Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
„Die Situation ist verheerend“
Der erfahrene Hotelier schlägt Alarm für seine Branche. Vom Oberbürgermeister wünscht er sich eine Vision.
STADTMITTE Cyrus Heydarian (51) ist Geschäftsführer und Betreiber des Kö-Hotels Breidenbacher Hof. Viele Stars und Gäste hat er kennengelernt und manche Krise überstanden.
Ihr Restaurant „The Duchy“hatte am 13. März vergangenen Jahres eröffnet, und am 14. März mussten Sie es coronabedingt wieder schließen. Wie schockierend war das?
CYRUS HEYDARIAN Es war eine Katastrophe. Am 16. März meldeten wir für fast alle Mitarbeiter Kurzarbeit an. Der Betrieb kam bis Anfang Mai zum Erliegen. Mit dem zweiten Lockdown mussten wir bis auf Geschäftsreisende erneut schließen – das ist jetzt fast fünf Monate her. Die zeitgleich angekündigten Novemberund Dezemberhilfen lassen deutlich zu lange auf sich warten. Der Eigentümer des Hotels stellte kurzfristig Liquidität für die Betriebsgesellschaft des Hotels zur Verfügung, um den Betrieb zu retten. Seither laufen die Fixkosten des Hotels weiter. Ich spreche aber auch für die Liegenschaft an sich. Covid-19 wirkt sich ebenso herausfordernd auf die Einzelhändler und Büromieter im Hause Breidenbacher Hof aus. Wir können die Politik der Regierung seit dem zweiten Lockdown nicht nachvollziehen. Es gibt weder eine nachhaltige Strategie noch eine mittelbare Perspektive für die Hotellerie und Gastronomie. Die Situation ist verheerend.
Was denken Sie über die Maßnahmen?
HEYDARIAN Die Regierung hat während der gesamten Krise nur reaktiv gehandelt. Beispielsweise griffen die Hilfsprogramme in Österreich und der Schweiz deutlich zeitnaher. An den Ministerpräsidenten Armin Laschet haben wir auch schon geschrieben, um unserer Not Nachdruck zu verleihen. An unsere Eigentümer ist es nur sehr schwer vermittelbar, dass die staatlichen Hilfen nur eingeschränkt und wenn überhaupt erst mit monatelanger Verzögerung fließen. Ganz zu schweigen von dem gegenwärtigen Missmanagement der Regierung. Es fehlt an echten Unternehmern in der Regierung. Leader kann ich auch leider nicht erkennen.
Was meinen Sie, wie viele gastronomischen Betriebe die Corona-Krise überleben könnten?
HEYDARIAN Laut unserem Branchenverband Dehoga und aktuellen Umfragen haben 60 bis 70 Prozent aller Betriebe Liquiditätsprobleme oder sind bereits insolvent. Eine gesamte Branche wird in der Hilflosigkeit gelassen oder in den Ruin getrieben, das ist ein Skandal. Wir haben immer noch keine Öffnungsperspektive, obwohl andere Länder vorleben, wie es geht.
Wie kann es und muss es auch Ihrer Meinung nach jetzt weitergehen? Haben Sie so etwas wie eine Vision?
HEYDARIAN Ich habe zunächst einen Erkenntnisgewinn. Uns ist wohl allen klar, dass in den kommenden Jahren nicht allzu viel zu erwarten ist an Messen und einer Nachfrage an Geschäftsreisen. Außerdem: Messen wie wir sie kannten, wird es so nicht mehr geben, die Hybrid-Formen, bei denen ein Teil digital angeboten wird, werden sich durchsetzen. Das bedeutet weniger Veranstalter und weniger Messegäste. Unternehmen werden ihre Mitarbeiter nicht mehr so viel reisen lassen. Es wird bis mindestens 2023 oder sogar 2024 dauern, bis wir als Stadt so eine Nachfrage, wie wir sie vor Corona hatten, annähernd wieder erreichen werden. Die internationalen Märkte in Düsseldorf werden mittelfristig durch nationale und europäische Märkte ersetzt werden müssen, die Business-Segmente werden sich deutlich verschieben. Für Düsseldorf ist das aber auch eine große Chance.
Welche Chancen sollte die Stadt nutzen?
HEYDARIAN Düsseldorf ist ein idealer Standort und Destination für Unternehmensansiedlungen, die Infrastruktur stimmt. Für viele Touristen aus Benelux, den übrigen Anrainerstaaten und Großbritannien ist die Stadt reizvoll. Die Russen schätzen die medizinisch geprägte Vielfalt an Einrichtungen, die Reisenden aus den Golfstaaten das Shopping-Erlebnis. Wir sind eine überragende und überregionale Metropolregion – im Umkreis von 50 Kilometern gibt es eine Vielfalt an Kultur-und Freizeiteinrichtungen wie fast nirgends auf der Welt.
Welche Erwartungen haben Sie an den neuen OB?
HEYDARIAN Ich hoffe, dass Oberbürgermeister Stephan Keller hier eine Vision entwickeln kann. Die fehlt mir aber noch. Er ist als neugewählter OB mit vielen sehr kommunalen Themen beschäftigt und muss sich sortieren. Wir haben bereits das Gespräch mit ihm geführt – im Verbund mit den Kö-Hotels Breidenbacher Hof, Intercontinental, Steigenberger Parkhotel und auch dem De Medici und dem The Wellem in der Altstadt und natürlich mit Frank Schrader, dem Geschäftsführer von Düsseldorf Tourismus.
Was haben Sie Stephan Keller und Frank Schrader gesagt?
HEYDARIAN Dass wir uns eine Vision wünschen, eine Neuausrichtung, neue Schwerpunkte. Wir müssen als Stadt sicherstellen, dass wir jetzt deutlich mehr Marketing machen müssen für den nationalen und europäischen Vertrieb. Das sage ich in der Gewissheit, dass wir als Standort die Attraktivität haben, aus dem weiteren Umkreis Menschen in Stadt zu locken.
Was wäre für Sie denn ein erster Ansatz?
HEYDARIAN Für Sicherheit und Sauberkeit zu sorgen – so wie wir es aus der Vergangenheit kennen. Die Altstadt zum Beispiel ist ein Viertel, das geprägt war von einer hohen Aufenthaltsqualität. Sie ist aber in den vergangenen fünf Jahren aus dem Fokus geraten. Wenn wir uns andere Städte anschauen wie München, Berlin, Hamburg – da läuft es anders. Vor Corona war ich in Antwerpen auf einem Konzert und ging abends durch die Altstadt, da war eine tolle Atmosphäre. Ganz anders als hier. Es ist leider außer Kontrolle geraten, was die Sauberkeit anbetrifft, die Sicherheit und auch das Publikum.
Mit Ihrer Sorge um die Altstadt stehen Sie nicht alleine da. Was beschäftigt Sie am meisten?
HEYDARIAN Dass zum Beispiel die Altstadt durch Saufgelage zu einer Art Billigtourismus wie in Amsterdam führt. Das wäre natürlich auch den maßlosen Überkapazitäten an Hotels geschuldet. Auch der Heinrich-Heine-Platz als Entrée der Altstadt ist verkommen. Wie will die Stadt den Platz am Kö-Bogen und auch den Corneliusplatz besser nutzen? Auch das sind wichtige Fragen. Die Kö ist eine der schönsten Einkaufsstraßen der Welt – wir dürfen sie nicht verkommen lassen!
Wenn Düsseldorf keine Messe-Destination mehr sein kann, was kann es dann sein?
HEYDARIAN Eine Staycation-Destination, also eine Kultur- und Shopping-Destination für Tages- und Wochenend-Touristen. Hier muss von Stadt und Düsseldorf Tourismus dringend ein noch profilierteres Konzept entwickelt werden, auch in enger Zusammenarbeit mit Handel und Wirtschaft, das muss in den Fokus. Der Stadt und dem Umland fehlt es an nichts. Es gibt so viele Attraktionen fußläufig, wenn wir unsere „Werbe-Touren“weltweit machen mit starkem Marketing auch für die Destination, dann verkaufen wir die Landeshauptstadt als „10-Minute-City“. Museen, Zoos, Freizeitparks sind auch nicht weit weg.
Wie soll das gehen?
HEYDARIAN Ich würde es begrüßen, dass der OB eine Task Force bildet, die sich eindringlich um die wichtigen Standortfaktoren Sicherheit und Sauberkeit kümmert. Natürlich gehört dazu auch klassische Werbung. Es gibt starke Partner. Er muss die Pfeiler der Stadt wie etwa Handel und Gastronomie zusammenbringen. Man sollte zusätzlich Geld zur Verfügung stellen und einsammeln, um weiterhin kreative, engagierte Kampagnen zu launchen. Der Slogan der Stadt „Nähe trifft Freiheit“ist durch die Corona-Krise nicht mehr zeitgemäß. Wir benötigen ein neues Motto. Wir brauchen auch eine klare Strategie, möglicherweise kann man sich mit Städten wie Köln, Bonn und Essen zusammentun, um unsere Metropolregion Rhein-Ruhr fruchtbarer zu vermarkten. Wir haben auch herausragende Eventhallen, doch wir müssen zukünftig auch wieder Top Acts nach Düsseldorf holen.
BRIGITTE PAVETIC FÜHRTE DAS GESPRÄCH