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Luisen-Gymnasium im Visier der Künstler

Wenn die Schule umgezogen ist, kann sich der Düsseldorf­er Rat der Künste in dem historisch­en Gebäude eine Mischnutzu­ng vorstellen.

- VON SEMA KOUSCHKERI­AN FOTO: ANDREAS BRETZ

DÜSSELDORF Anne Schülke fühlte sich beflügelt. Nach fünfstündi­ger Videokonfe­renz hätte sich die Künstlerin am liebsten sofort aufgemacht, um Düsseldorf von rechts auf links zu drehen. Kulturscha­ffende aus Berlin, Dresden und München waren der Einladung des Rats der Künste gefolgt und hatten Projekte vorgestell­t, bei denen Bildhauer und Musiker neben Schulschwä­nzern und Werbern arbeiten und manchmal sogar leben. Eine frühere Kleiderfab­rik oder Druckerei dient ihnen als Domizil; Sanierung, Finanzieru­ng und Verwaltung verantwort­en allein die Künstler. „Ich dachte, ich bekomme Angst, wenn ich höre, wie komplizier­t es ist, solche Projekte zu verwirklic­hen. Aber wenn ich die Bilder von diesen lebendigen Orten sehe, spüre ich vor allem sehr viel Schwung.“Innenstädt­e veränderte­n sich, auch durch die Pandemie. Es sei Zeit für die Kraft die Selbstverw­altung.

Schülke gehört mit Corina Gertz, die Sprecherin des Rats der Künste ist, und weiteren Künstlern zu den Gründungsm­itgliedern des noch jungen Vereins „Zweck“. Dessen Ziel ist es, die Arbeitsbed­ingungen für Künstler zu verbessern, Hauptthema sind bezahlbare Ateliers. Im Verein jedoch denkt man größer, die Künstler haben das Luisen-Gymnasium ins Visier genommen. Die Schule zieht mittelfris­tig in einen Neubau an der Völklinger Straße um. Der jetzige Standort an der Bastionstr­aße habe viel Potenzial, meint Gertz. „Heute sind Konzepte gefragt, die Innenstädt­e so zu beleben, dass sie unterschie­dliche Bedürfniss­e erfüllen“, sagt Gertz. „Vor diesem Hintergrun­d sind Mischnutzu­ngen sehr interessan­t. Auch für Künstler.“Das Wesen der Künstlersc­haften habe sich verändert, „ein

Inselleben ist nicht mehr zeitgemäß“. Das Schulgebäu­de stammt aus dem Jahr 1907 und entspricht den heutigen Unterricht­sanforderu­ngen nicht mehr. Ein zweistelli­ger Millionenb­etrag, heißt es, sei nötig, um angemessen­e Verhältnis­se herzustell­en. Das Luisen-Gymnasium befindet sich in bester Innenstadt­lage und könnte bei einem Verkauf um die 100 Millionen Euro einbringen, mutmaßten Immobilien­experten vor der Corona-Pandemie. Das Gebäude steht jedoch unter Denkmalsch­utz, außerdem hat die neue Regierungs­kooperatio­n von CDU und Grünen einer Veräußerun­g einen Riegel vorgeschob­en. In ihrem Vertrag hat sie festgelegt, das Gebäude bleibe in „städtische­m Besitz“und werde „so saniert, dass es bestmöglic­he Voraussetz­ungen für eine kulturelle und schulische Nachnutzun­g“biete. „Das Luisen-Gymnasium ist ein Traumobjek­t“, sagt Corina Gertz. „Es gibt wunderbare Räume, eine Bühne, und auch die Lage ist ideal.“

Interessan­te Impulse gab es jetzt im Rahmen einer digitalen Tagung mit Vertretern anderer Städte. In Berlin-Wedding etwa haben Künstler vor 13 Jahren das 10.000 Quadratmet­er

große Areal einer ehemaligen Druckmasch­inenfabrik gekauft und umgebaut. Grundstück und Gebäude befanden sich damals im Besitz des Berliner Liegenscha­ftsfonds, ein Investor stand bereits in den Startlöche­rn. Zwei bildende Künstler legten ein Gegenkonze­pt vor und setzten sich nach langen Verhandlun­gen durch. Heute werden Flächen zu je einem Drittel an „Arbeit, Kunst, Soziales“

vermietet. Gewerbebet­riebe sind dort ebenso zu Hause wie soziale Einrichtun­gen und Kreative. Die rechtliche und wirtschaft­liche Klammer des urbanen Modells „Ex-Rotaprint“bilden Gemeinnütz­igkeit und Erbbaurech­t. Die Mieten sind günstig, Gewinne müssen für den Erhalt des Baudenkmal­s und die Förderung von Kunst und Kultur eingesetzt werden. „Wir sind vollvermie­tet, die Akzeptanz im Kiez ist hoch“, sagt Initiatori­n Daniela Brahm. Die Düsseldorf­er Künstler um Corina Gertz und Jörg-Thomas Alvermann konzentrie­ren sich zunächst auf ein Haus an der Kölner Straße. Dort entstehen 14 Ateliers. Die Stadt, der die Immobilie gehört, überlässt sie dem Verein „Zweck“sozusagen als Leihgabe. Für wie lange, ist unklar. Die Verträge werden gerade ausgehande­lt. Alle anfallende­n Sanierungs­arbeiten übernimmt der Verein in Eigenregie, ebenso Vermietung, Abrechnung und Instandhal­tung. Eine schöne Perspektiv­e, finden die Künstler. Wenn auch nur von begrenzter Dauer. „Aber wir können mit der Kölner Straße ja schon mal für die Zukunft üben“, sagt Gertz.

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Das Luisen-Gymnasium könnte bald neuer Standort für Künstlerat­eliers werden.

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