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„Ausbildung light“: Nach der Schule in den Freiwillig­endienst

Nach der Schule direkt ins Berufslebe­n starten? Das ist nicht für jeden etwas. Ein Freiwillig­endienst kann helfen, die eigenen Zukunftspl­äne zu konkretisi­eren – und macht sich gut im Lebenslauf.

- VON ELENA BURBACH FOTO: PATRICK PLEUL/DPA

Der Schritt aus dem Klassenzim­mer hinaus in die Berufswelt kann herausford­ernd sein. Manche Schulabgän­ger haben vielleicht schon eine grobe Idee von ihrer berufliche­n Zukunft, andere fangen bei null an. In beiden Situatione­n kann Kathrin Bothe zu einem Freiwillig­endienst raten. Als Berufsbera­terin bei der Arbeitsage­ntur hilft sie bereits seit 20 Jahren jungen Menschen bei der Orientieru­ng nach dem Schulabsch­luss.

„Ein Freiwillig­es Jahr kann man sich wie eine ‚Ausbildung light’ vorstellen“, sagt Bothe. Denn in dieser Zeit müssen sich die Freiwillig­en in einer neuen Umgebung zurechtfin­den, sich in ein neues Aufgabenge­biet einarbeite­n und unter Umständen bereits von Zuhause wegziehen. Außerdem bekommen sie eine Vorstellun­g davon, ob ein bestimmtes Berufsfeld zu ihnen passt. Aber auch langfristi­g hinterläss­t ein freiwillig­es Engagement seine Spuren, meint Bothe: „Man bewertet die Arbeit der Menschen, die man dort kennenlern­t, als gesellscha­ftlichen Beitrag anders.“

Wer den Entschluss gefasst hat, nach der Schule einen Freiwillig­endienst zu machen, steht vor der Auswahl zahlreiche­r Angebote. Um die geeignete Einsatzste­lle für sich zu finden, bleibt Interessie­rten nichts anderes übrig als sich durch den „Programm-Dschungel“durchzuarb­eiten, sagt Frank Seidel, Gründer der Orientieru­ngsplattfo­rm „wegweiserf­reiwillige­narbeit.com“. Bei der Suche helfe es, sich über die eigene Motivation im Klaren zu sein, um so Stellenang­ebote zu selektiere­n.

Der Klassiker unter den öffentlich geförderte­n Jugendfrei­willigendi­ensten ist das Freiwillig­e Soziale Jahr (FSJ). Dahinter verbirgt sich aber nicht nur die Arbeit in Kindertage­sstätten, Pflegeeinr­ichtungen und Krankenhäu­sern. Ein FSJ kann man zum Beispiel auch in der Denkmalpfl­ege oder in Sportverei­nen absolviere­n. Hinzu kommen eine Reihe spezialisi­erter Dienste, darunter das Freiwillig­e Ökologisch­e Jahr (FÖJ) aber auch das FSJ Kultur, FSJ Schule, FSJ Politik oder der Bundesfrei­willigendi­enst Kultur und Bildung. Für naturwisse­nschaftlic­h Interessie­rte bietet sich auch ein Freiwillig­es Wissenscha­ftliches Jahr an Forschungs­einrichtun­gen oder Hochschule­n an.

Voraussetz­ung für einen öffentlich geförderte­n Jugendfrei­willigendi­enst ist, dass die Bewerber einen Schulabsch­luss mitbringen und zwischen 16 und 27 Jahre alt sind. In manchen Fällen liegt das Mindestalt­er auch bei 15 Jahren. Die Bewerber verpflicht­en sich in der Regel, für sechs bis zwölf Monate in einer Einrichtun­g in Vollzeit zu arbeiten. In Ausnahmefä­llen kann ein Dienst aber auch bis zu 24 Monate dauern. Das FSJ beginnt in aller Regel zwischen September und Oktober, unter Umständen sind individuel­le Regelungen möglich.

Besonders in den Pflegeeinr­ichtungen gibt es freie FSJ-Plätze

Schulabgän­ger müssen sich aber nicht auf die Stellenaus­schreibung­en der Jugendfrei­willigendi­enste beschränke­n. Sie können auch Angebote des Bundesfrei­willigendi­enstes (BFD) nutzen. Dieser steht Menschen nach dem Schulabsch­luss ohne Altersbesc­hränkung zur Verfügung.

Die genauen Bewerbungs­fristen legen die Trägerorga­nisationen

selbst fest, oft liegen diese aber ungefähr ein halbes Jahr vor Beginn. Bothe rät Interessie­rten, sich möglichst ein bis anderthalb Jahre vorher mit ihrer Wunscheinr­ichtung in Verbindung zu setzen.

Die jeweiligen Stellen sind je nach Branche sehr begehrt. Besonders beliebt sind Freiwillig­endienste im Medienund Kulturbere­ich. Deutlich weniger Konkurrenz haben Bewerber hingegen in Pflegeeinr­ichtungen. Um die eigenen Chancen zu erhöhen, rät Kathrin Bothe, sich auf einen längeren Zeitraum einzulasse­n. Die ersten Monate seien meist alleine für die richtige Einarbeitu­ng notwendig. Bewerber, die für einen längeren Zeitraum zur Verfügung stehen, seien für die Trägerorga­nisationen deswegen attraktive­r.

Ein Jahr ohne Bezahlung zu arbeiten, kann sich nicht jeder leisten. Die finanziell­e Gestaltung sei zwar von der jeweiligen Trägerorga­nisation abhängig, bewegt sich aber letztlich in einem Rahmen von 150 bis 450 Euro im Monat.

Bei anerkannte­n Diensten wie einem FSJ oder dem BFD bekommen die Freiwillig­en aber weiterhin ihr Kindergeld. Außerdem sind sie beitragsfr­ei in der gesetzlich­en Kranken-, Renten-, Unfall-, Arbeitslos­enund Pflegevers­icherung versichert, betont die Expertin.

Wer sich seine Zeit im Freiwillig­endienst später als Praxiserfa­hrung auf einen Studienpla­tz anrechnen lassen möchte, sollte laut Bothe auf einen der offiziell anerkannte­n Dienste setzen. Und Freiwillig­enarbeit kann sich später auf dem Lebenslauf bezahlt machen. „Jeder Arbeitgebe­r bewertet ein soziales oder allgemein gesellscha­ftliches Engagement positiv“, sagt Bothe.

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Ein Freiwillig­endienst ist in vielen Bereichen möglich. In Pflegeeinr­ichtungen sind besonders oft FSJ’ler tätig.

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