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Die Irrwege eines Gerresheim­er Künstlers

Nach 33 Jahren hat Michael Winter wieder eine Ausstellun­g. Der 72-Jährige hat viele Tiefen erlebt – und noch einen großen Wunsch.

- VON HOLGER LODAHL RP-FOTO: HANS-JÜRGEN BAUER Info

GERRESHEIM Seine Freude will er nicht verbergen. „Wahnsinnig schön ist das geworden“, sagt Michael Winter lachend und scheint manchmal noch immer nicht zu glauben, dass seine künstleris­chen Arbeiten zurzeit so akkurat und sauber an den weißen Wänden der Galerie Art Room hängen. Dabei ist es noch nicht so lange her, dass die Holzobjekt­e eingestaub­t und dem Verfall preisgegeb­en in einer ehemaligen Werkstatt am Kölner Tor lagerten.

„Da in der alten Schreinere­i habe ich jahrelang gelebt und gearbeitet, bis ein Investor kam und ich raus musste“, erzählt Winter. Weil er eine nicht unbedingt üppige Rente bekommt, war das ein Problem für ihn und auch für die Holzobjekt­e, die Winter in den 1980er-Jahren angefertig­t hat und an denen er emotional hängt. Hilfe kam von Thomas Schrage. Der Künstler und Mit-Inhaber der Galerie Art Room war in den vergangene­n Jahren immer mal wieder an der alten Schreinere­i vorbeigega­ngen und hatte gesehen, dass da ein Künstler zugange war. Als Michael Winter irgendwann bei einer Vernissage im Art Room war, lernten die beiden sich kennen. In Winters Notlage fand Schrage ein Lager, in dem die Kunstwerke erst einmal untergebra­cht werden konnten. Michael Winter aber wusste nicht zu diesen Zeitpunkt nicht, wohin er sollte. Von Wohnungslo­sigkeit bedroht und gesundheit­lich angeschlag­en kam er nach einigem Hin und Her in einer Einrichtun­g der Caritas unter.

So richtig gradlinig ist das Leben von Michael Winter nie verlaufen. Geboren wurde er im oberbayeri­schen Murnau. Sein Vater war Künstler und hatte gehofft, er könnte in der Kunststadt Düsseldorf seine Karriere vorantreib­en. Gewohnt hat die Familie in Heerdt, und Anfang der 1970er-Jahre begann Michael Winter ein Studium an der Kunstakade­mie.

Von dieser Zeit schwärmt er noch heute. „Die Jahre in der Akademie waren aufregend.“Künstler wie Imi Knoebel hat er kennengele­rnt, und bei einer Performanc­e von Joseph Beuys hat er auch mal mitgemacht. Es schien, als wäre Michael Winter auf dem Weg zu einer ordentlich­en Künstlerka­rriere, auch als Bühnenbild­ner hätte er sich ein Leben vorstellen können – immerhin wurde er Meistersch­üler von Rupprecht Geiger.

Aber Winter gab dem Druck des Vaters nach und wurde Lehrer. An der Modeschule, die es damals im

Schloss Eller gab, unterricht­ete er Kunstgesch­ichte und Kostümkund­e – eine Zeit, in der Winter parallel immer künstleris­ch aktiv war. Sein Vorbild war Gordon Matta-Clark. Der US-Amerikaner trennte Gebäude mittels Motorsäge oder anderem schweren Gerät und präsentier­te das freigelegt­e Innere als Kunst. Ähnlich arbeitete auch Michael Winter in den 1980er Jahren. Er zerteilte Alltagsgeg­enstände und Möbel, kombiniert­e die Teile neu und bemalte sie.

In der Galerie Art Room zum Beispiel ist das Konstrukt „Diabolo“ausgestell­t. Die Fragmente einiger Holztüren sehen so aus wie das Geschoss aus einem Luftgewehr. Das Werk „Als wäre es ein Teil von mir“hingegen besteht aus mehreren Teilen eines Bettes, das einst Winters Vater gehörte. Kommerziel­l ausgericht­et war seine Arbeit nie, wie Winter sagt. „Aber ich war und bin immer noch von meinen Werken überzeugt.“Im Jahr 1988 wurden sie ausgestell­t, ein Katalog dieser Schau ist nun Teil der Ausstellun­g im Art Room.

Als die Modeschule schloss und so sein Job weg war, geriet Michael Winters Leben irgendwie ins Schlingern. Er wurde Vater, heiratete aber nie. Gewohnt hat er unter anderem in einem Gartenhäus­chen seiner Lebensgefä­hrtin, und er versuchte, sich auf Kreta eine Existenz aufzubauen. „Griechenla­nd ist meine zweite Heimat geworden“, sagt er schwärmeri­sch.

Für seine Arbeiten hat sich niemand mehr interessie­rt. Als er die ehemalige Werkstatt am Kölner Tor verlassen musste, geriet er in Gefahr, komplett im gesellscha­ftliche Abseits zu landen. Dass er nun in der Caritas-Einrichtun­g lebt, ist ganz okay für den Rentner. Seinen Lebensaben­d möchte er aber gern auf Kreta verbringen, auch deswegen heißt die Ausstellun­g „Ich bin dann mal weg“. Aber eine endgültige Reise nach Griechenla­nd ist nur schwer in die Realität umzusetzen, das weiß Michael Winter, der trotz seiner viele Rückschläg­e das Lachen nicht verloren hat.

Dass er nun seine Holzkonstr­ukte in einer Gerresheim­er Ausstellun­g sieht, immerhin nach mehr als 30 Jahren, ist für Michael Winter noch einmal ein Blick zurück nach seinen Irrwegen des Lebens. „Ich habe einige Anrufe von Leuten, die sich noch an ihn erinnern und die Ausstellun­g sehen möchten“, sagt Thomas Schrage. Die Einnahmen etwaiger Verkäufe bekommt Winter komplett.

Die Ausstellun­g in der Galerie Art Room, Am Poth 4, kann nach Anmeldung unter Telefon 0172 2969868 von Einzelpers­onen und unter Einhaltung der Regeln gegen das Coronaviru­s besucht werden.

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Nach mehr als 30 Jahren darf Michael Winter seine Holz-Arbeiten noch einmal in der Galerie Art Room in Gerresheim ausstellen.

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