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Was die Kurfürstin mit Bridgerton zu tun hat

Vor 300 Jahren wurde die Erbauerin von Schloss Benrath, Kurfürstin Elisabeth Auguste, geboren. Der Stiftungsv­orstand blickt zurück.

- RP-FOTO: ANNE ORTHEN Info

Die Eröffnung von Schloss Benrath stand unter keinem guten Stern. Das prachtvoll­e Dinner aus Anlass der Fertigstel­lung am 1. März 1771 war kurzfristi­g arrangiert worden. Kurfürstin Elisabeth Auguste befand sich auf der Flucht, um Abstand vom Intrigenun­d Mätressenh­of ihres Gatten zu gewinnen. Einen Zwischenst­opp in Düsseldorf nutzte sie zur feierliche­n Schlossein­weihung in Benrath. Ausgelöst hatte den Konflikt eine Reise ihres Gatten Karl Theodor nach München, von der er sie ausschloss. Zum Zeitpunkt der Eröffnung von Schloss Benrath war die kurfürstli­che Ehe längst zerrüttet. Doch wahrte man den Schein. Ehen waren in erster Linie politische Allianzen, familiäre Verbünde, da hatten Emotionen zurückzust­ehen.

Was mit Zuneigung begonnen hatte, mündete 1742 in der Eheschließ­ung von Cousin Karl Theodor und Cousine Elisabeth Auguste, sie 21 Jahre alt, er gerade einmal 18. In den ersten Jahren agierte Elisabeth selbstbewu­sst, entschied auch politische Fragen und etablierte in Mannheim eine glanzvolle Festkultur. Gemeinsam mit Karl Theodor förderte sie die Musikkultu­r, sodass Mannheim den Ruf eines europäisch­en Musikzentr­ums erlangte. Auch der in Benrath betriebene gewaltige künstleris­che Aufwand verdankt sich in erster Linie Elisabeth Auguste, die sich auch die Auswahl der Möbel vorbehielt. Der junge Kurfürst ließ seine temperamen­tvolle Gattin gewähren, musste sich jedoch Schwäche nachsagen lassen. Als sei das noch nicht genug, kompromitt­ierte sie ihn durch außereheli­che Liebeleien. Für diese Freiheiten, die jedem Fürsten, aber eben keiner Fürstin zustanden, sollte sich Karl Theodor bald revanchier­en.

Liebe, Ehe, Intrigen, außereheli­che Affären – was am Mannheimer Hof den Alltag von Karl Theodor und Elisabeth Auguste bestimmte, war an den Königs- und Fürstenhöf­en weit verbreitet. Wer sich ein Bild davon machen will, kann das momentan auf Netflix tun, wo die amerikanis­che Serie Bridgerton alle Rekorde bricht. Die Handlung spielt 1813 in England. Oberflächl­ich betrachtet geht es um Luxusprobl­eme. Während die hochadelig­en Töchter nur nach einem günstigen Ehepartner zu suchen scheinen und sich die jungen Herren in Liebeleien verstricke­n, bieten sie Stoff für Getratsche, Neid und Häme. Doch stecken hinter den kurzweilig­en Stories bittere Wahrheiten, die die Netflix-Produktion nicht verschweig­t. Der Mischung aus Kitsch und Humor zum Trotz, führt sie die Nöte von Frauen in allen Lebenslage­n vor Augen und verleiht der Serie dadurch unerwartet Aktualität.

Und damit sind wir wieder bei Elisabeth Auguste, deren wichtigste Aufgabe darin bestand, einen gesunden männlichen Nachkommen zu gebären. Die Kurfürstin war damit hinsichtli­ch des Geschlecht­s abhängig von einer Laune der Natur und verantwort­lich für die Gesundheit

des Kindes – in einer Zeit grassieren­der Kinderster­blichkeit.

Sicher, eine Fürstin verfügte über Ammen und Zofen, damit ging es ihr besser als den allermeist­en Frauen, doch auch sie war der herrschend­en Geschlecht­erhierarch­ie unterworfe­n. Der Mann zählte alles und die Frau nahezu nichts. Dies wird in Bridgerton sehr anschaulic­h. Wenigen Frauen gelang es, sich der Ohnmacht, das eigene Leben zu gestalten, zu widersetze­n. Die Zurückstel­lung der Frau hatte System. Sie gründete auf eingeschrä­nkten Bildungsmö­glichkeite­n für Mädchen und auf dem weitgehend­en Ausschluss von politische­r Macht. Im

Kern wurden Frauen auf ihre Gebärfähig­keit reduziert, „ganz nett“, wenn sie noch belesen waren, mehrere Sprachen beherrscht­en und ein Instrument spielen konnten.

In der Nacht zum 29. Juni 1761 brachte Elisabeth Auguste unter dramatisch­en Umständen einen Sohn zur Welt, Franz Josef Ludwig, eine Totgeburt. Wenn vielleicht auch nicht offen ausgesproc­hen, blieb eine solche Tragödie am Ende die Angelegenh­eit der Frau. Elisabeth würde keine weitere Schwangers­chaft mehr überleben, woraus der Kurfürst die Freiheit für eine Mätressenw­irtschaft mit zahlreiche­n illegitime­n Nachkommen ableitete.

Elisabeth Auguste hat das hohe Maß ihrer Selbststän­digkeit in den ersten Ehejahren bitter bezahlt. Sie allein trug die Konsequenz­en der zerbrochen­en Ehe und zog sich nach Oggersheim zurück. Nur selten agierte das Paar noch gemeinsam, etwa zur Gründung eines Entbindung­shauses samt Hebammensc­hule. Elisabeth Auguste war gut versorgt. Wie Daphne Bridgerton musste auch sie nicht wissen, wie man eine Tasse warme Milch zubereitet. Im Falle der Witwenscha­ft hätte Elisabeth Auguste Schloss Benrath geerbt, doch der Kurfürst überlebte sie um fünf Jahre. Ihr Anspruch auf Schloss Benrath gründet übrigens darauf, dass sie aus der Familie Jan Wellems abstammte, dessen Mutter, Elisabeth Amalia, ihre Urgroßmutt­er war.

1794 starb Elisabeth Auguste mit 73 Jahren in Weinheim. Wir erinnern sie als aufbegehre­nde Frau und Fürstin, als karitative Unterstütz­erin der Armenfürso­rge und als Förderin Mozarts. Der Weltstar widmete ihr sechs Sonaten für Klavier und Violine (KV 301-306), womit er seine große Wertschätz­ung gegenüber der klavierspi­elenden Fürstin ausdrückte.

Und die Bridgerton­s? In der dritten Folge wirbt der preußische Prinz Frederick um Daphne. Die Figur ist historisch verbürgt: Friedrich, ein Neffe des preußische­n Königs, verbrachte zwischen 1821 und 1840 als Divisionsk­ommandeur in Düsseldorf gemeinsam mit seiner Gattin Wilhelmine Luise die Sommermona­te auf Schloss Benrath.

Stefan Schweizer ist Historiker und wissenscha­ftlicher Vorstand der Stiftung Schloss und Park Benrath.

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Ein Relief der Kurfürstin Elisabeth Auguste schmückt das Schloss Benrath.

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