Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Luisen-Gymnasium im Visier der Künstler
Wenn die Schule umgezogen ist, kann sich der Düsseldorfer Rat der Künste in dem historischen Gebäude eine Mischnutzung vorstellen.
DÜSSELDORF Anne Schülke fühlte sich beflügelt. Nach fünfstündiger Videokonferenz hätte sich die Künstlerin am liebsten sofort aufgemacht, um Düsseldorf von rechts auf links zu drehen. Kulturschaffende aus Berlin, Dresden und München waren der Einladung des Rats der Künste gefolgt und hatten Projekte vorgestellt, bei denen Bildhauer und Musiker neben Schulschwänzern und Werbern arbeiten und manchmal sogar leben. Eine frühere Kleiderfabrik oder Druckerei dient ihnen als Domizil; Sanierung, Finanzierung und Verwaltung verantworten allein die Künstler. „Ich dachte, ich bekomme Angst, wenn ich höre, wie kompliziert es ist, solche Projekte zu verwirklichen. Aber wenn ich die Bilder von diesen lebendigen Orten sehe, spüre ich vor allem sehr viel Schwung.“Innenstädte veränderten sich, auch durch die Pandemie. Es sei Zeit für die Kraft die Selbstverwaltung.
Schülke gehört mit Corina Gertz, die Sprecherin des Rats der Künste ist, und weiteren Künstlern zu den Gründungsmitgliedern des noch jungen Vereins „Zweck“. Dessen Ziel ist es, die Arbeitsbedingungen für Künstler zu verbessern, Hauptthema sind bezahlbare Ateliers. Im Verein jedoch denkt man größer, die Künstler haben das Luisen-Gymnasium ins Visier genommen. Die Schule zieht mittelfristig in einen Neubau an der Völklinger Straße um. Der jetzige Standort an der Bastionstraße habe viel Potenzial, meint Gertz. „Heute sind Konzepte gefragt, die Innenstädte so zu beleben, dass sie unterschiedliche Bedürfnisse erfüllen“, sagt Gertz. „Vor diesem Hintergrund sind Mischnutzungen sehr interessant. Auch für Künstler.“Das Wesen der Künstlerschaften habe sich verändert, „ein
Inselleben ist nicht mehr zeitgemäß“. Das Schulgebäude stammt aus dem Jahr 1907 und entspricht den heutigen Unterrichtsanforderungen nicht mehr. Ein zweistelliger Millionenbetrag, heißt es, sei nötig, um angemessene Verhältnisse herzustellen. Das Luisen-Gymnasium befindet sich in bester Innenstadtlage und könnte bei einem Verkauf um die 100 Millionen Euro einbringen, mutmaßten Immobilienexperten vor der Corona-Pandemie. Das Gebäude steht jedoch unter Denkmalschutz, außerdem hat die neue Regierungskooperation von CDU und Grünen einer Veräußerung einen Riegel vorgeschoben. In ihrem Vertrag hat sie festgelegt, das Gebäude bleibe in „städtischem Besitz“und werde „so saniert, dass es bestmögliche Voraussetzungen für eine kulturelle und schulische Nachnutzung“biete. „Das Luisen-Gymnasium ist ein Traumobjekt“, sagt Corina Gertz. „Es gibt wunderbare Räume, eine Bühne, und auch die Lage ist ideal.“
Interessante Impulse gab es jetzt im Rahmen einer digitalen Tagung mit Vertretern anderer Städte. In Berlin-Wedding etwa haben Künstler vor 13 Jahren das 10.000 Quadratmeter
große Areal einer ehemaligen Druckmaschinenfabrik gekauft und umgebaut. Grundstück und Gebäude befanden sich damals im Besitz des Berliner Liegenschaftsfonds, ein Investor stand bereits in den Startlöchern. Zwei bildende Künstler legten ein Gegenkonzept vor und setzten sich nach langen Verhandlungen durch. Heute werden Flächen zu je einem Drittel an „Arbeit, Kunst, Soziales“
vermietet. Gewerbebetriebe sind dort ebenso zu Hause wie soziale Einrichtungen und Kreative. Die rechtliche und wirtschaftliche Klammer des urbanen Modells „Ex-Rotaprint“bilden Gemeinnützigkeit und Erbbaurecht. Die Mieten sind günstig, Gewinne müssen für den Erhalt des Baudenkmals und die Förderung von Kunst und Kultur eingesetzt werden. „Wir sind vollvermietet, die Akzeptanz im Kiez ist hoch“, sagt Initiatorin Daniela Brahm. Die Düsseldorfer Künstler um Corina Gertz und Jörg-Thomas Alvermann konzentrieren sich zunächst auf ein Haus an der Kölner Straße. Dort entstehen 14 Ateliers. Die Stadt, der die Immobilie gehört, überlässt sie dem Verein „Zweck“sozusagen als Leihgabe. Für wie lange, ist unklar. Die Verträge werden gerade ausgehandelt. Alle anfallenden Sanierungsarbeiten übernimmt der Verein in Eigenregie, ebenso Vermietung, Abrechnung und Instandhaltung. Eine schöne Perspektive, finden die Künstler. Wenn auch nur von begrenzter Dauer. „Aber wir können mit der Kölner Straße ja schon mal für die Zukunft üben“, sagt Gertz.