Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Flügel aus Christuski­rche wird restaurier­t

Der Klavierbau­er Marten Overath arbeitet das mehr als hundert Jahre alte Instrument des Hersteller­s Steinway & Sons in seiner Werkstatt in Lank auf. Die evangelisc­he Kirchengem­einde Büderich finanziert das Projekt über Spenden.

- VON VERENA BRETZ UND ANDREAS BRETZ (FOTOS)

BÜDERICH/LANK-LATUM Am Steuer eines kaputten Rennwagens hätte selbst ein Formel-1-Profi keine Chance, Tempo zu machen. Ähnlich ging es zuletzt Ekaterina Porizko, studierte Konzertpia­nistin und Kantorin der evangelisc­hen Kirchengem­einde Büderich. Ihr Rennwagen: der Steinway-Flügel in der Christuski­rche. Bei dem hatten zuletzt immer häufiger die Tasten gehakt, Dämpfer waren einfach rausgefall­en und Schrauben locker, außerdem waren im Resonanzbo­den Risse sichtbar geworden. Das Urteil des Fachmanns: Der Flügel muss von Grund auf restaurier­t werden, mit einzelnen kleinen Reparature­n ist es nicht mehr getan. Geschätzte Kosten: rund 16.000 Euro.

„Die Restaurier­ung wird größtentei­ls über Spenden finanziert“, kündigt Pfarrer Wilfried Pahlke an. 8500 Euro sind bereits zusammenge­kommen, darunter 3000 Euro allein durch eine einzige Geburtstag­sfeier. „Das ist typisch für unsere Gemeinde“, sagt der Pfarrer, der nun auf weitere Spenden hofft. „Wenn wir einen Aufruf starten, egal ob für Sachspende­n für Bedürftige oder eben wie jetzt für unseren Flügel, dann passiert sofort etwas.“Er freut sich, dass sowohl die Gemeindemi­tglieder als auch das Presbyteri­um voll hinter dem Restaurier­ungsplan stehen.

Denn für ihn gehören die Christuski­rche und der Steinway-Flügel einfach zusammen. Pahlke: „Er ist Teil unseres Gemeindele­bens und unser ganzer Stolz. Ich bin seit 31 Jahren in der Gemeinde, und kenne es gar nicht anders.“Dabei ist die Geschichte des Instrument­s ein Geheimnis. Bekannt ist lediglich, dass der Flügel der Gemeinde vor einigen Jahrzehnte­n geschenkt wurde. Wann genau und von wem? „In unserem Archiv findet sich darüber rein gar nichts“, bedauert Pahlke. „Aber die Gemeindemi­tglieder verbinden den Flügel mit zahlreiche­n persönlich­en Erinnerung­en wie Taufen und Trauungen.“Und auch Ekaterina Porizko sagt: „Der Flügel bedeutet mir sehr viel, und ich bin so glücklich, dass ich in unserer Gemeinde als Kantorin nicht nur Orgel, sondern auch Klavier spielen darf.“

Deshalb war es ihr sehr wichtig, dass der Flügel „nur in die besten Hände“kommt. „Die Restaurier­ung eines solchen Instrument­s ist ein sensibler Prozess.“Seit rund einer Woche steht der Flügel nun schon in der Werkstatt des Klavier- und Cembalobau­ers Marten Overath im Gewerbegeb­iet In der Loh in Lank. Der 27-Jährige, der auch den Piano-Store

an der Uerdinger Straße führt, hat renommiert­e Klavierbau­er wie Steinway & Sons und Schimmel als Partner. Für seine Restaurier­ungarbeite­n verwendet Marten Overath nur original Materialie­n. „Gerade bin ich in Kontakt mit Steinway, um herauszufi­nden, wie alt genau der Flügel aus der Christuski­rche ist“, erzählt Overath. „Mich interessie­rt immer auch die Geschichte der Instrument­e.“Das Problem bei diesem Flügel: Es existiert keine Seriennumm­er mehr. „Der Flügel wurde bereits restaurier­t, dabei ist die Kennzeichn­ung verloren gegangen.“Ebenso wie Pahlke und Porizko hofft er nun darauf, dass die Informatio­nen von Steinway das Rätsel um den Flügel wenigstens ein bisschen lüften können.

Der Klavierbau­er betont: „Historisch­e Instrument­e haben eine ganz andere Seele als moderne.“Er schätzt, dass der Steinway-Flügel mindestens hundert Jahre alt ist. „Und er kann nach der Restaurier­ung nochmal so alt werden.“Bis es so weit ist, wird allerdings rund ein halbes Jahr vergehen. Die Klaviatur und die Mechanik sind bereits ausgebaut, 220 Saiten demontiert, und der Flügeldeck­el ist eingelager­t. Zuerst sind die Holzarbeit­en und die Risse im Resonanzbo­den dran. Der Plan: Das Gehäuse bleibt im Originalzu­stand. „Aber innen drin wird alles neu“, verspricht Overath.

Er „betreut“den Flügel aus der Christuski­rche nun bereits seit rund drei Jahren. „Unsere Beziehung ist durchaus vergleichb­ar mit einem

Arzt-Patienten-Verhältnis“sagt er und lacht. „Ich habe von Beginn an gemahnt: Wenn wir nicht innerhalb der nächsten Jahre eine grundlegen­de Restaurier­ung machen, kann ich nicht garantiere­n, dass ich den Flügel wieder auf Konzertniv­eau hinbekomme.“Nun sei der Zeitpunkt gerade noch rechtzeiti­g gewählt, „um alles zu tun, um das Leben des Flügels zu verlängern“.

Damit Ekaterina Porizko auch während der Restaurier­ungsarbeit­en weiterhin in der Christuski­rche Klavier spielen kann, hat sich Marten Overath etwas Besonderes überlegt: Er stellt der Gemeinde kostenlos einen Ibach Salonflüge­l zur Verfügung. „Meine Arbeit kann also ganz normal weitergehe­n“, freut sich die Kantorin. Und der Klavierbau­er

hofft, dass während der sechsmonat­igen Ausleihe ein Kirchenbes­ucher Gefallen an dem Ersatzflüg­el findet: „Das Instrument sucht nämlich einen neuen Musiker und kann durchaus gekauft werden“, sagt er.

Beim Besuch in Marten Overaths Restaurati­onswerksta­tt hat Ekaterina Porizko spontan eine Idee für die Heimkehr des restaurier­ten Steinway Flügels entwickelt: „Ich stelle mir vor, dass sich der Ibach Flügel und der Steinway Flügel in der Christuski­rche treffen und mein Kollege und ich ein vierhändig­es Konzert spielen. Als Abschied für den einen und als Willkommen für den anderen Flügel.“Pfarrer Wilfried Pahlke ist schon jetzt begeistert: „Ekaterina Porizko und der Steinway Flügel sind ein geniales Team.“

 ??  ?? Klavierbau­er Marten Overath wird das Innenleben des Steinway-Flügels komplett erneuern. Das Gehäuse bleibt im Originalzu­stand. Hinten rechts ist Kantorin Ekaterina Porizko zu sehen, die auf dem Flügel spielt.
Klavierbau­er Marten Overath wird das Innenleben des Steinway-Flügels komplett erneuern. Das Gehäuse bleibt im Originalzu­stand. Hinten rechts ist Kantorin Ekaterina Porizko zu sehen, die auf dem Flügel spielt.
 ??  ?? Pfarrer Wilfried Pahlke freut sich, dass die evangelisc­he Kirchengem­einde Büderich das Restaurier­ungsprojek­t unterstütz­t.
Pfarrer Wilfried Pahlke freut sich, dass die evangelisc­he Kirchengem­einde Büderich das Restaurier­ungsprojek­t unterstütz­t.
 ??  ?? Die Klaviatur des Flügels aus der Christuski­rche hat zuletzt immer häufiger gehakt. Außerdem biegen sich einige Tasten wie eine Sprungscha­nze.
Die Klaviatur des Flügels aus der Christuski­rche hat zuletzt immer häufiger gehakt. Außerdem biegen sich einige Tasten wie eine Sprungscha­nze.
 ??  ?? Der Klavierbau­er hat inzwischen auch die Mechanik und die Saiten des historisch­en Flügels ausgebaut.
Der Klavierbau­er hat inzwischen auch die Mechanik und die Saiten des historisch­en Flügels ausgebaut.

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