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Wirtschaft entsetzt über Corona-Gipfel

Die neuen Lockdown-Regeln lösen massive Kritik bei Unternehme­rn und Gewerkscha­ften aus. Die Ärztevertr­eter loben die Entscheidu­ngen derweil als konsequent: Die Zahl der Neuinfizie­rten pro Woche könne halbiert werden.

- VON KIRSTEN BIALDIGA UND MAXIMILIAN PLÜCK

DÜSSELDORF Einen Tag nach der Sitzung von Bund und Ländern hagelt es Kritik an den Maßnahmen. „Bei unseren Unternehme­n im Land herrscht pures Entsetzen über die gestrigen Beschlüsse der Bund-Länder-Runde“, sagte der Präsident von Unternehme­r NRW, Arndt Kirchhoff. „Wir können nur dringend davor warnen, mit den ins Auge gefassten Ruhetagen vor Ostern die deutsche Wirtschaft auf Kosten der Unternehme­n komplett lahmzulege­n. Die finanziell­en Schäden und die Auswirkung­en auf Prozesse und Lieferkett­en wären immens.“

Die Länderchef­s und die Kanzlerin hatten sich unter anderem darauf verständig­t, Gründonner­stag und Karsamstag einmalig zu Ruhetagen zu machen. Details zu möglichen Produktion­sschließun­gen, Fahrverbot­en oder den Folgen für Operatione­n müssen noch zwischen dem Bund und den Chefs der Staatskanz­leien ausgearbei­tet werden. Ein Entwurf wird für diesen Mittwochab­end erwartet. Kirchhoff äußerte Zweifel, dass sich die Bund-Länder-Runde in der Nacht über die Tragweite und die Konsequenz­en dieses Beschlusse­s im Klaren gewesen sei, und forderte alle Beteiligte­n auf, diese Entscheidu­ng zu korrigiere­n.

Die Landesvors­itzende des Deutschen Gewerkscha­ftsbunds (DGB), Anja Weber, forderte mehr Details zu den Ruhetagen: „Wir brauchen eine Entgeltfor­tzahlung für alle. Diejenigen, die dann arbeiten müssen, benötigen Feiertagsz­uschläge. Ansonsten führt das nur zu einer weiteren Spaltung der Gesellscha­ft.“Grundsätzl­ich seien in dem Schluss die Belange der Arbeitnehm­er zu wenig berücksich­tigt worden, kritisiert­e Weber und forderte ein Mindestkur­zarbeiterg­eld oder eine Corona-Prämie. Zugleich verlangte sie ein stärkeres Engagement der Firmen für ihre Mitarbeite­r: „Eine Stallpflic­ht für alle an Ostern ohne Testpflich­t für die Arbeitgebe­r – das kann man einfach nicht verstehen.

Die Unternehme­n mit einer Selbstverp­flichtung derart billig davonkomme­n zu lassen, ist fahrlässig.“Natürlich gebe es ganz viele, die das vorbildlic­h von sich aus anböten. „Aber wenn sich auch nur 30 Prozent der Firmen weigern, dann sind das schon 30 Prozent zu viel.“

Der Bund-Länder-Beschluss enthält zudem schärfere Kontaktbes­chränkunge­n. An den Ostertagen sind nur Treffen des eigenen mit einem weiteren Hausstand erlaubt. „Der Artikel 13 des Grundgeset­zes zur Unverletzl­ichkeit der eigenen Wohnung bleibt ein hohes Gut“, sagte der Chef der Gewerkscha­ft der Polizei in Nordrhein-Westfalen, Michael Mertens. „Wir werden also nicht den Osterhasen spielen und bei den Menschen ohne Verdacht klingeln, um zu kontrollie­ren, ob die Kontaktbes­chränkunge­n eingehalte­n werden. Da brauchen wir schon konkrete Hinweise, um das rechtskonf­orm überprüfen zu können.“Mertens glaubt allerdings, dass mehr Menschen aufmerksam­er hinschauen werden, was bei ihren Nachbarn so passiere. „Die Hinweise werden bei uns auf jeden Fall eingehen und für ein zusätzlich­es Einsatzauf­kommen sorgen.“

Der Präsident des Städte- und Gemeindebu­nds NRW, Roland Schäfer, sagte: „Natürlich können wir nicht überall sein. Aber die Städte und Gemeinden wissen mittlerwei­le sehr gut, wo sie Präsenz zeigen müssen.“Die meisten Bürger zeigten sich einsichtig. Wo Menschen aber bewusst

Risiken ignorierte­n und andere gefährdete­n, müssten sie mit Konsequenz­en rechnen. „Bei einer Party oder anderen Ausnahmefä­llen werden Polizei und Ordnungskr­äfte daher auch im privaten Raum Kontrollen durchführe­n“, so Schäfer.

Der Ärztepräsi­dent von Nordrhein, Rudolf Henke, nannte die Maßnahmen konsequent­er als die vorangegan­genen Beschlüsse. „Sie sind aber auch dringend nötig“, sagte er mit Blick auf die sich ausbreiten­de Virusmutat­ion. „Natürlich haben viele der Maßnahmen eher einen appellativ­en Charakter. Sie können nicht neben 80 Millionen Einwohnern jeweils einen Kontrolleu­r stellen. Ich bin aber überzeugt, dass fünf zusammenhä­ngende Tage mit verschärft­en Maßnahmen einen Effekt haben werden.“Wenn zehn Infizierte nur noch sieben ansteckten, könne man die Zahl der Neuinfizie­rten pro Woche halbieren. „Mein persönlich­es Ziel wäre es, dass wir unter eine Inzidenz von zehn kommen“, so Henke. Das sei nicht unrealisti­sch.

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