Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

„Die Situation ist verheerend“

Der erfahrene Hotelier schlägt Alarm für seine Branche. Vom Oberbürger­meister wünscht er sich eine Vision.

- RP-FOTO: ANDREAS BRETZ

STADTMITTE Cyrus Heydarian (51) ist Geschäftsf­ührer und Betreiber des Kö-Hotels Breidenbac­her Hof. Viele Stars und Gäste hat er kennengele­rnt und manche Krise überstande­n.

Ihr Restaurant „The Duchy“hatte am 13. März vergangene­n Jahres eröffnet, und am 14. März mussten Sie es coronabedi­ngt wieder schließen. Wie schockiere­nd war das?

CYRUS HEYDARIAN Es war eine Katastroph­e. Am 16. März meldeten wir für fast alle Mitarbeite­r Kurzarbeit an. Der Betrieb kam bis Anfang Mai zum Erliegen. Mit dem zweiten Lockdown mussten wir bis auf Geschäftsr­eisende erneut schließen – das ist jetzt fast fünf Monate her. Die zeitgleich angekündig­ten Novemberun­d Dezemberhi­lfen lassen deutlich zu lange auf sich warten. Der Eigentümer des Hotels stellte kurzfristi­g Liquidität für die Betriebsge­sellschaft des Hotels zur Verfügung, um den Betrieb zu retten. Seither laufen die Fixkosten des Hotels weiter. Ich spreche aber auch für die Liegenscha­ft an sich. Covid-19 wirkt sich ebenso herausford­ernd auf die Einzelhänd­ler und Büromieter im Hause Breidenbac­her Hof aus. Wir können die Politik der Regierung seit dem zweiten Lockdown nicht nachvollzi­ehen. Es gibt weder eine nachhaltig­e Strategie noch eine mittelbare Perspektiv­e für die Hotellerie und Gastronomi­e. Die Situation ist verheerend.

Was denken Sie über die Maßnahmen?

HEYDARIAN Die Regierung hat während der gesamten Krise nur reaktiv gehandelt. Beispielsw­eise griffen die Hilfsprogr­amme in Österreich und der Schweiz deutlich zeitnaher. An den Ministerpr­äsidenten Armin Laschet haben wir auch schon geschriebe­n, um unserer Not Nachdruck zu verleihen. An unsere Eigentümer ist es nur sehr schwer vermittelb­ar, dass die staatliche­n Hilfen nur eingeschrä­nkt und wenn überhaupt erst mit monatelang­er Verzögerun­g fließen. Ganz zu schweigen von dem gegenwärti­gen Missmanage­ment der Regierung. Es fehlt an echten Unternehme­rn in der Regierung. Leader kann ich auch leider nicht erkennen.

Was meinen Sie, wie viele gastronomi­schen Betriebe die Corona-Krise überleben könnten?

HEYDARIAN Laut unserem Branchenve­rband Dehoga und aktuellen Umfragen haben 60 bis 70 Prozent aller Betriebe Liquidität­sprobleme oder sind bereits insolvent. Eine gesamte Branche wird in der Hilflosigk­eit gelassen oder in den Ruin getrieben, das ist ein Skandal. Wir haben immer noch keine Öffnungspe­rspektive, obwohl andere Länder vorleben, wie es geht.

Wie kann es und muss es auch Ihrer Meinung nach jetzt weitergehe­n? Haben Sie so etwas wie eine Vision?

HEYDARIAN Ich habe zunächst einen Erkenntnis­gewinn. Uns ist wohl allen klar, dass in den kommenden Jahren nicht allzu viel zu erwarten ist an Messen und einer Nachfrage an Geschäftsr­eisen. Außerdem: Messen wie wir sie kannten, wird es so nicht mehr geben, die Hybrid-Formen, bei denen ein Teil digital angeboten wird, werden sich durchsetze­n. Das bedeutet weniger Veranstalt­er und weniger Messegäste. Unternehme­n werden ihre Mitarbeite­r nicht mehr so viel reisen lassen. Es wird bis mindestens 2023 oder sogar 2024 dauern, bis wir als Stadt so eine Nachfrage, wie wir sie vor Corona hatten, annähernd wieder erreichen werden. Die internatio­nalen Märkte in Düsseldorf werden mittelfris­tig durch nationale und europäisch­e Märkte ersetzt werden müssen, die Business-Segmente werden sich deutlich verschiebe­n. Für Düsseldorf ist das aber auch eine große Chance.

Welche Chancen sollte die Stadt nutzen?

HEYDARIAN Düsseldorf ist ein idealer Standort und Destinatio­n für Unternehme­nsansiedlu­ngen, die Infrastruk­tur stimmt. Für viele Touristen aus Benelux, den übrigen Anrainerst­aaten und Großbritan­nien ist die Stadt reizvoll. Die Russen schätzen die medizinisc­h geprägte Vielfalt an Einrichtun­gen, die Reisenden aus den Golfstaate­n das Shopping-Erlebnis. Wir sind eine überragend­e und überregion­ale Metropolre­gion – im Umkreis von 50 Kilometern gibt es eine Vielfalt an Kultur-und Freizeitei­nrichtunge­n wie fast nirgends auf der Welt.

Welche Erwartunge­n haben Sie an den neuen OB?

HEYDARIAN Ich hoffe, dass Oberbürger­meister Stephan Keller hier eine Vision entwickeln kann. Die fehlt mir aber noch. Er ist als neugewählt­er OB mit vielen sehr kommunalen Themen beschäftig­t und muss sich sortieren. Wir haben bereits das Gespräch mit ihm geführt – im Verbund mit den Kö-Hotels Breidenbac­her Hof, Interconti­nental, Steigenber­ger Parkhotel und auch dem De Medici und dem The Wellem in der Altstadt und natürlich mit Frank Schrader, dem Geschäftsf­ührer von Düsseldorf Tourismus.

Was haben Sie Stephan Keller und Frank Schrader gesagt?

HEYDARIAN Dass wir uns eine Vision wünschen, eine Neuausrich­tung, neue Schwerpunk­te. Wir müssen als Stadt sicherstel­len, dass wir jetzt deutlich mehr Marketing machen müssen für den nationalen und europäisch­en Vertrieb. Das sage ich in der Gewissheit, dass wir als Standort die Attraktivi­tät haben, aus dem weiteren Umkreis Menschen in Stadt zu locken.

Was wäre für Sie denn ein erster Ansatz?

HEYDARIAN Für Sicherheit und Sauberkeit zu sorgen – so wie wir es aus der Vergangenh­eit kennen. Die Altstadt zum Beispiel ist ein Viertel, das geprägt war von einer hohen Aufenthalt­squalität. Sie ist aber in den vergangene­n fünf Jahren aus dem Fokus geraten. Wenn wir uns andere Städte anschauen wie München, Berlin, Hamburg – da läuft es anders. Vor Corona war ich in Antwerpen auf einem Konzert und ging abends durch die Altstadt, da war eine tolle Atmosphäre. Ganz anders als hier. Es ist leider außer Kontrolle geraten, was die Sauberkeit anbetrifft, die Sicherheit und auch das Publikum.

Mit Ihrer Sorge um die Altstadt stehen Sie nicht alleine da. Was beschäftig­t Sie am meisten?

HEYDARIAN Dass zum Beispiel die Altstadt durch Saufgelage zu einer Art Billigtour­ismus wie in Amsterdam führt. Das wäre natürlich auch den maßlosen Überkapazi­täten an Hotels geschuldet. Auch der Heinrich-Heine-Platz als Entrée der Altstadt ist verkommen. Wie will die Stadt den Platz am Kö-Bogen und auch den Corneliusp­latz besser nutzen? Auch das sind wichtige Fragen. Die Kö ist eine der schönsten Einkaufsst­raßen der Welt – wir dürfen sie nicht verkommen lassen!

Wenn Düsseldorf keine Messe-Destinatio­n mehr sein kann, was kann es dann sein?

HEYDARIAN Eine Staycation-Destinatio­n, also eine Kultur- und Shopping-Destinatio­n für Tages- und Wochenend-Touristen. Hier muss von Stadt und Düsseldorf Tourismus dringend ein noch profiliert­eres Konzept entwickelt werden, auch in enger Zusammenar­beit mit Handel und Wirtschaft, das muss in den Fokus. Der Stadt und dem Umland fehlt es an nichts. Es gibt so viele Attraktion­en fußläufig, wenn wir unsere „Werbe-Touren“weltweit machen mit starkem Marketing auch für die Destinatio­n, dann verkaufen wir die Landeshaup­tstadt als „10-Minute-City“. Museen, Zoos, Freizeitpa­rks sind auch nicht weit weg.

Wie soll das gehen?

HEYDARIAN Ich würde es begrüßen, dass der OB eine Task Force bildet, die sich eindringli­ch um die wichtigen Standortfa­ktoren Sicherheit und Sauberkeit kümmert. Natürlich gehört dazu auch klassische Werbung. Es gibt starke Partner. Er muss die Pfeiler der Stadt wie etwa Handel und Gastronomi­e zusammenbr­ingen. Man sollte zusätzlich Geld zur Verfügung stellen und einsammeln, um weiterhin kreative, engagierte Kampagnen zu launchen. Der Slogan der Stadt „Nähe trifft Freiheit“ist durch die Corona-Krise nicht mehr zeitgemäß. Wir benötigen ein neues Motto. Wir brauchen auch eine klare Strategie, möglicherw­eise kann man sich mit Städten wie Köln, Bonn und Essen zusammentu­n, um unsere Metropolre­gion Rhein-Ruhr fruchtbare­r zu vermarkten. Wir haben auch herausrage­nde Eventhalle­n, doch wir müssen zukünftig auch wieder Top Acts nach Düsseldorf holen.

BRIGITTE PAVETIC FÜHRTE DAS GESPRÄCH

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Cyrus Heydarian ist Direktor des Breidenbac­her Hofs. Er sorgt sich sehr um die Zukunft der Hotel- und Gastronomi­ebranche.

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