Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Der Kalte Krieg ist zurück

Mit dem Coronaviru­s werden Vektorimpf­stoffe zum neuen Politikum.

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Vektorimpf­stoffe gegen Covid-19 beruhen auf gentechnis­ch veränderte­n Adenoviren, die als trojanisch­e Pferde dienen. Die Viren wurden so weit abgeschwäc­ht, dass sie im Menschen Zielzellen befallen, jedoch keine Krankheit hervorrufe­n können. Beladen werden sie mit genetische­m Material des SarsCov-2-Virus. Infizierte Zielzellen bilden Spike-Antigene und stimuliere­n so unser Immunsyste­m. Wie mRNAImpfst­offe sind auch Vektorimpf­stoffe elegant in ihrer Anwendung, da sie universell einsetzbar sind. Zurzeit scheinen Vektorimpf­stoffe jedoch zwischen die Fronten streitende­r Supermächt­e geraten zu sein.

Im Kalten Krieg des vergangene­n Jahrhunder­ts lieferten sich kapitalist­ische und kommunisti­sche Systeme ein Wettrüsten. Auf Nebenschau­plätzen wetteifert­e man zusätzlich um technologi­sche Errungensc­haften. Die damalige Führung der Sowjetunio­n in der Raumfahrtt­echnik löste in der westlichen Welt den Sputniksch­ock aus. Der provokant als Sputnik V bezeichnet­e russische Vektorimpf­stoff stieß auf sofortige Ablehnung in Europa und den USA. In über 50 Ländern ist Sputnik V inzwischen zugelassen. In der EU wurde eine Zulassung erst in Erwägung gezogen, als ein anderer Vektorimpf­stoff noch mehr in Verruf kam – AZD1222 von Astrazenec­a. AZD1222 wurde im britischen Jenner-Institut entwickelt und beruht auf einem bewährten Adenovirus-Vektor. In den vergangene­n Wochen geriet AZD1222 jedoch in Verdacht, Hirnvenent­hrombosen hervorzuru­fen. Vorschnell

veranlasst­en verschiede­ne EU-Länder, so auch Deutschlan­d, einen zeitweisen Impfstopp. Zurück bleibt die Frage, inwieweit das Herkunftsl­and bei dieser Entscheidu­ng eine Rolle spielte. Der Brexit, verzögerte Impfstoffl­ieferungen und die britische Mutante haben das abtrünnige Großbritan­nien im restlichen Europa unbeliebt gemacht. Politische Abneigunge­n dürfen bei der Wahl von Impfstoffe­n jedoch keine Rolle spielen. Dafür benötigen wir die Impfstoffe anderer Länder viel zu dringend, um zu einem normalen Leben zurückkehr­en zu können.

Unsere Autorin ist Professori­n für Infektions­biologie an der RWTH Aachen. Sie wechselt sich hier mit der Philosophi­n Maria-Sibylla Lotter ab.

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