Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Die Bühne ist ein Ort, der in Kunst und Diskurs kontroverse Gedanken und Weltsichten ausstellen kann
israelkritische Positionen geäußert haben. Wir wollen nicht israelische Künstlerinnen und Künstler sowie Freundinnen und Freunde kritisch zu ihrem Engagement in ihrem eigenen Land befragen müssen.
Nach unserer Erfahrung und Kenntnis geht es bei dieser Auseinandersetzung durchaus auch um einen vehementen innerjüdischen und innerisraelischen Dialog. Wir finden es absurd, wenn ihrem Staat gegenüber kritische jüdische Künstlerinnen und Künstler aus Israel in Deutschland des Antisemitismus bezichtigt werden und das durchaus Konsequenzen im öffentlichen Handeln hat. Wir konzedieren, dass Künstlerinnen und Künstler aus afrikanischen Ländern oder aus der arabischen Welt andere historische und gegenwartspolitische Erfahrungen und Perspektiven haben. Wir beharren darauf, dass die Bühne kein Ort politischer Propaganda und Werbung ist, sehr wohl aber ein Ort, der in Kunst und Diskurs kontroverse Gedanken und Weltsichten ausstellen kann.
Seit vielen Jahrhunderten verhandelt die Gesellschaft auf den Bühnen dieser Welt Täterschaft und gibt den Opfern der Geschichte und vieler individueller Geschichten den größten öffentlichen Raum. Wir weigern
Wir wollen offene Diskursräume, in denen kontrovers und auf Augenhöhe argumentiert wird uns, in der Kunst verschiedene Geschichten von Opfern, Ausgebeuteten, Geschlagenen, Gefolterten konkurrierend und wertend gegeneinanderzustellen. Selbstverständlich hat das Reden und künstlerische Handeln über die Shoa, sehr wohl als spezifische und einmalige historische Situation, genauso Raum wie die Beschäftigung mit dem Kolonialismus oder mit jeglicher Form individueller und organisierter Aggression und Gewalt. Kunst besteht – vielleicht im Gegensatz zur Politik – nicht darauf, recht zu haben. Zu ihr gehört ganz genuin eine Welt der Vielfalt, der Subjektivität, gehört die Idee wie die Emotion. Und aus der Erfahrung der deutschen Geschichte ist das im Grundgesetz ganz ausdrücklich so verankert.
Wir, Bettina Masuch, Kathrin Tiedemann und Wilfried Schulz, die wir mit unseren künstlerischen Institutionen und unserer Theaterarbeit der letzten Jahre für die Internationalität Düsseldorfs und für unzählige Projekte mit vielen gesellschaftlich relevanten Kooperationspartnerinnen und -partnern stehen, die die Schuld deutscher Vergangenheit reflektieren und offene Wege in die Zukunft künstlerisch suchen, stellen uns gerne jedem Gespräch. Wir sind Bündnispartnerinnen und -partner im Kampf gegen den Antisemitismus und wissen um die Vielfalt des zeitgenössischen jüdischen Lebens. Das prägt unsere Programme. Wir betrachten die kritische und engagierte Auseinandersetzung mit Antisemitismus, Nationalismus, Populismus, Rassismus und Genderungerechtigkeit als unsere fundamentale Aufgabe. Dies als öffentliche Institutionen, die der Toleranz, der Empathie, dem Diskurs und der Freiheit der Kunst verpflichtet sind – Werten, für die wir auch persönlich mit unseren Biografien und unserer Lebenspraxis zu stehen versuchen.
Das Plädoyer versucht über eine Sorge zu berichten, nämlich die der Ausgrenzung vieler internationaler Stimmen aus dem Dialog, der in den öffentlichen und liberalen Orten der Kunst und der Kultur geführt wird. Auch unsere Theater sind für diesen Dialog zuständig und haben, so denken wir, vom Staat und seinen Bürgerinnen und Bürgern hierfür den Auftrag bekommen. Und wir freuen uns, dass das Gespräch und das Handeln begonnen haben. Felix Klein, der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, hatte ein mittlerweile vorliegendes Gutachten zum BDS-Beschluss des Deutschen Bundestages in Auftrag gegeben, das sich erhellend liest. Er selbst resümiert:
Dieses Gutachten „räumt das größte Missverständnis schon einmal aus: nämlich, dass der BDS-Beschluss eine Eingriffsberechtigung in die Tätigkeit von Kulturinstitutionen wäre“.
Man spricht miteinander. Klar, argumentativ und hoffentlich ohne diskriminierende Unterstellungen. Ein selbstverständlicher demokratischer Prozess. Was kann in diesen schwierigen Zeiten Besseres geschehen.