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Der blutigste Tag in Myanmar

Mehr als 100 Menschen sterben, als das Militär Proteste niederschl­ägt. Im Westen ist man entsetzt – Russland aber spricht von Partnersch­aft.

- FOTO: AP

YANGON (dpa) In Myanmar hat die Militärgew­alt bei landesweit­en Protesten mit mehr als 100 Toten einen vorläufige­n Höhepunkt erreicht. Die Vereinten Nationen bezeichnet­en den Samstag als den blutigsten Tag seit dem Militärput­sch vom 1. Februar. Mindestens 114 Menschen wurden am „Tag der Streitkräf­te“getötet, wie das Nachrichte­nportal „Myanmar Now“unter Berufung auf Zahlen aus 44 Städten berichtete. „The Irrawaddy“schrieb am Sonntag von mehr als 100 Toten, unter ihnen Kinder und Jugendlich­e. „Die Gewalt ist völlig inakzeptab­el und muss sofort aufhören“, hieß es von der Uno. Der UN-Sondergesa­ndte für Menschenre­chte in Myanmar warf dem Militär „Massenmord“an der eigenen Bevölkerun­g vor.

Am offizielle­n Gedenktag der Armee, dem 27. März, protestier­ten Menschen in weiten Teilen des Landes gegen die Machtübern­ahme des Militärs. Dabei sollen Militärang­ehörige und Polizisten mit scharfer Munition und gezielten Kopfschüss­en gegen unbewaffne­te Zivilisten vorgegange­n sein. Nach Medienberi­chten soll ein Zivilist in Mandalay vom Militär angeschoss­en und dann lebendig verbrannt worden sein. Unter den Opfern in Yangon sei auch ein 21-Jähriger gewesen, der in einem Teeladen ausgeholfe­n habe, als er erschossen worden sei, berichtet ein Familienan­gehöriger.

Die EU sprach von einem Tag des „Terrors und der Ehrlosigke­it“. US-Außenminis­ter Antony Blinken prangerte eine „Schreckens­herrschaft“des Militärs an. Auch mehrere internatio­nale Militärche­fs verurteilt­en in einer Erklärung die Gewalt scharf. Bundesauße­nminister Heiko Maas teilte am Sonntag mit, die Bilder und Nachrichte­n aus dem Land seien „zutiefst schockiere­nd“. Die Europäisch­e Union habe deutlich gemacht, dass sie das brutale Vorgehen gegen die Bevölkerun­g in Myanmar nicht hinnehme, und Sanktionen gegen die Militärjun­ta verhängt.

Die UN-Hochkommis­sarin für Menschenre­chte, Michelle Bachelet, und die UN-Beraterin für die Verhinderu­ng von Völkermord, Alice Wairimu Nderitu, forderten die internatio­nale Gemeinscha­ft zum Handeln auf. Unter den nach ihren Angaben mindestens 107 Toten seien nach glaubhafte­n Berichten sieben Minderjähr­ige.

In einer Ansprache in der Hauptstadt Naypyidaw verteidigt­e der Oberbefehl­shaber der Streitkräf­te, Min Aung Hlaing, die Machtübern­ahme durch das Militär als „unvermeidl­ich“, weil die damalige Regierung,

Aung San Suu Kyi und ihre Partei in „ungesetzli­che Handlungen“verwickelt gewesen seien. Er gab an, die Demokratie schützen zu wollen, und versprach erneut, Wahlen abzuhalten, ohne aber ein Datum zu nennen.

Nach Angaben der staatliche­n Agentur Tass nahm auch der russische Vize-Verteidigu­ngsministe­r Alexander Fomin an der Parade teil. Demnach wollen Russland und Myanmar ihre Beziehunge­n intensivie­ren. Beide Staaten wollten ihre militärtec­hnische Zusammenar­beit ausbauen, berichtete Tass. Fomin nannte Myanmar demnach einen „zuverlässi­gen Verbündete­n und strategisc­hen Partner in Südostasie­n und pazifische­n Raum“. Min Aung Hlaing sagte laut BBC, dass Russland ein „wahrer Freund“sei.

Auch am Sonntag gingen Menschen auf die Straße. In den sozialen Medien wurden Bilder geteilt, die zeigen, dass die Sicherheit­skräfte weiter brutal gegen den Widerstand vorgehen. Medienberi­chten zufolge gab es erneut Tote. Polizisten und Soldaten sollen bei einer Beerdigung eines Studenten im südlichen Bago auf die Trauergäst­e geschossen haben. In Yangon soll das Militär in Bezirken, in denen es immer wieder zu Protesten kommt, auf Wohngebäud­e geschossen haben. „Die Menschen haben jetzt Angst rauszugehe­n, und manche sind verletzt“, sagte eine Anwohnerin. In Mandalay sollen nach Berichten am Morgen Dutzende Häuser niedergebr­annt worden sein.

Nach Schätzunge­n der Gefangenen­hilfsorgan­isation AAPP wurden bei den Protesten bislang knapp 3070 Menschen festgenomm­en und mindestens 423 getötet.

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Demonstrie­rende in Yangon zeigen den Drei-Finger-Gruß – eine Geste des Protests.

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