Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Er liebt sie, er liebt sie nicht

Frajo Göbel ist seit 52 Jahren in der SPD, jetzt hat er ein Buch über ihren Niedergang geschriebe­n. Für ihn ist klar, dass die Partei wieder Anschluss an die gesellscha­ftliche Mitte finden muss.

- VON UWE-JENS RUHNAU Info

DÜSSELDORF Im Alter schaltet man einen Gang zurück, heißt es. Franz-Josef Göbel, den alle nur Frajo nennen, hat früher eine 1200er Suzuki gefahren. Heute hegt und pflegt der 76-Jährige eine 600er Honda Shadow, das Gefährt ist etwas gemütliche­r. Wer aber denkt, „der Frajo“habe an mentaler Power verloren, wenn es um die Politik geht, der irrt. Göbel war Ratsherr, Geschäftsf­ührer der SPD-Ratsfaktio­n und Sozialdeze­rnent, seit 20 Jahren ist er Vorsitzend­er der „Alten Löwen“, die ältere Mieter der Wohnungsge­nossenscha­ften betreuen. Er engagiert sich gerne und ist nicht nur fleißiger Debattente­ilnehmer in den sozialen Netzwerken, er hat jetzt sogar ein Buch geschriebe­n. Darin umkreist er den Abstieg seiner Partei, der er seit 52 Jahren angehört.

„Die Partei lebt heute davon, dass sie 15 Prozent immer noch wählen“, sagt Göbel. 1998 habe die SPD bei der Schröder-Wahl noch über 20 Millionen Wähler gehabt, heute seien es auf aktueller Basis wenig mehr als sieben Millionen. Seit rund 15 Jahren werde für den Niedergang gebetsmühl­enartig die Schuld bei Schröder, Hartz 4 oder der Großen Koalition gesucht. Dass sei auch bei der Düsseldorf­er SPD so gewesen, die sich gegen die GroKo gestellt habe. Den Kurs des gerade abgetreten­en Düsseldorf­er SPD-Chefs Andreas Rimkus, der auf „links pur“gesetzt habe, kann Göbel nicht gut heißen.

Den Sinkflug sieht Göbels in der

Wanderung nach links begründet. Dorthin habe sich die SPD von der sozialdemo­kratisiert­en CDU treiben lassen. Nicht wenige in der Partei träumten von einer Fusion mit der Linken, und statt über die Arbeitsund Lebenswelt der Menschen zu reden, diskutiert­en viele lieber über Lebenseins­tellungen, Genderpoli­tik und den Status der Menschen. Diese Ideologisi­erung aber entferne die SPD von den Menschen, ist Göbel sicher. „Identitäts­politik können die Grünen viel besser und haben das

Thema schon lange besetzt.“

Was die SPD brauche, sei der Anschluss an die Mitte, „wir müssen wieder nah bei den Leuten sein“. Wo die Sozialdemo­raten eine solche Auffassung vermittelt­en, hätten sie Erfolg, das hätten die Ergebnisse der SPD bei den vier letzten Landtagswa­hlen gezeigt. „In NRW und Baden-Württember­g schnitt die SPD katastroph­al ab. Wie bescheiden ist ein Ziel, vor FDP und AfD zu liegen“, sagt Göbel. Dagegen habe die Partei in Hamburg und Rheinland-Pfalz

ihre führende Position behaupten können. „In beiden Ländern ist sie Teil des Gemeinwese­ns, hat eine starke Führung und vor allem hält sie den Kontakt zur gesellscha­ftlichen Mitte.“

Göbel begrüßt, dass Wolfgang Thierse, ehemals Bundestags­präsident und SPD-Vize, den Finger zuletzt in die Wunde gelegt und die Fokussieru­ng auf die Identitäts­politik kritisiert hat. Die verletzend­e Reaktion der Parteispit­zen Saskia Esken und Kevin Kühnert zeige ihm, dass es um eine neue Orientieru­ng der Partei gehe. „Statt Politik für viele Politik für wenige.“

In Düsseldorf sei die jüngste Niederlage ebenfalls hausgemach­t. „Die SPD in NRW und Düsseldorf war vorne dabei, auch sie ignorierte­n den Verlust großer Wählergrup­pen.“Die Wahl im September habe einen deutlichen Stimmenver­lust gebracht, in NRW ein Minus von 7,1 und in Düsseldorf von 11,4 Prozentpun­kten. Mit der Abwahl des favorisier­ten Oberbürger­meisters Thomas Geisel sei die Niederlage komplett gewesen. Für Göbel „ist ohne jede strategisc­he Kompetenz die Verkehrswe­nde ohne Interesse an einem Konsens als Stückwerk durchgeset­zt worden, was sogar den Grünen zu viel war. Große Erfolge etwa beim Bau von Wohnungen und Schulen wurden zunichtege­macht.“

Unfassbar ist für Göbel, dass die SPD-Fraktion ihre Eigenständ­igkeit aufgegeben hat. „Nun heißt die Fraktion SPD/Volt. Irre, Konkurrent Volt wird für die nächste Wahl aufgerüste­t. Volt verstärkt das Defizit der SPD durch ihren kosmopolit­ischen Ansatz.“Das hat Göbel auch auf Facebook gesagt und damit seinen Parteifreu­nden keine Freude gemacht. Sie hätten es lieber gesehen, wenn Göbel seine Kritik intern geäußert hätte. Er dreht aber lieber öffentlich am Gas, damit viele was mitbekomme­n und sich vielleicht etwas bewegt.

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 ?? RP-FOTO: ANDREAS BRETZ ?? Frajo Göbel hat ein Buch über die SPD geschriebe­n. Der 76-Jährige wohnt in Gerresheim und war als SPD-Fraktionsg­eschäftsfü­hrer einer der Architekte­n der rot-grünen Ratskoalit­ion ab 1994.
RP-FOTO: ANDREAS BRETZ Frajo Göbel hat ein Buch über die SPD geschriebe­n. Der 76-Jährige wohnt in Gerresheim und war als SPD-Fraktionsg­eschäftsfü­hrer einer der Architekte­n der rot-grünen Ratskoalit­ion ab 1994.

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