Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Übers Auto redet Schwarz-Grün wenig
Die Mobilitätswende ist ein wichtiges Ziel des neuen Ratsbündnisses. Welche Einschränkungen für den Autoverkehr werden kommen? Dazu ist bislang wenig zu hören. Aber CDU und Grüne haben eine gute Grundsatzentscheidung getroffen.
DÜSSELDORF Das Thema „Mobilität“umfasst ganze zehn Seiten im Kooperationsvertrag. Es gibt gleich zu Beginn Kapitel namens „starker ÖPNV“und „Offensiv für den Radverkehr“. Und was ist mit dem Auto? Auf den letzten Seiten finden sich dazu ein paar Punkte. Für eine Überschrift hat es nicht gereicht. Das Kapitel heißt ganz schlicht: „Jede Maßnahme zählt“.
Es wäre unfair, daraus zu schließen, dass Schwarz-Grün sich nicht für Autofahrer interessiert. Aber es lässt sich durchaus ablesen, was politisch (weiter) im Mittelpunkt stehen soll: die Stärkung der umweltfreundlichen Alternativen. Dass es in Düsseldorf zu viel Autoverkehr gibt, war im Wahlkampf jenseits der AfD ein politischer Konsens.
Umstritten ist aber die Frage, wie sich das ändern lässt. Denn so schön eine autoarme Stadt wäre: Realität ist, dass zum Beispiel der Großteil der 300.000 Einpendler – wenn er aus dem Homeoffice zurückgekehrt ist – mit dem Pkw anreist. Wie empflindlich die Menschen reagieren, wenn sie glauben, dass die Politik sie ausbremsen will, haben die Umweltspuren eindrücklich gezeigt.
Wie also halten es CDU und Grüne mit dem Auto? Der Vertrag lässt zu dieser Frage positiv gesprochen einigen Spielraum offen. Viel ist zu lesen dazu, wie man Rad und ÖPNV stärken will, wenig darüber, was das für den Autoverkehr bedeutet. Dabei lässt sich das Spannungsfeld nicht leugnen. Ein Beispiel: Die Rheinbahn soll pünktlicher werden. Ein Hauptgrund für Verspätungen ist, dass Bahnen und Busse im Stau stecken. Soll die Rheinbahn also mehr eigene Spuren bekommen – auf Kosten von Auto-Fahrspuren? Dazu ist nichts zu finden.
Programmatisch sucht SchwarzGrün spürbar einen Mittelweg. An einer Stelle heißt es, Düsseldorf müsse eine „nennenswerte Reduktion“des Verkehrs erreichen. „Dafür müssen wir Straßen gerechter planen und Flächen anders aufteilen“. Damit greifen die Verhandler eine Kernforderung von Verkehrswende-Aktivisten auf. „Gerechter“, das heißt: Das Auto soll weniger Raum beanspruchen, mehr soll für Fußgänger, Rad und ÖPNV bleiben.
Später folgt ein Passus, der das einschränkt. Schwarz-Grün wolle ein „ausgewogenes Management“, heißt es da. „Unsere Verkehrspolitik ist auf Fortschritt und die gegenseitige Rücksichtnahme aller Verkehrsteilnehmerinnen und -teilnehmer ausgerichtet.“Irgendwo dazwischen wird der Ansatz liegen.
Wie groß das Konfliktpotenzial ist, hat Düsseldorf vor zwei Jahren gesehen. Die Stadtverwaltung opferte damals einige dutzend Parklücken für Radständer. Der Aufschrei war so groß, dass sich der damalige Oberbürgermeister Thomas Geisel (SPD) eilig distanzierte.
Eins ist klar: Wenn es in der Verkehrspolitik nicht läuft, wird sie der Hauptknackpunkt des Bündnisses. Das Thema bewegt die Bürger, und beide Partner haben ihre Versprechungen gemacht. Die Grünen müssen Fortschritte für eine Verkehrswende liefern, ihre Anhänger wären auch für härtere Maßnahmen offen, etwa flächendeckendes Tempo 30 oder autofreie Quartiere. Die SPD,
Teil einer großen linken Opposition, wirft ihnen bereits Wortbruch vor.
Die CDU wiederum hat versprochen, dass es keine Verkehrswende mit der Brechstange geben wird. Ihr Zauberwort ist „Pragmatismus“. Zum Beispiel von den Wirtschaftsverbänden gibt es dafür viele Vorschusslorbeeren.
Es wäre unfair, den Vertrag nur daraufhin zu lesen, was dort nicht steht. Ein kluger Ansatz ist nämlich zu erkennen. CDU und Grüne haben gelernt aus einem Kardinalfehler des Ampel-Bündnisses aus SPD, Grünen und FDP. Die neue Kooperation gibt Oberbürgermeister Stephan Keller den Auftrag und zugleich viel Spielraum, damit er erst einmal die Strukturen in der Verwaltung neu ordnet. Denn die Verkehrspolitik
unter Geisel lief ja nicht deshalb so schlecht, weil gute Absichten fehlten, sondern weil oft miserable Ergebnisse herauskamen – siehe Pop-up-Radweg. Verkehrsplanung ist mühsame Facharbeit, viele Details werden sich ergeben, wenn die Fachleute helfen. So lautet die positive Lesart des Vertrags.
Am 1. März muss Keller seine erste Arbeitsprobe abgeben. Dann werden die Umweltspuren durch Ampeln ersetzt – auch das eine umstrittene Idee. Wenn CDU und Grüne wissen wollen, was auf dem Spiel steht, können sie bei der SPD anrufen. Die hat kürzlich mit wissenschaftlicher Hilfe analysiert, warum sie die Wahl so krachend verloren hat. Antwort: Ärger der Bürger über die Verkehrspolitik.