Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Eisiger Ost-Wind
Die deutsch-russischen Beziehungen sind so angespannt wie lange nicht. Die jüngste Verhaftung und Verurteilung von Alexej Nawalny belastet sie zusätzlich. Dieser bezeichnet das Vorgehen gegen ihn als „Gipfel der Rechtlosigkeit“.
BERLIN Heiko Maas ist an diesem Morgen auf dem Weg zu einem schwierigen Partner. Gleich steigt er in den Regierungsflieger, der ihn nach Ankara bringt, wo er mit seinem türkischen Amtskollegen Mevlüt Cavusoglu über die angespannten EU-Türkei-Beziehungen nach dem Streit mit dem Nachbar Griechenland über Gasvorkommen im östlichen Mittelmeer sprechen will.
Aber vorher muss der deutsche Außenminister noch etwas zu einem anderen, mindestens ebenso schwierigen Verhandlungspartner auf der strategischen Landkarte loswerden: Russland. Tags zuvor hatte die russische Justiz den von Berlin nach Moskau zurückgekehrten Oppositionspolitiker Alexej Nawalny kurz nach seiner Ankunft auf dem Flughafen Scheremetjewo festgenommen, weil er angeblich gegen Auflagen einer fünfjährigen Bewährungsstrafe verstoßen haben soll.
Außenminister Maas betont, Nawalny sei nach seiner Genesung in Berlin von den Folgen eines Giftanschlags gegen ihn in Russland „aus eigenen Stücken und bewusst zurückgekehrt nach Russland, weil er dort seine persönliche und politische Heimat sieht“. Seine Verhaftung
am Flughafen: „völlig unverständlich“. Russland sei durch seine eigene Verfassung wie auch durch internationale Verpflichtungen an das Prinzip der Rechtstaatlichkeit und an den Schutz der Bürgerrechte gebunden. Maas fordert, Nawalny müsse „unverzüglich freigelassen“werden.
Auch Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer schickt an diesem Tag nach der Verhaftung Nawalnys eine eindeutige Botschaft nach Moskau. „Mit der Verhaftung
Nawalnys vertauscht die russische Führung zynisch Täter und Opfer.“Wie Maas fordert auch Kramp-Karrenbauer die sofortige Freilassung von Nawalny. Mehr noch: Die Verantwortlichen für die Vergiftung des Oppositionspolitikers müssten zur Rechenschaft gezogen werden.
Für den Russland-Beauftragten der Bundesregierung, Johann Saathoff (CDU), ist dies „nicht nur eine bilaterale Angelegenheit“. Weil es um Menschenrechte und um einen der führenden Oppositionspolitiker
in Russland geht, sei es „auch eine Angelegenheit der Staatengemeinschaft“. Grünen-Außenpolitiker Omid Nouripour ist für einen harten Kurs gegenüber Moskau. Nach der Verhaftung von Nawalny erteilt er jeglichen Überlegungen für ein Ende der EU-Sanktionen gegen Russland eine Absage. Nouripour sagte unserer Redaktion: „Die panische Reaktion des Kremls auf die schiere Anwesenheit Nawalnys in Moskau zeigt, wie absurd die Debatte über die Beendigung der Sanktionen
sind.“Der außenpolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion forderte zudem klare Worte aus Berlin. „Die Bundesregierung muss klarmachen, dass gerade nach dem Mordanschlag und der Verhaftung nun der Kreml die gesamte Verantwortung für Nawalnys Sicherheit trägt. Er muss sofort freigelassen werden.“Nouripour nannte die Entscheidung Nawalnys, in seine Heimat zurückzukehren „gefährlich und sehr mutig“. Der Oppositionspolitiker sei zurückgekehrt, „weil er das Gefühl hat, seine politische Arbeit aus dem Exil heraus nicht ausreichend machen zu können“.
Die deutsch-russischen Beziehungen sind wegen Nawalny und dem russischen Giftanschlag so angespannt wie lange nicht mehr. Zuletzt hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin über die Frage telefoniert, ob und wie beide Länder bei der Impfstoffproduktion gegen die Corona-Pandemie zusammenarbeiten könnten. Doch die jüngste Verhaftung Nawalnys und dessen Verurteilung zu einer 30-Tage-Haftstrafe dürfte das Verhältnis weiter belasten. Der Oppositionspolitiker selbst bezeichnete das Vorgehen in Moskau gegen ihn als „Gipfel der Rechtlosigkeit“.