Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Flügel aus Christuskirche wird restauriert
Der Klavierbauer Marten Overath arbeitet das mehr als hundert Jahre alte Instrument des Herstellers Steinway & Sons in seiner Werkstatt in Lank auf. Die evangelische Kirchengemeinde Büderich finanziert das Projekt über Spenden.
BÜDERICH/LANK-LATUM Am Steuer eines kaputten Rennwagens hätte selbst ein Formel-1-Profi keine Chance, Tempo zu machen. Ähnlich ging es zuletzt Ekaterina Porizko, studierte Konzertpianistin und Kantorin der evangelischen Kirchengemeinde Büderich. Ihr Rennwagen: der Steinway-Flügel in der Christuskirche. Bei dem hatten zuletzt immer häufiger die Tasten gehakt, Dämpfer waren einfach rausgefallen und Schrauben locker, außerdem waren im Resonanzboden Risse sichtbar geworden. Das Urteil des Fachmanns: Der Flügel muss von Grund auf restauriert werden, mit einzelnen kleinen Reparaturen ist es nicht mehr getan. Geschätzte Kosten: rund 16.000 Euro.
„Die Restaurierung wird größtenteils über Spenden finanziert“, kündigt Pfarrer Wilfried Pahlke an. 8500 Euro sind bereits zusammengekommen, darunter 3000 Euro allein durch eine einzige Geburtstagsfeier. „Das ist typisch für unsere Gemeinde“, sagt der Pfarrer, der nun auf weitere Spenden hofft. „Wenn wir einen Aufruf starten, egal ob für Sachspenden für Bedürftige oder eben wie jetzt für unseren Flügel, dann passiert sofort etwas.“Er freut sich, dass sowohl die Gemeindemitglieder als auch das Presbyterium voll hinter dem Restaurierungsplan stehen.
Denn für ihn gehören die Christuskirche und der Steinway-Flügel einfach zusammen. Pahlke: „Er ist Teil unseres Gemeindelebens und unser ganzer Stolz. Ich bin seit 31 Jahren in der Gemeinde, und kenne es gar nicht anders.“Dabei ist die Geschichte des Instruments ein Geheimnis. Bekannt ist lediglich, dass der Flügel der Gemeinde vor einigen Jahrzehnten geschenkt wurde. Wann genau und von wem? „In unserem Archiv findet sich darüber rein gar nichts“, bedauert Pahlke. „Aber die Gemeindemitglieder verbinden den Flügel mit zahlreichen persönlichen Erinnerungen wie Taufen und Trauungen.“Und auch Ekaterina Porizko sagt: „Der Flügel bedeutet mir sehr viel, und ich bin so glücklich, dass ich in unserer Gemeinde als Kantorin nicht nur Orgel, sondern auch Klavier spielen darf.“
Deshalb war es ihr sehr wichtig, dass der Flügel „nur in die besten Hände“kommt. „Die Restaurierung eines solchen Instruments ist ein sensibler Prozess.“Seit rund einer Woche steht der Flügel nun schon in der Werkstatt des Klavier- und Cembalobauers Marten Overath im Gewerbegebiet In der Loh in Lank. Der 27-Jährige, der auch den Piano-Store
an der Uerdinger Straße führt, hat renommierte Klavierbauer wie Steinway & Sons und Schimmel als Partner. Für seine Restaurierungarbeiten verwendet Marten Overath nur original Materialien. „Gerade bin ich in Kontakt mit Steinway, um herauszufinden, wie alt genau der Flügel aus der Christuskirche ist“, erzählt Overath. „Mich interessiert immer auch die Geschichte der Instrumente.“Das Problem bei diesem Flügel: Es existiert keine Seriennummer mehr. „Der Flügel wurde bereits restauriert, dabei ist die Kennzeichnung verloren gegangen.“Ebenso wie Pahlke und Porizko hofft er nun darauf, dass die Informationen von Steinway das Rätsel um den Flügel wenigstens ein bisschen lüften können.
Der Klavierbauer betont: „Historische Instrumente haben eine ganz andere Seele als moderne.“Er schätzt, dass der Steinway-Flügel mindestens hundert Jahre alt ist. „Und er kann nach der Restaurierung nochmal so alt werden.“Bis es so weit ist, wird allerdings rund ein halbes Jahr vergehen. Die Klaviatur und die Mechanik sind bereits ausgebaut, 220 Saiten demontiert, und der Flügeldeckel ist eingelagert. Zuerst sind die Holzarbeiten und die Risse im Resonanzboden dran. Der Plan: Das Gehäuse bleibt im Originalzustand. „Aber innen drin wird alles neu“, verspricht Overath.
Er „betreut“den Flügel aus der Christuskirche nun bereits seit rund drei Jahren. „Unsere Beziehung ist durchaus vergleichbar mit einem
Arzt-Patienten-Verhältnis“sagt er und lacht. „Ich habe von Beginn an gemahnt: Wenn wir nicht innerhalb der nächsten Jahre eine grundlegende Restaurierung machen, kann ich nicht garantieren, dass ich den Flügel wieder auf Konzertniveau hinbekomme.“Nun sei der Zeitpunkt gerade noch rechtzeitig gewählt, „um alles zu tun, um das Leben des Flügels zu verlängern“.
Damit Ekaterina Porizko auch während der Restaurierungsarbeiten weiterhin in der Christuskirche Klavier spielen kann, hat sich Marten Overath etwas Besonderes überlegt: Er stellt der Gemeinde kostenlos einen Ibach Salonflügel zur Verfügung. „Meine Arbeit kann also ganz normal weitergehen“, freut sich die Kantorin. Und der Klavierbauer
hofft, dass während der sechsmonatigen Ausleihe ein Kirchenbesucher Gefallen an dem Ersatzflügel findet: „Das Instrument sucht nämlich einen neuen Musiker und kann durchaus gekauft werden“, sagt er.
Beim Besuch in Marten Overaths Restaurationswerkstatt hat Ekaterina Porizko spontan eine Idee für die Heimkehr des restaurierten Steinway Flügels entwickelt: „Ich stelle mir vor, dass sich der Ibach Flügel und der Steinway Flügel in der Christuskirche treffen und mein Kollege und ich ein vierhändiges Konzert spielen. Als Abschied für den einen und als Willkommen für den anderen Flügel.“Pfarrer Wilfried Pahlke ist schon jetzt begeistert: „Ekaterina Porizko und der Steinway Flügel sind ein geniales Team.“