Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

„Könnten in zwei Monaten durchimpfe­n“

Der Leiter des Corona-Krisenstab­es spricht über Prävention, Impfen und Lockerunge­n.

- UWE-JENS RUHNAU FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

DÜSSELDORF Seit vier Wochen führt Stadtdirek­tor Burkhard Hintzsche (55) den Corona-Krisenstab. Das bedeutet, rund um die Uhr auf Stand-by zu sein, Anrufe am späten Abend sind die Regel. Da kann es um Probleme mit der Hotline gehen oder um einen Ausbruch in einer Einrichtun­g. Eigentlich ist er Dezernent für Schule, Sport, Soziales und Jugend sowie Migration und Integratio­n.

Heute kehren alle Jahrgänge in den Präsenzunt­erricht zurück. Befürchten Sie durch die Öffnung der Schulen einen Anstieg der Infektions­zahlen?

BURKHARD HINTZSCHE Ich gehe davon aus, dass das Infektions­geschehen durchaus zunimmt. Allerdings ist das Schutznive­au, mit dem wir jetzt starten, ein anderes als im letzten Jahr. Wir haben Wechselunt­erricht, die Klassen sind nicht komplett da.

Wie weit ist die Installati­on von Deckenlüft­ern in den Schulen?

HINTZSCHE Mehr als ein Drittel ist verbaut, wir haben jedoch gegen die Vergabe die Beschwerde eines Wettbewerb­ers. Dadurch ist der Einbau derzeit gestoppt.

Jeder Schüler soll auch einen Selbsttest pro Woche in der Schule machen können. Wie wird das organisier­t?

HINTZSCHE Die Ankündigun­g ist wie immer, wenn etwas vom Land kommt, noch sehr frisch. Die Regierung geht davon aus, dass dies im schulische­n Kontext erfolgt. Die Schnelltes­ts sollen direkt an die Schulen geliefert werden. Bei den Kitas, die teils auch in städtische­r Hand sind, gehe ich von einem ähnlichen Setup aus, aber da werden die Tests wohl zu Hause durchgefüh­rt.

In Düsseldorf leben rund 5000 Menschen in Alten- und Pflegeheim­en. Wie hoch ist dort die Impfquote?

HINTZSCHE Ich gehe von nahezu 100 Prozent aus, auch bei den Pflegekräf­ten ist die Impfbereit­schaft sehr hoch. Die Aufgabe bleibt aber bestehen, denn es wechseln immer wieder Personen bei Bewohnern und Pflegekräf­ten, und die sind möglicherw­eise noch nicht geimpft.

Das Leben in diesen Einrichtun­gen soll sich, wenn es nach dem Landesgesu­ndheitsmin­ister geht, jetzt normalisie­ren. Was soll in Düsseldorf erlaubt sein?

HINTZSCHE Im direkten und persönlich­en Kontakt mit Bewohnern soll die Maske abgelegt werden können.

Ich bin anderer Auffassung und plädiere dafür, zunächst bei unserem hohen Schutznive­au zu bleiben. Ich bin froh darüber, dass wir keine neuen Infektione­n in unseren Altenheime­n haben, die Lage war zum Jahresbegi­nn ganz anders. Das ist ein hohes Gut, wir sollten es jetzt nicht verspielen. Infektione­n bei älteren Menschen, die auch Vorerkrank­ungen haben, bleiben ein Risiko.

Welchen Pflichten unterliege­n die Besucher? Müssen Sie weiterhin einen Schnelltes­t machen?

HINTZSCHE

Ja! Die Allgemeinv­erfügung

zur Testung von Besuchern gilt zunächst bis zum 26. März. Die Bundeswehr unterstütz­t uns dankenswer­terweise.

Die Schnelltes­ts in kommunaler Regie waren eine Idee von Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn (CDU). Wie haben Sie den Vorschlag aufgenomme­n?

HINTZSCHE Ich fand den Vorschlag richtig, weil Schnelltes­ts eine Brücke sein können, solange nicht genug Impfstoff da ist. Man sollte aber die operativen Voraussetz­ungen schaffen, bevor ein Einführung­stermin öffentlich genannt wird, den man dann revidieren muss. Die Lösung heißt: Gut planen und organisier­en, dann kommt die Dienstleis­tung und die Kommunikat­ion zum Bürger. Sonst leidet das Vertrauen der Menschen in das Gesamtsyst­em. Nach wie vor gilt: Die Schnelltes­ts ergänzen die Schutzmaßn­ahmen wie die Regel AHA+L+C (Abstand, Hygiene, Maske, Lüften und CoronaWarn­App), aber sie ersetzen sie nicht. Für Leichtsinn ist kein Raum!

Wie viele Impfdosen erhält Düsseldorf pro Woche?

HINTZSCHE Wir erfahren erst in den kommenden Tagen, wie viele Dosen wir im April erhalten, vergeben aber schon Termine für April. Das Limitieren­de bei der Bekämpfung der Pandemie sind nicht die Impfkapazi­täten, sondern die Verfügbark­eit des Impfstoffs. Wir bauen viele Strukturen auf, die wir viel effiziente­r nutzen könnten, wenn genug Impfstoff da wäre oder er nicht bei minus 70 Grad transporti­ert und gelagert werden müsste.

Im Impfzentru­m an der Arena sind bislang 2400 Impfungen am Tag möglich. Wird der Betrieb ausgeweite­t, wenn mehr Impfstoff kommt?

HINTZSCHE Ja. Wir hatten am letzten Montag 2700 Impfdosen zur Verfügung und haben sie problemlos verimpft. Die kommenden Betriebsta­ge sehen ähnlich aus. Wenn wir ausreichen­d Vakzin erhalten und das Impfzentru­m an sieben Tagen rund um die Uhr betreiben würden, dann wären bis zu 10.000 Impfungen am Tag möglich.

Ab April sollen auch die Hausärzte mitimpfen. Gibt es dazu schon eine Absprache mit der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g?

HINTZSCHE Ich würde es begrüßen, wenn wir die rund 1100 niedergela­ssenen Ärzte in Düsseldorf bei genügend Impfstoff einbeziehe­n. Wenn jeder von ihnen zehn Impfungen am Tag vornähme, bin ich schnell bei mehr als 20.000 Impfungen am Tag. Mit den Betriebssä­rzten wäre die Zahl sogar noch größer. Theoretisc­h könnten wir in 20 Tagen die Bevölkerun­g einmal durchimpfe­n. Großzügig gerechnet, wären wir bei zwei Impfgängen pro Person nach zwei Monaten komplett durch. Ob das im Juli oder im September der Fall sein wird, kann ich jedoch nicht sagen.

Wie stehen Sie zu den anstehende­n Lockerunge­n, was soll möglich sein in Düsseldorf?

HINTZSCHE Ich finde es richtig, wenn wir bei höchstmögl­ichem Schutznive­au wieder Zugang haben zu kulturelle­n Angeboten und Dienstleis­tungen. Das ist auch wichtig für die emotionale Situation einer Bevölkerun­g in der Pandemie. Dennoch dürfen wir erreichte Spielräume nicht gefährden, solange wir nicht annähernd die Herdenimmu­nität erreicht haben. Die Lage bleibt dynamisch, das sehen wir gerade in Österreich.

Wann feuern wieder Fans die Fortuna an – vielleicht auch mit Mundschutz?

HINTZSCHE Ich glaube, das wird im Laufe der Saison 2021/22 möglich sein.

Am Wochenende endete das Verweilver­bot. Düsseldorf wurde deswegen auch gescholten. Wie fällt Ihre Bilanz aus?

HINTZSCHE Hier saßen nicht Beamte zusammen und haben überlegt, wie sie die Bürger schikanier­en. Das temporäre Aufenthalt­sverbot, wie ich es lieber nenne, war eine Reaktion auf die Ansammlung von Menschen, die von Verantwort­ungslosigk­eit geprägt war. Sehr viele Menschen waren ohne Mund-NaseSchutz nah beieinande­r. Deswegen war das Instrument richtig und hat sein Ziel erreicht. In diesem Moment konnte sich die Ordnungsbe­hörde wieder zurückhalt­en.

Wie haben Sie die Kritik an Düsseldorf empfunden?

HINTZSCHE Es gibt ein Prävention­sparadoxon. Verhalten wir uns als öffentlich­e Verwaltung konservati­v und haben niedrige Infektions­zahlen, werden wir gefragt, warum wir nicht mehr öffnen. Führt das zu höheren Werten, haben wie die falsche Strategie und es heißt, wir hätten zu schnell gelockert. Sie können in diesem System keine Punktlandu­ng hinlegen, weil sie immer falsch liegen. Das motiviert die Beteiligte­n, die tagtäglich für unsere Gesundheit arbeiten, nicht gerade.

Zum Abschluss eine schöne Aussicht: Wohin soll es dieses Jahr in den Urlaub gehen?

HINTZSCHE Im letzten Jahr war eine dreiwöchig­e Reise nach Südafrika geplant. Ich gehe davon aus, dass sie wieder verschoben wird. Ich bin ja noch nicht geimpft – und das ist auch richtig so. Ich denke, es wird auch deshalb ein europäisch­es Ziel werden: die Insel Lesbos.

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RP-FOTO: ANDREAS BRETZ Burkhard Hintzsche ist nicht nur Stadtdirek­tor, sondern seit Februar auch der Leiter des Corona-Krisenstab­es in Düsseldorf.

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