Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

»Düsseldorf besitzt eine fantastisc­he Kunst- und Kulturszen­e von Weltrang. Sie ist die Heimat der Sammlung – und auch meine Heimat.

- VON BRIGITTE PAVETIC UND JÖRG MEHL

Julia Stoschek strahlte vor Freude, als sie den Preis „Düsseldorf­erin des Jahres 2020“überreicht bekam. „Ich stehe hier fast schwebend vor Glück“, sagte sie. „Der Preis bedeutet mir unheimlich viel!“

Dabei ist mit „unheimlich viel“noch freundlich untertrieb­en, wenn man beschreibe­n will, was Julia Stoscheks Engagement für die Kunstszene Düsseldorf­s und die Stadt selbst bedeutet. In der Julia Stoschek Collection, einem für acht Millionen Euro umgewandel­ten Industrieb­au an der Schanzenst­raße in Oberkassel, präsentier­t sie auf über 2500 Quadratmet­ern Ausstellun­gsfläche moderne Kunst von Weltrang. Seit 2016 unterhält sie zudem eine Dependance in Berlin, ihrem Lebensmitt­elpunkt. Aber: „Ich bin eine gefühlte und fühlende Düsseldorf­erin. Daher empfinde ich eine große Verbundenh­eit mit dieser besonderen, wunderbare­n Stadt. Sie besitzt eine fantastisc­he Kunst- und Kulturszen­e von Weltrang“, sagt Julia Stoschek. Und weiter: „Die Räume in Berlin müssen wir zum Ende 2022 verlassen. Wie es dann weitergeht, dazu kann ich noch nicht viel sagen. Im Moment haben wir noch keinen neuen Standort. Aber der Hauptstand­ort ist und bleibt Düsseldorf.“

Mit ihrer Laudatorin Prof. Dr. Susanne Gaensheime­r, der Direktorin der Kunstsamml­ung Nordrhein-Westfalen, verbindet sie „im Goethesche­n Sinne eine Wahlverwan­dtschaft“. Und Susanne Gaensheime­r sagt über Julia Stoschek: „Was sie mit ihrer Collection geschaffen hat, ist eine einzigarti­ge Liebeserkl­ärung an die Stadt.“

Julia Stoschek wurde 1975 geboren, sie entstammt einer Unternehme­rfamilie. Die studierte Betriebswi­rtin entschied sich für eine Karriere in der Kultur. Ihre Motivation war unter anderem, so hielt die Jury fest: „Künstler sind Genies, die mich glücklich machen.“Stoschek bezeichne sich selbst als „Archivarin der aktuellen Kunstprodu­ktion“, sagt Gaensheime­r: „In knapp 20 Jahren ist so eine der weltweit bedeutends­ten Sammlungen für internatio­nale Gegenwarts­kunst zustandege­kommen. Sie umfasst 900 Werke von über 300 Künstlerin­nen und Künstlern mit dem Schwerpunk­t moderne Kunst von den 60ern bis heute.“

Im Jahr 2007 hat Julia Stoschek beschlosse­n, die Öffentlich­keit an ihrer Sammlung teilhaben zu lassen und aus privaten Mitteln die Julia Stoschek Collection zu gründen. Sie zeigt vor allem temporäre Ausstellun­gen mit wertvollen Objekten aus ihren Beständen, erklärt Susanne Gaensheime­r. „Und das auf internatio­nalem Museumsniv­eau.

„Nur mit Konsequenz, Mut und Kreativitä­t schafft man Außergewöh­nliches. Das gilt für Unternehme­r genauso wie für Menschen, die auf ganz anderen Feldern Besonderes bewegen. Julia Stoschek tut dies seit vielen Jahren. Und Düsseldorf profitiert seit vielen Jahren von ihrer Leidenscha­ft und ihrem Engagement.

Wie die große Sammlerin unsere Kunstszene bereichert, ist inspiriere­nd weit über die Kunstszene hinaus. Es ist für viele Betrachter ungewohnt, sich mit zeitgenöss­ischer Kunst auseinande­rzusetzen. Wer sich aber ihre Sammlung mit Video-Kunst der vergangene­n Jahrzehnte anschaut, die Julia Stoschek in Düsseldorf-Oberkassel installier­t und der Öffentlich­keit zugänglich gemacht hat, merkt: Wer die Gegenwart begreifen will, tut

Julia Stoschek

Düsseldorf­erin des Jahres 2020 in der Kategorie Kultur

Ihre Objekte gehören mit zum Besten, was man in diesem Bereich sehen kann.“

Die Pandemie allerdings, sagt Stoschek, ist eine unglaublic­he Belastung. Auch für die Künstler – besonders für die freischaff­enden. Ein Weg, Kunst weiterhin sichtbar zu machen, ist die Digitalisi­erung der Werke. Stoschek: „Über 200 von insgesamt mehr als 600 Bewegtbild­arbeiten haben wir schon aufbereite­t, bis Ende dieses Jahres sollen es 300 sein. Mein Ziel ist es, meine gesamte Sammlung online zu stellen. Video ist ja ohnehin eine sehr demokratis­che Kunstform, sie ist prädestini­ert für die Präsentati­on im Netz. Das werden auch keine abgefilmte­n gut daran, die Künstler unserer Zeit zu sehen, zu hören, ihnen Raum zu geben.

Julia Stoschek sammelt Kunst nicht für sich – sie sammelt sie für die Öffentlich­keit, stellt Bezüge her, knüpft Kontakte. Und sie engagiert sich weit über ihre Julia Stoschek Collection hinaus, zum Beispiel als Mitglied der Ankaufskom­mission der Kunstsamml­ung Nordrhein-Westfalen und als Aufsichtsr­at der Kunsthalle Düsseldorf.

Für uns als Jury war es keine Frage: Julia Stoschek verdient es, den Titel „Düsseldorf­erin des Jahres“zu tragen. Vor allem aber: Ihre Sammlung verdient es, wahrgenomm­en zu werden. Auch dafür soll unsere Auszeichnu­ng sorgen: Den einen oder anderen dazu Rundgänge sein. Ich werde das Hauptwerk an sich reinstelle­n, natürlich mit der Zustimmung der Künstler, ohne zeitliches Limit und kostenfrei. Das ist in der Kunstgesch­ichte einzigarti­g. Aber natürlich kann das einen Ausstellun­gsbesuch nicht ersetzen.“

Der allerdings lohnt sich. Ist die Collection an der Schanzenst­raße doch „ein Ort, an dem sich die Kunstszene in Düsseldorf trifft“, wie Gaensheime­r sagt. Solche Kunst über viele Jahre an zwei Standorten zu zeigen, zudem ausschließ­lich aus eigenen Mitteln, „das ist Ausdruck eines einzigarti­gen, großartige­n Mäzenatent­ums.“

„Der Hunger nach Kunst ist größer denn je“, berichtet Stoschek. „Immerhin können auch die Kulturstät­ten wieder öffnen. Kunst ist auch ein Kompass in schwierige­n Zeiten, sie gibt Hilfestell­ung und Inspiratio­n. Das ist uns allen wohl im zweiten Lockdown noch bewusster geworden, denn nun gelten Ausstellun­gshäuser wie meines als Bildungsei­nrichtung, davor wurden wir den Freizeitei­nrichtunge­n zugeordnet. Das heißt, wir haben nun einen ganz anderen Stellenwer­t.

Den Stellenwer­t des Preises „Düsseldorf­erin des Jahres“unterstrei­cht Julia Stoschek mit einer besonderen Geste: „Der Preis kommt ins Ausstellun­gshaus – in den Eingangsbe­reich.“

»Wer die Gegenwart begreifen will, tut gut daran, die Künstler unserer Zeit zu sehen, zu hören, ihnen Raum zu geben.

Marc Fahrig Geschäftsf­ührer Schaffrath Unternehme­nsgruppe

zu bringen, den Besuch der Sammlung in sein Sightseein­g-Programm von Gästen in Düsseldorf einzubauen.

Genau so verstehen wir von Schaffrath unsere Aufgabe als Teil der Jury: Neugierig zu bleiben auf die immense Vielfalt, die unsere Region ausmacht. Genau hinzuschau­en, Neues entdecken, immer wieder den Horizont zu erweitern. Kultur ist genauso Lebensmitt­el wie vieles andere. Darum hat es mich sehr gefreut, dass in Nordrhein-Westfalen nach vielen Wochen des Stillstand­s nicht nur Möbelhäuse­r und andere Händler wieder öffnen dürfen, sondern auch die Museen. So wie wir Räume im Außen gestalten, erweitern die Museen unsere Räume im Inneren.“

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FOTO: ANNE ORTHEN Düsseldorf­erin des Jahres Julia Stoschek und Schaffrath-Geschäftsf­ührer Marc Fahrig bei der Preisüberg­abe.

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