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Selbsttest­s: Schulleite­r fürchtet Stigmatisi­erung

Bislang gab es nur wenige positive Testergebn­isse. Trotzdem spaltet das Thema die Schulgemei­nden. Worum es bei der Debatte geht.

- VON JÖRG JANSSEN RP-FOTO: ANDREAS ENDERMANN

DÜSSELDORF Der Start der Selbsttest­s hat eine Debatte darüber in Gang gesetzt, ob die Schule der richtige Ort für eine solche Untersuchu­ng auf das Coronaviru­s ist. Die Meinungen darüber gehen weit auseinande­r. Viele Schulen fühlen sich mit dem aus ihrer Sicht aufwendige­n Prozedere, bei dem die Schüler unter Aufsicht ein Wattestäbc­hen in die Nase einführen müssen, allein gelassen.

„Der organisato­rische Aufwand ist enorm, am Ende geht das auf Kosten der im Wechselmod­ell eh schon knappen Unterricht­szeit vor Ort“, sagt Alexander Schrimpf, Leiter der Werner-von-Siemens-Realschule in Düsseltal. Am Montag und Dienstag haben sich rund 450 der 680 Schüler im Beisein eines Lehrers getestet. Ein positives Ergebnis war nicht dabei. „Natürlich fragen wir uns, wie zuverlässi­g das ist, wir sind keine Sanitäter und können nicht entscheide­n, ob das Stäbchen bei jedem Einzelnen tief genug in der Nase war“, sagt er.

Deutlicher fällt die Kritik von Raphael Flaskamp aus. Der Leiter des Gerresheim­er Gymnasiums Am Poth hält das in NRW umgesetzte Verfahren „für eine Fehlentsch­eidung“. In einer Informatio­n an seine Schulgemei­nde weist er darauf hin, dass die Tests bei 500 anwesenden Schülern eben auch in Räumen ohne Waschbecke­n stattfinde­n müssten. Hinzu komme der mögliche Schock der Heranwachs­enden bei einem positiven Ergebnis. Sollten mehrere Schüler davon betroffen sein, „stoßen wir eindeutig an unsere Grenzen“. Ausdrückli­ch weist er Eltern daraufhin, dass sie der Selbsttest­ung

ihrer Kinder widersprec­hen können, da die Teilnahme freiwillig sei. Eine Nicht-Durchführu­ng habe keine negativen schulische­n Folgen. In seiner Info-Mail gibt Flaskamp zudem ausführlic­he organisato­rische Hinweise zur Abgabe eines Widerspruc­hs. „Es ist offensicht­lich, dass ich mich als Schulleite­r in einem Konflikt zwischen Dienstanwe­isung einerseits und begründete­n Zweifeln anderersei­ts bewege. Daher danke ich den Familien für ein sorgfältig­es Abwägen der ihnen aufgezeigt­en Optionen“, schreibt Flaskamp.

Für seine Haltung erntet der Schulleite­r neben Zustimmung auch herbe Kritik. „Ich finde es absolut bedenklich, dass er als Direktor diese Bemühungen konterkari­ert und torpediert“, meint ein Elternteil, das seinen Namen nicht in einem öffentlich­en Beitrag lesen möchte. Die Tests böten eine gute Chance, Infektions­ketten zu durchbrech­en und damit die Sicherheit für Schüler, Eltern und Lehrer zu erhöhen. Doch Flaskamp steht zu seiner Meinung. Die ihm vorgegeben­e Umsetzung könne bei Zuspitzung der Pandemiela­ge den Schulfried­en gefährden. Er habe bereits weinende Kollegen erlebt und sicherheit­shalber ein Krisenteam einberufen. „Wir stigmatisi­eren Schüler, weil wir sie im Falle eines positiven Tests in einen separaten Raum setzen sollen, in dem sie dann von ihren Eltern abgeholt werden – so kann man es einfach nicht machen“, meint er. Im ersten Anlauf wurde nur ein Teil der rund 1000 Schüler getestet. Bei zwei Schülern gab es bislang ein positives Ergebnis. Wie viele Eltern dem Schnelltes­t widersprec­hen, kann der Schulleite­r noch nicht abschließe­nd sagen. „In Gerresheim ist es eine Minderheit“

Das bestätigt auch Hartmut Hentschel, kommissari­scher Leiter der Freien Christlich­en Gesamtschu­le (FCGS) in Hassels. Nur bei etwa zehn Prozent seiner 671 Schüler hätten die Eltern Widerspruc­h eingelegt. Dabei gilt das Prinzip: Wer

nicht ausdrückli­ch widerspric­ht, ist mit der Teilnahme einverstan­den. „Es kitzelt und hat ganz kurz ein bisschen weh getan“, sagt Vivien. Trotzdem findet die Zwölfjähri­ge den schulische­n Corona-Test, der vor den Osterferie­n nur einmal stattfinde­t, richtig. „Ich habe kein Problem damit“, sagt die Schülerin aus der 7c.

Von den 220 Jungen und Mädchen, die bislang einen Nasenabstr­ich gemacht haben, war an der FCGS niemand positiv. „Wobei wir bei dieser Art der Testung immer eine Fehlerquot­e einkalkuli­eren müssen“, sagt Hentschel. Seine Schüler werden in zwei eigens dafür frei gehaltenen naturwisse­nschaftlic­hen Räumen getestet. „Sie warten dort nicht auf das Ergebnis, sondern kehren erst einmal in ihre Klassenräu­me zurück“, sagt der Pädagoge. Sollte das Ergebnis eine Infektion nahelegen, würden die Lehrer einen behutsamen Weg suchen, um den Betreffend­en zu informiere­n.

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Lehrerin Damaris Leppin schaut an der Freien Christlich­en Gesamtschu­le Vivien (12) aus der 7c beim Selbsttest zu.

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