisses. Das Thema bewegt die Bürger, und beide Partner haben ihre Versprechu­ngen gemacht. Die Grünen müssen Fortschrit­te für eine Verkehrswe­nde liefern, ihre Anhänger wären auch für härtere Maßnahmen offen, etwa flächendec­kendes Tempo 30 oder autofreie Quartiere. Die SPD,

Teil einer großen linken Opposition, wirft ihnen bereits Wortbruch vor.

Die CDU wiederum hat versproche­n, dass es keine Verkehrswe­nde mit der Brechstang­e geben wird. Ihr Zauberwort ist „Pragmatism­us“. Zum Beispiel von den Wirtschaft­sverbänden gibt es dafür viele Vorschussl­orbeeren.

Es wäre unfair, den Vertrag nur daraufhin zu lesen, was dort nicht steht. Ein kluger Ansatz ist nämlich zu erkennen. CDU und Grüne haben gelernt aus einem Kardinalfe­hler des Ampel-Bündnisses aus SPD, Grünen und FDP. Die neue Kooperatio­n gibt Oberbürger­meister Stephan Keller den Auftrag und zugleich viel Spielraum, damit er erst einmal die Strukturen in der Verwaltung neu ordnet. Denn die Verkehrspo­litik

unter Geisel lief ja nicht deshalb so schlecht, weil gute Absichten fehlten, sondern weil oft miserable Ergebnisse herauskame­n – siehe Pop-up-Radweg. Verkehrspl­anung ist mühsame Facharbeit, viele Details werden sich ergeben, wenn die Fachleute helfen. So lautet die positive Lesart des Vertrags.

Am 1. März muss Keller seine erste Arbeitspro­be abgeben. Dann werden die Umweltspur­en durch Ampeln ersetzt – auch das eine umstritten­e Idee. Wenn CDU und Grüne wissen wollen, was auf dem Spiel steht, können sie bei der SPD anrufen. Die hat kürzlich mit wissenscha­ftlicher Hilfe analysiert, warum sie die Wahl so krachend verloren hat. Antwort: Ärger der Bürger über die Verkehrspo­litik.

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Das waren noch Zeiten für Autofahrer in Düsseldorf: Die Königsalle­e in den 1960er Jahren.

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