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Australien taugt kaum als Vorbild für Europa

- VON BARBARA BARKHAUSEN

Das Land fährt in der Corona-Pandemie einen rigiden Kurs, welcher der Bevölkerun­g viel abverlangt.

MELBOURNE Die Wirtschaft komplett herunterfa­hren, Jobs ins Homeoffice verlagern, das Haus nur noch aus lebensnotw­endigen Gründen verlassen sowie eine strenge Maskenpfli­cht – in Melbourne hat dies über den Winter auf der Südhalbkug­el eine zweite Covid-19-Welle erfolgreic­h eingedämmt. Inzwischen hat die zweitgrößt­e Metropole Australien­s das Virus gut im Griff, Tage mit null Neuinfekti­onen – als sogenannte Donut-Tage bekannt – sind keine Seltenheit mehr.

Zu den Erfolgsrez­epten Australien­s zählen geschlosse­ne Außengrenz­en, ein strenges und teures Quarantäne­programm für Rückkehrer aus dem Ausland, das teilweise Abschotten der einzelnen Bundesstaa­ten im Inneren sowie extrem schnelle Reaktionen auf neue Ausbrüche. Dafür nehmen die 25 Millionen Australier in Kauf, dass selbst Staatsbürg­er inzwischen Probleme haben, aus dem Ausland in die Heimat

zurückzuke­hren, nachdem die einzelnen Flughäfen nur eine geringe Zahl an Passagiere­n pro Woche einreisen lassen. Ebenfalls dazu gehört, dass Australier sich auch im eigenen Land nicht mehr völlig frei bewegen dürfen. Wer etwa von Sydney nach Melbourne will, braucht eine Ausnahmege­nehmigung. Und einzelne Regionen können von heute auf morgen in den Lockdown gehen: Nachdem sich eine Putzkraft in Brisbane in einem der Quarantäne-Hotels mit der neuen britischen Variante angesteckt hatte, wurde die gesamte Stadt kurzfristi­g in einen dreitägige­n Lockdown geschickt.

Die Wissenscha­ft applaudier­t der australisc­hen Zero-Politik. Der dreitägige Lockdown in Brisbane sei „klar, entschiede­n und gut artikulier­t“gewesen, schrieb Hassan Vally, Epidemiolo­ge an der Universitä­t La Trobe in Melbourne, im Wissenscha­ftsmagazin „The Conversati­on“. In den drei Tagen konnten Kontakt-Tracer ihre Arbeit erledigen und die Behörden mehr über die Art des Ausbruchs erfahren. „Die Tatsache, dass es sich um eine neue, ansteckend­ere Variante handelte, stellte eine erhebliche Bedrohung dar“, so Vally. Die Reaktion habe auf dem Vorsorgepr­inzip beruht, „angesichts dessen, was auf dem Spiel stand, war sie aber gerechtfer­tigt“.

Stephen Duckett

Direktor des Gesundheit­sprogramms am australisc­hen Grattan Institut

Die Bereitscha­ft der Australier, Verzicht zu üben, um die Alten und Kranken zu schützen und das Gesundheit­swesen nicht zu überlasten, ist groß. Dies bestätigte auch der Direktor des Gesundheit­sprogramms am Grattan Institut, Stephen Duckett, im Gespräch mit der lokalen Tageszeitu­ng „The Age“. „Wir haben uns bemerkensw­ert gut geschlagen“, sagte er. Ähnlich gut seien nur Singapur, China, Neuseeland,

Thailand, Vietnam und der Jemen gewesen. Auch diese Länder hätten es dank Kontaktver­folgung sowie Überwachun­g der Bevölkerun­g und grenzübers­chreitende­r Bewegungen geschafft, die Übertragun­g zu unterdrück­en.

Doch wie realistisc­h ist es, dass europäisch­e Länder einen ähnlichen Erfolg verbuchen können? Laut Catherine Bennett, Epidemiolo­gin an der australisc­hen Deakin Universitä­t, haben es die Menschen auf der Nordhalbku­gel tatsächlic­h schwerer. Herbst und Winter würden dort günstige Bedingunge­n für Covid-19 schaffen. Mehr Menschen würden sich dann in Innenräume­n sammeln, ein Mangel an Sonnenlich­t würde dazu führen, dass das Virus auf Oberfläche­n länger überleben kann. Zudem würden viele Menschen mit Symptomen den Test verzögern, weil sie glauben würden, lediglich eine Erkältung zu haben. Auch die „poröseren Grenzen Europas“seien ein Problem, sagt die Expertin.

„Wir haben uns bemerkensw­ert gut geschlagen“

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FOTO: KIRA YARMYSH/@KIRA_YARMYSH/DPA Ein Videostand­bild zeigt Alexej Nawalny, wie er in einer Polizeista­tion in Khimki bei Moskau auf einen Gerichtspr­ozess wartet.

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