Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
So erleben Hebammen die Pandemie
Für Heilberufe mit Menschenkontakt ist die Krise belastend. Seit März werden Geburtshelfer im Impfzentrum des Kreises geimpft.
MEERBUSCH Seit dem 1. März können auch freiberuflich tätige Hebammen aus dem Rhein-Kreis Neuss mit regelmäßigem Patientenkontakt im Impfzentrum in Neuss geimpft werden. 30 von ihnen, die in der Vorund Nachsorge von Schwangeren und Neugeborenen tätig sind, haben dieses Angebot bereits wenige Tage später angenommen.
Die Hebammen-Kreisvorsitzende Anette Reimers begrüßt diesen Schritt: „Wir freiberuflichen Hebammen gehen von Schwangeren zu frisch gebackenen Eltern mit Babys, die nur wenige Tage alt sind, von Haus zu Haus. Die Corona-Impfung ist daher ein wichtiger Schritt zu mehr Schutz für alle.“
Dass es bei der Impfung aber nicht immer reibungslos lief, zeigt dieser Fall: Auch eine über 65-jährige Hebamme aus Meerbusch, die Hausbesuche bei Schwangeren sowie Nachsorgetermine wahrnimmt, hatte sich unmittelbar nach Bekanntgabe der Impfmöglichkeit für ihren Berufsstand einen Impftermin geben lassen. Ihren Namen möchte sie nicht öffentlich machen, aber die Frau berichtet: „Kurz vor dem Termin
wurde mir dieser wieder abgesagt, da der zu verabreichende Impfstoff von Astrazeneca nur an unter 65-Jährige verimpft werden sollte“, berichtet die erfahrene Hebamme. Zwei Tage später sah die Impfempfehlung der Ständigen Impfkommission schon wieder ganz anders aus. Nun sollte das Vakzin auch für ältere Menschen gut verträglich und wirksam sein. „Natürlich habe ich mich sofort um einen neuen Termin gekümmert,“sagt die Meerbuscherin.
Auch Lena Müller, die im Neusser Süden und in Teilen von Düsseldorf als Hebamme freiberuflich in der Schwangerenbetreuung, Vorsorge und Wochenbettbetreuung arbeitet, wurde bereits geimpft. „Die Impfung selbst habe ich kaum gespürt und auch insgesamt gut vertragen“, sagt sie. Über die Impfmöglichkeit ist sie froh, weil sie sich damit auf der einen Seite als Hebamme selbst schützen könne, auf der anderen Seite möchte sie auch die Schwangeren und Neugeborenen schützen. Zum Schutz von Schwangeren, erläutert Müller, bestehe jetzt zudem die Möglichkeit, dass diese zwei enge Kontaktpersonen melden, die sich dann ebenfalls impfen lassen können.
Zurück zu der Hebamme aus Meerbusch: Den Blick auf die werdende Mutter habe sie während der Pandemie noch einmal geschärft, erzählt sie. Während des ersten Lockdowns im vergangen Jahr habe sie auf Wunsch Vorgespräche nur telefonisch vereinbart. „Erst nach der Geburt haben die jungen Mutter, das Neugeborene und ich uns dann unter strengen Hygieneauflagen zuhause getroffen“, sagt sie. Dabei seien besonders das Tragen der medizinischen Maske und das sorgfältige Desinfizieren der Hände wichtig. „Wir Hebammen arbeiten viel mit unseren Händen, da sind Handschuhe hinderlich. Ich desinfiziere lieber einmal mehr und habe den Hautkontakt zum Baby und zur Mutter“, erklärt sie aus der Praxis.
Seit 1983 ist sie als Hebamme tätig und macht heute noch fünf bis sechs Hausbesuche täglich. Dabei erfahre sie auch viel von der Not der jungen Mütter. Nicht nur, dass diese unter der Maske das Kind im Krankenhaus gebären müssten, auch daheim sei es für die jungen Frauen nicht einfach. Oft warteten noch Geschwister im Kita- oder Schulalter auf die Mama, und der Vater sitze am Küchentisch im Homeoffice. „Und wenn dann das Neugeborene auch noch ein schwieriges Kind ist, das viel weint und wenig schläft, ist die junge Mutter oft überfordert“, weiß die Hebamme.
Diese Anspannung der Mütter spürten schon die ganz Kleinen. Auch Außenkontakte mit Freundinnen in der Rückbildungsgymnastik, in der Babymassage oder in Pekip-Gruppen fehlten den Müttern derzeit sehr. „Es ist ein anstrengender Alltag während der Pandemie für Schwangere und junge Mütter und natürlich für die ganze Familie“, sagt die Hebamme, die während der Wochenbettbetreuung in viele Haushalte schauen kann. Umso wichtiger sei die Impfung für das medizinische Personal.
Für Heilberufe, die nah am Menschen sind, sei die Corona-Pandemie besonders belastend, betont auch Landrat Hans-Jürgen Petrauschke, der die erweiterten Impfmöglichkeiten für medizinisches
Personal begrüßt. „Nur durch Impfungen kann es uns gelingen, die Pandemie zu bewältigen und unseren gewohnten Alltag zurückzugewinnen“, sagt Petrauschke. Und auch die Meerbuscher Hebamme wünscht Müttern und Kindern bald wieder eine Schwangerschaft und erste Lebenswochen ganz ohne Anspannung und Angst.